Die schwarz-rote Koalition will die Rente umbauen. Am Rentenniveau will die Bundesregierung nichts ändern. Dafür soll länger arbeiten belohnt werden. Was taugen die Pläne?
Das Ziel klingt ambitioniert. "Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füsse stellen." So steht es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Gleich im ersten Kapitel widmen sich Union und SPD dem Thema Rentenpolitik. Daran haben sich in der Vergangenheit Regierungen aller Couleur abgearbeitet – mit mässigem Erfolg.
Ein Grundproblem des deutschen Systems: Die Rente ist umlagefinanziert. Aus den Beiträgen der Jungen werden die Bezüge der Alten finanziert. Doch der Generationenvertrag – Jung steht für Alt ein – ist brüchig geworden: Dank des medizinischen Fortschritts werden die Menschen immer älter und beziehen im Schnitt länger Rente. Gleichzeitig bekommen die Deutschen aber zu wenig Kinder.
Immer weniger Beitragszahler stehen also immer mehr Leistungsempfängern gegenüber. Das System kippt, sagen Kritiker.
Aktivrente: 2000 Euro steuerfrei für längeres Arbeiten
Schwarz-Rot will hier ansetzen, zumindest ein bisschen. Das Renteneintrittsalter soll zwar – anders als von vielen Ökonomen gefordert – nicht erhöht werden. Stattdessen setzt die Koalition aber auf die sogenannte Aktivrente. Eine Art Belohnung für alle, die über das Renteneintrittsalter hinaus weiterarbeiten. Wer das tut, soll nach dem Willen der Bundesregierung in Zukunft 2000 Euro steuerfrei hinzuverdienen dürfen.
Johannes Geyer, Rentenexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), hält das für sinnvoll. "Die Steuerbelastung bei Rentnern ist relativ hoch, wenn sie mehr als einen Minijob ausüben. Denn die Rente und andere Einkommen unterliegen in der Regel schon der Einkommenssteuer", sagte Geyer dieser Redaktion. Die Aktivrente setzt hier an, indem sie für mehr Netto sorgt – und Anreize für längeres Arbeiten setzt.
Damit könnte immerhin etwas Druck aus dem System genommen werden. Und der ist inzwischen enorm: Wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet hat, ist bereits jeder zweite Babyboomer – gemeint sind die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre – vorzeitig in Rente gegangen. Das entspricht 1,8 Millionen Menschen, Fachkräfte, die dem Arbeitsmarkt fehlen. Das IW schlägt vor, die Möglichkeiten zum vorzeitigen Renteneintritt zu begrenzen. Das hiesse auch: Ein Ende der Rente mit 63. Die gilt für alle Beschäftigten, die auf 45 Beitragsjahre kommen. Dagegen aber sperrt sich die SPD.
Eine Vielzahl an Ökonomen meint ohnehin: An längerer Arbeit führt kein Weg vorbei. Der Wirtschaftsweise und Rentenexperte Martin Werding hat im Gespräch mit dieser Redaktion gefordert, das Renteneintrittsalter regelbasiert anzuheben. Konkret bedeutet das: Wenn die Lebenserwartung der Deutschen steigt, soll ein Teil dieser Zeit automatisch in mehr Arbeit überführt werden.
Doch auch hier sagt Schwarz-Rot: Nein.
Das Rentenniveau ist sicher – zumindest bis 2031
In den Koalitionsverhandlungen hat die SPD dafür eines ihrer Kernanliegen durchgesetzt: Bis 2031 soll das Rentenniveau bei 48 Prozent festgeschrieben werden. Diese Grösse beschreibt, vereinfacht gesagt, das Verhältnis der Rente zum Durchschnittsgehalt. Ein stabiles Rentenniveau bedeutet, dass die Altersbezüge der Lohnentwicklung folgen. "Ich halte die Niveaufestschreibung für eine sinnvolle Massnahme", sagt DIW-Experte Johannes Geyer. "Die gesetzliche Rente fällt ohnehin nicht besonders hoch aus und wir wissen, dass die Altersarmut zunimmt, wenn das Niveau sinkt."
Andere Ökonomen sind skeptischer. "Die Renten können nicht mehr so stark steigen wie bisher", sagte die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, dem Magazin Focus. Ihr Vorschlag: Die Rentenentwicklung soll an die Inflation gekoppelt werden. Das bedeutet aber auch: ein sinkendes Rentenniveau. Politisch ist das heikel. Rentnerinnen und Rentner sind eine grosse Wählergruppe. Und sie setzen ihr Kreuz noch immer überwiegend bei Union und SPD.
Depot: Kinder und Jugendliche bekommen 10 Euro pro Monat
In der Ampel-Koalition war es vor allem die FDP, die in der Rentenpolitik auf den Kapitalmarkt gesetzt hat. Mit dem Generationenkapital – einem staatlichen Investment in Aktien – und der Rendite daraus sollte der Anstieg der Beitragssätze im Umlagesystem gedämpft werden. Ausserdem hatte Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) schon ausgearbeitete Pläne, um die private Altersvorsorge über Aktien und ETFs zu stärken. Doch dann platzte die Koalition – und die Pläne verschwanden wieder in einer Schublade im Bundesfinanzministerium.
Schwarz und Rot haben sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf einen Mini-Einstieg in Aktien verständigt. Ab dem 1. Januar 2026 soll es für jedes Kind zwischen 6 und 18 Jahren, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, zehn Euro pro Monat in ein Altersvorsorgedepot geben. Ab dem 18. Geburtstag kann das Depot individuell weiterbespart werden. So kann der Zinseszinseffekt wirken, das Geld wird bei Renteneintritt ausgezahlt – und erst dann versteuert.
"Das kann ein gutes Projekt werden", sagt DIW-Forscher Geyer. Wichtig sei aber, dass die Kosten der Sparpläne – anders als bei der gefloppten Riester-Rente – niedrig seien. Hier seien noch Fragen offen, denn Union und SPD setzen auf eine privatwirtschaftliche Umsetzung durch Banken und Neo-Broker. Und die könnte teurer sein als bei einem standardisierten Produkt, das etwa über die staatliche Förderbank KfW vertrieben wird.
Grosse Fragen soll eine Kommission klären
Stand jetzt sieht es so aus, dass es in der Rentenpolitik, von einigen kosmetischen Veränderungen abgesehen, weiterläuft wie bisher. Ein paar Anreize hier, ein bisschen Förderung da. Und die CSU bekommt noch eine Ausweitung der teuren Mütterrente.
Dass das womöglich nicht reicht, ist auch den schwarz-roten Koalitionären klar. Eine Rentenkommission soll daher Vorschläge erarbeiten, wie das System zukunftsfest aufgestellt werden kann. Nur: Wie die Kommission aussehen soll, wann sie die Arbeit aufnimmt und mit welchem konkreten Auftrag, ist noch unklar. Davon hänge aber vieles ab, sagt Ökonom Johannes Geyer. Dann werde sich zeigen, "ob hier tatsächlich Reformen erwünscht sind oder es eher einen weiteren Abschlussbericht geben wird, den wir zu den Akten legen können".
Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat derweil schon eigene Vorstellungen, wie die Rente umgebaut werden kann. Sie will, wenig überraschend, dass auch Beamte und Selbstständige ins System einzahlen, eine Kernforderung der SPD. Doch mit der Union ist das, ebenfalls wenig überraschend, nicht zu machen. Zumindest hier sind sich Schwarz und Rot schonmal einig: Was alles nicht geht.
Über den Gesprächspartner
- Johannes Geyer ist stellvertretender Leiter der Abteilung Staat am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Neben seiner Tätigkeit am DIW war er zwischen 2012 und 2016 Gastprofessor an der HU Berlin. In seiner Forschung beschäftigt sich Geyer im Schwerpunkt mit Fragen der sozialen Sicherung im demografischen Wandel.