Der mächtigste Mann der Welt und der reichste Mann der Welt hatten lange ein für sie gut funktionierendes Bündnis. Nun eskaliert der Streit und die Frage steht im Raum: Handelt es sich lediglich um den Streit zweier grosser Egos oder sind handfeste Interessen betroffen?
Für einige Beobachter war es bereits ein Wunder, dass sie überhaupt so lange gemeinsam durchgehalten haben. Das Bündnis zwischen
Seit Beginn dieser Woche tragen die Beiden ihren Streit öffentlich über die Sozialen Medien aus. Anlass dafür war zunächst ein geplantes Haushaltsgesetz. Mittlerweile entwickelt sich der Streit zur Schlammschlacht. Über die Hintergründe hat unsere Redaktion mit dem Kommunikations- und US-Experten Julius van de Laar gesprochen.
Herr van de Laar, der mächtigste Mann der Welt streitet mit dem reichsten Mann der Welt auf offener Bühne. Ist das nur ein Kampf zwischen zwei Egos, oder steckt da mehr dahinter?
Julius van de Laar: Klar, hier prallen zwei gigantische Egos aufeinander und das auf offener Bühne, begleitet von 220 Millionen Followern. So etwas lässt niemand unberührt. Gleichzeitig sieht man, wie sehr der Druck auf Elon Musk gestiegen ist: Die verheerende Berichterstattung in der "New York Times" am vergangenen Wochenende, in der ihm massiver Drogenkonsum mit sichtbaren körperlichen Auswirkungen vorgeworfen wurde. Und dann der Börsencrash: Der Tesla-Kurs ist innerhalb weniger Tage um 20 Prozent eingebrochen.
"Er wollte zwei Billionen US-Dollar aus dem Staatshaushalt streichen – ein politisches Himmelfahrtskommando."
Trump sagte am Donnerstag bei dem Treffen mit
Er nennt das selbst das "Trump Derangement Syndrome". Und tatsächlich ist es ein wiederkehrendes Muster: Wer das Weisse Haus verlässt, zieht sich entweder still zurück oder attackiert Trump anschliessend öffentlich. Das liegt aber auch daran, dass viele versuchen, sich mit dieser Distanzierung neu zu positionieren oder das Chaos strategisch für sich zu nutzen.
Wie ist es bei Elon Musk?
Im Fall Musk ist klar: Er wollte zwei Billionen US-Dollar aus dem Staatshaushalt streichen – ein politisches Himmelfahrtskommando. Zuletzt gaben Musk und Trump an, 160 Milliarden US-Dollar eingespart zu haben. Das ist ein Bruchteil. Das Fazit ist offensichtlich: Musk ist gescheitert. Und jetzt braucht es – aus seiner Egoperspektive – einen Sündenbock.
Wer wäre das?
In Musks Weltbild: die republikanische Partei – und Donald Trump selbst. Und dazu kommt: Seine Geschäftsinteressen sind massiv betroffen. Konkret geht es um das sogenannte EV-Mandate – also Subventionen für Elektromobilität –, die im neuen Haushaltsgesetz gestrichen wurden. Das trifft Musk ins Herz seines Geschäftsmodells. Und wenn der Aktienkurs sinkt, reagiert Musk – emotional und öffentlich. Trump bekommt das gerade ab.
Hat Musk denn überhaupt eine politische Agenda, die er wirklich pusht, oder geht er da eher nach dem Motto vor: "Hauptsache, mir geht’s gut"?
Es ist ein toxischer Mix: knallharte wirtschaftliche Interessen und ein aufgeblähtes Ego. Die "New York Times" listet allein für 2024 drei Milliarden US-Dollar an Regierungsaufträgen, die Musks Firmen unter Trump in Aussicht gestellt wurden. Dazu kommen laufende SpaceX-Aufträge im Wert von rund 22 Milliarden Dollar. Musk kämpft nicht nur für Prinzipien, er kämpft auch für Milliardenaufträge.
"Für Musks Ego war das ein Ritterschlag."
Gleichzeitig wird er es auch schön gefunden haben, so nah an der Macht zu sein …
Für Musks Ego war das ein Ritterschlag – der direkte Draht ins Weisse Haus. Und dass dieses Verhältnis jetzt zerbricht, zeigt sich auch an seiner Aussage: "Ohne mich hätte Trump die Wahl nie gewonnen." Das ist kein Seitenhieb, sondern ein direkter Schlag ins Gesicht.
Beide haben grossen Einfluss in den sozialen Medien. Elon Musk besitzt mit X ein soziales Medium, Donald Trump mit Truth Social im Prinzip ebenso. Welche Rolle wird das jetzt in dieser Schlammschlacht spielen?
X hat eine weit grössere Reichweite als Truth Social – das ist klar. Und Musk hat X auch politisch aufgeladen: als Plattform ohne Zensur, quasi als Einladung an Trump, zurückzukehren. Aber Trump nutzt X kaum, postet nur in Ausnahmesituationen. Sollte der Konflikt mit Musk weiter eskalieren, ist sogar ein Trump-Aufruf zum Boykott von X denkbar – ein digitaler Plattformkrieg mit ungewissem Ausgang.
Wie wird Trump kommunikativ reagieren? Wird er versuchen, Musk zu isolieren oder seine Basis gegen ihn aufzubringen?
Den ersten Schritt haben wir bereits gesehen. Mit Friedrich Merz an seiner Seite sagte Trump sinngemäss: "Musk ist nur sauer, weil wir ihm die Subventionen gestrichen haben – und das wusste er vorher." Der nächste Schritt folgt möglicherweise bald: ein Telefongespräch zwischen Trump und Musk, um die Wogen zu glätten. Aber Trump ist loyal nur so lange, wie es ihm nützt. Wenn Musk zur Belastung wird, wirft er ihn eiskalt unter den Bus.
"Musk ist quasi radioaktiv."
Was bedeutet das konkret?
Er müsste nur wiederholen, was ohnehin schon kursiert: die Drogenvorwürfe, Gerüchte über familiäre Gewalt, der Tesla-Absturz, der X-Verlust. Damit könnte Trump Musk als frustrierten, toxischen Ex-Verbündeten brandmarken, der aus verletztem Stolz handelt. Das wäre klassisch Trump.
Trump hat weiterhin Rückhalt bei anderen Tech-CEOs. Könnten sich hier zwei Lager bilden?
In der Theorie ja. Aber in der Praxis sind Tech-CEOs Einzelkämpfer. Mark Zuckerberg etwa dürfte sich insgeheim freuen – ein Konkurrent weniger. Musk ist schlicht zu unbeliebt. Laut aktuellen Umfragen sind 60 Prozent der Amerikaner unzufrieden mit ihm. Seine Sympathiewerte sind in den letzten 130 Tagen dramatisch gefallen. Er ist quasi radioaktiv. Und ich sehe niemanden, der sich freiwillig den Asbestanzug anzieht, um ihm beizuspringen.
Wer könnte als Gewinner aus dem Konflikt hervorgehen?
Kurzfristig? Beide.
Warum das?
Weil sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Und Aufmerksamkeit ist Trumps stärkste Währung. Zum Vergleich: Friedrich Merz bekam ein paar Minuten für ein nettes Fotomotiv im Oval Office. Trump aber orchestrierte gleichzeitig ein Telefonat mit Xi Jinping, das Treffen mit Merz – und den Eklat mit Musk. Fünf parallele Storylines. Das ist Trumps Strategie: Dauerpräsenz. Und Musk? Der bleibt in der Debatte. Ob ihm das langfristig hilft, ist fraglich. Aber kurzfristig ist er weiter im Spiel.
Über den Gesprächspartner
- Julius van de Laar ist Kampagnenmanager und Politikberater und hat sowohl Bundestags- als auch Europawahlkämpfe unterstützt. Er hat zudem die Präsidentschaftswahlkampagnen Barack Obamas begleitet und leitete 2012 als Regional GOTV Director den Bereich Wählermobilisierung für Obama im Schlüsselstaat Ohio. Van de Laar berät ausserdem NGOs und Unternehmen bei der Entwicklung von Kampagnen und der Umsetzung.