US-Präsident Donald Trump und sein "Kriegsminister" Pete Hegseth bringen das US-Militär auf ihre ideologische Linie – und schrecken auch vor dessen Einsatz im Inland nicht zurück. Aus mehreren Gründen ist das eine gefährliche Entwicklung.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Johannes Streeck sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Genug mit diesem Mist!" Das forderte Pete Hegseth vor kurzem in einer Rede vor der obersten Riege der amerikanischen Streitkräfte. Hegseth –kürzlich vom Verteidigungsminister zum "Kriegsminister" umbenannt, hatte Offiziere nach Quantico (Virginia) einberufen – zum grössten Stabstreffen der amerikanischen Geschichte.

Der "Mist", von dem Hegseth sprach, ist die sogenannte woke Ideologie, die aus Sicht der Republikanischen Partei die USA unterwandert hat. In Quantico legte Hegseth den neuen Kurs der Streitkräfte unmissverständlich fest: "Keine Typen in Kleidern, keine Klimawandel-Anbetung, keine weiteren Spaltungen oder Ablenkungen, genug mit dem Gender-Wahn.” Und noch etwas: Hegseth wünschte sich eine kampfbereite, fitte Streitmacht, "ohne fette Generäle".

US-Präsident Donald Trump nutzt seine zweite Amtszeit, um die Streitkräfte auf seine ideologische Linie zu bringen und den Kulturkampf auch dort weiterzuführen. Die Ansage seines Kriegsministers Hegseth ist nur eines von mehreren Beispielen dafür.

Hauptsache glattrasiert: Wie Kriegsminister Hegseth sich seine Armee vorstellt

Einem Bericht der britischen BBC zufolge droht mehreren Tausend Transpersonen in den Streitkräften die unfreiwillige Pensionierung – es sei denn, sie kleiden und präsentieren sich ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entsprechend. Hegseth macht auch Vorgaben zur Körperpflege, insbesondere zur Rasur. "Keine Bärte mehr", forderte er in seiner Rede in Quantico. Sämtliche Soldaten hätten ständig sauber rasiert zu sein.

Für viele Beobachter verfolgt Hegseth mit diesen rigiden Vorgaben aber ein anderes Ziel als glatte Wangen und Hälse. Rasurbrand ist eine Hautkrankheit, die durch regelmässige Rasur hervorgerufen wird und laut einem US-Dermatologenverband vor allem afroamerikanische Männer betrifft. Wer dauerhaft unter Rasurbrand leidet, muss die Streitkräfte verlassen. Ist Hegseths Kurs ein Versuch, afroamerikanische Soldaten loszuwerden? Der Verdacht des Rassismus steht jedenfalls im Raum. Dazu passt es, dass etliche Einträge, in denen die Errungenschaften von afroamerikanischen und weiblichen Mitgliedern der Streitkräfte gewürdigt wurden, zuletzt laut BBC aus Verbandschroniken verschwunden sind.

"Diese Art, Menschen nach ihrer Rasse oder ihrem Glauben zu verfolgen, untergräbt die Leistungsorientierung des Militärs."

Jura-Professor Joshua Kastenberg

Joshua Kastenberg fühlt sich bei diesem Dekret an die 80er Jahre erinnert: Damals wurde einem jüdischen Militärmitglied verboten, die Kippa zu tragen. "Diese Art, Menschen nach ihrer Rasse oder ihrem Glauben zu verfolgen, untergräbt die Leistungsorientierung des Militärs", sagt der frühere Militärrichter und heutige Jura-Professor an der "New Mexico State University" unserer Redaktion.

Der Kurs ist noch aus einem anderen Grund heikel: Eigentlich sind die Streitkräfte dringend auf jedes Mitglied angewiesen. Sie kämpfen mit einem Rekrutierungsproblem. Schon unter dem vorigen US-Präsidenten Joe Biden musste sie ihre körperlichen Eignungsstandards herabsetzen, um die Quoten zu erfüllen.

Was Veteranen zu dem neuen Kurs sagen

Aktuelle Mitglieder des Militärs dürfen sich der Presse gegenüber nur mit Erlaubnis ihrer Befehlshaber äussern. Anders ist das bei den Veteranen – sie unterliegen keinen Restriktionen. Unsere Redaktion hat bei einigen von ihnen nachgefragt, wie sie die Hegseth-Linie bewerten. Das Stimmungsbild ist gemischt.

"Ich finde es richtig, dass die Truppen an der Front fit genug für den Job sind", sagt etwa ein ehemaliger Fallschirmjäger in Texas, der für die Armee im Irak gekämpfte hat. "Ob sie trans sind oder nicht, ist mir dabei eigentlich egal."

Ein ehemaliger Soldat des "Marine Corps" in New Mexico, der zehn Jahre diente, hat Trumps erste Amtszeit positiv in Erinnerung. "Aber als er vor kurzem die neuen Offiziere in der Militärakademie West Point einen Treueid auf ihn und nicht auf die Verfassung schwören liess, da hat sich mir der Magen umgedreht", sagt er.

Ein ehemaliger Marinesoldat wiederum beklagt die Kürzungen in der Veteranenbehörde, die seit Trumps Amtsübernahme stattgefunden haben. Die in den USA vergleichsweise grosszügig ausgelegten Sozialprogramme für Mitglieder des Militärs waren lange ein wichtiger Rekrutierungsfaktor. Nun werden sie gekürzt. Auch das könnte für Trumps Traum einer auf seine Zwecke zugeschnittenen Armee zum Problem werden.

Macht Trump aus dem Militär eine "Polizeikraft im Inland"?

Die Trump-Regierung geht aber nicht nur gegen Minderheiten in der Armee vor. Schon jetzt werden Teile des stehenden Heeres auch im Inland zu politischen Zwecken eingesetzt. Der Präsident beorderte die Nationalgarde nach Washington D.C., Chicago und Portland, um dort vermeintliche Unruhen niederzuschlagen. Im Sommer liess er Truppen des "Marine Corps" mobilisieren, um Proteste gegen Abschiebungen einzudämmen.

Der Einsatz der Nationalgarde im Inland ist nicht völlig ungewöhnlich. Deren Mitglieder sind nur in Teilzeit bei den Streitkräften angestellt. Sie trainieren im Gegensatz zu den stehenden Verbänden nur nebenberuflich, um diese im Ernstfall zu unterstützen. Bei Naturkatastrophen und Massenunruhen im Inland werden sie – meistens unbewaffnet – eingesetzt, um Rettungskräfte oder die örtliche Polizei zu unterstützen.

Trump jedoch setzt diese Teilzeitarmee auch unverhohlen in Städten ein, die sich seinen Vorhaben widersetzen. Auf verfassungsrechtlich besonders wackligem Boden steht der Einsatz der Berufsarmee wie im Sommer in Los Angeles. Dort sollten neben Nationalgardisten und "Marine Corps" Proteste gegen Abschiebungen beenden.

Empfehlungen der Redaktion

"Die Regierung bereitet das Militär darauf vor, als Polizeikraft im Inland zu fungieren", sagt Jurist Joshua Kastenberg. "Aber das soll nicht die Funktion des Militärs sein. Und das steht im Widerspruch zu den Absichten derer, die einst die Verfassung geschrieben haben."

Über den Gesprächspartner

  • Professor Joshua Kastenberg verbrachte über zwei Jahrzehnte bei der amerikanischen Luftwaffe, in der er als Jurist ausgebildet wurde, und für die er später als Richter tätig war. Nach dem Ende seiner militärischen Laufbahn arbeitete er als Militär- und Sicherheitsberater unter anderem für die USA und Kasachstan sowie für den BBC und das amerikanische Abgeordnetenhaus. Heute lehrt er Rechtswissenschaften an der New Mexico State University in Albuquerque, New Mexico.

Verwendete Quellen