Die Regierung in Prag steht hinter einer Munitionsinitiative für Kiew. Doch Umfragen sagen einen Sieg des oppositionellen Andrej Babis voraus. Der "tschechische Trump" will das Projekt beenden.
Tschechien gehört seit Jahren zu den engagiertesten Unterstützern der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland. Doch damit könnte bald Schluss sein. Jüngste Umfragen vor der richtungsweisenden Parlamentswahl am Freitag und Samstag sehen einen Sieg der rechtspopulistischen Oppositionspartei ANO voraus. Deren Vorsitzender, Ex-Ministerpräsident Andrej Babis, macht eine klare Ansage: "Wir werden keine Waffen an die Ukraine liefern."
Fiala: Ende der Ukraine-Hilfen wäre "Selbstmord"
Der liberalkonservative Regierungschef Petr Fiala sieht das ganz anders. Der sonst eher ruhige Politologie-Professor will die Menschen mobilisieren. Er kämpft um jede Stimme für sein Wahlbündnis "Spolu" (Gemeinsam). In der Unesco-Welterbestadt Kutna Hora fragt ein junger Mann den Politiker, was ein Ende der Ukraine-Hilfen bedeuten würde. "Denjenigen, die nichts geben wollen, sage ich, dass sie Selbstmord begehen", antwortet Fiala. "Die Russen kommen zu uns, wenn wir sie nicht stoppen."

Millionen Schuss Munition für Kiew
Tschechien gehörte unter dem 61-Jährigen zu den ersten Ländern, die Kampfpanzer, Hubschrauber und anderes Material an Kiew lieferten. Vor anderthalb Jahren startete dann die für Kiew so wichtige Munitionsinitiative: Auf der ganzen Welt werden Artilleriegranaten ausfindig gemacht, aufgearbeitet und geliefert. Zu den finanziellen Unterstützern zählt auch Deutschland. In diesem Jahr sind laut Fiala bereits mehr als eine Million Schuss grosskalibriger Munition in der Ukraine angekommen. 2024 waren es rund 1,5 Millionen.
Wähler schauen auf die Wirtschaft
Themen wie die Verteidigung westlicher Werte und der Ukraine-Krieg könnten zwar die Unterstützer des Regierungslagers mobilisieren, meint der tschechische Politologe Lukas Jelinek. Doch die entscheidenden Faktoren für die Wähler seien das Geld in ihrem Portemonnaie, die Energie- und Lebensmittelpreise und die Entwicklung der Renten. Zu einem "grossen Angstmacher" habe sich der europäische Emissionshandel entwickelt. Er wird in Zukunft fossiles Heizen und Tanken teurer machen.
Babis, der US-Präsident
Babis ist alter Bekannter in der Politik
Während seiner Zeit als Regierungschef von 2017 bis 2021 stand Babis an der Spitze von Minderheitskabinetten. Im Sommer 2019 gingen rund 250.000 Menschen auf die Strasse, um gegen seine mutmasslichen Interessenkonflikte als Unternehmer und Politiker zu protestieren.
Auf den Beginn der Corona-Pandemie reagierte Babis im Frühjahr 2020 mit einer mehrmonatigen Schliessung der Grenzen. Später gab es ein Hin und Her zwischen Lockerungen und Lockdowns. Angesichts von fünf Gesundheitsministern innerhalb eines Jahres sprachen Kritiker von einem "Regierungschaos".
Vom Musterknaben zum Problemkind für Brüssel?
Droht sich das deutsche Nachbarland für Europa bei einem Wahlsieg von Babis zu einem Problemkind zu entwickeln? Im EU-Parlament sitzt dessen ANO in einer Fraktion mit Marine Le Pens RN (Frankreich), der FPÖ von Herbert Kickl (Österreich) und der Fidesz von Viktor Orban (Ungarn). Und der prorussische Slowake Robert Fico hofft schon auf ein neues Trio mit Babis und Orban.
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Der Politologe Jelinek sieht das differenziert: Babis werde zwar in Bratislava und Budapest nach Partnern suchen, aber einen offenen Konflikt mit dem Rest der EU und der Nato vermeiden. Vieles hänge indes von den möglichen Koalitionspartnern ab. Jelinek mahnt: "Zum Problem wird es dann, wenn sich Babis von ihnen erpressen lässt." (dpa/bearbeitet von lc)