Die Freude über den Gewinn des Konstrukteurstitels mit McLaren ist Lando Norris und Oscar Piastri kaum anzumerken. Die beiden Teamkollegen werden im WM-Kampf immer mehr zu erbitterten Rivalen.

Die Glückwünsche seines Chefs wollte Oscar Piastri nicht hören. Inmitten des Funkspruchs voller warmer Worte von Zak Brown kappte der entnervte WM-Spitzenreiter die Verbindung und zerrte sich den Helm vom Kopf. Der Frust nach diesem komplizierten Grossen Preis von Singapur sass tief. Piastri fühlte sich in der Bewertung eines knallharten Duells mit seinem Teamkollegen Lando Norris unfair behandelt da war auch der vorzeitige Titelgewinn in der Konstrukteurswertung mit McLaren kein Trost.

"Der Bürgerkrieg bei McLaren wird hässlich", kommentierte die Daily Mail: "Die Harmonie ist verflogen." Der sonst so besonnene Australier hielt seine Wut mit einiger Mühe zurück, verbarg seine Enttäuschung aber keinesfalls. Er werde dieses "schwierige Rennen nochmal mit dem Team durchgehen und diskutieren", sagte Piastri, der Vierter wurde und in der WM nur noch 22 Punkte Vorsprung auf Norris hat.

Bei McLaren wird kein Fahrer bevorzugt

Der Australier störte sich an einem Überholmanöver von Norris, bei dem sich die beiden McLaren berührt hatten. Der Engländer müsse wegen seines Einsteigens den Platz zurückgeben, forderte Piastri am Funk und wurde nicht erhört. Was Piastri als "nicht fair" und "ziemlich beschissen" empfand, bezeichnete CEO Brown schlicht als "hartes Racing". Die klare Message: Bei McLaren wird kein Fahrer bevorzugt, der bessere soll am Ende Weltmeister werden, und der Kommandostand greift nur im äussersten Notfall ein.

Der "Knall zwischen Lando Norris und Oscar Piastri könnte noch lange für Kopfschmerzen sorgen", schrieb der Guardian. Jetzt, da der Titel für die Mannschaft sicher ist, dürfen die beiden ihr WM-Duell ausfechten sofern sie sich an die teaminternen "Papaya-Rules" halten. Diese besagen, dass es zwar hart zur Sache gehen darf, aber immer fair sein muss.

Dass McLaren wie Red Bull im Jahr 2023 die Konstrukteurs-WM bereits sechs Rennen vor Schluss gewann, sei nur dank zweier brillanter Fahrer möglich, sagte Brown. Und zwei Piloten in einem Rennstall, die das Zeug zum Weltmeister haben, sorgen automatisch für Reibereien. In der Vergangenheit gab es viele Teamkollegen, die im Laufe der Saison zu Rivalen wurden.

Beim Feiern der gewonnenen Konstrukteurs-WM können dann immerhin doch alle lächeln. © IMAGO/HochZwei

Verstappen als lachender Dritter?

Lewis Hamilton und Nico Rosberg bei Mercedes etwa oder Ayrton Senna und Alain Prost Ende der 80er-Jahre bei McLaren. Zugegeben: Von diesen Dimensionen ist McLaren 2025 noch weit entfernt, doch die Chancen auf die WM-Krone für Piastri oder Norris sind einzigartig gross. Im kommenden Jahr greift das neue Regelwerk, das die Formel 1 auf den Kopf stellen wird. Wer weiss, ob McLaren dann immer noch die Nummer eins ist?

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Im Hier und Jetzt sind noch sechs Rennen zu fahren, in zwei Wochen geht es in Austin/USA weiter. Dort wird sich das Duell der beiden fortsetzen. Und wenn sich zwei streiten, gibt es ja immer noch einen Dritten: Titelverteidiger Max Verstappen war in Singapur wieder schneller als die McLaren, und er hat mit nur noch 63 Punkten Rückstand auf Piastri ebenfalls noch Chancen. (SID/bearbeitet von lh)