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Vier Elfmeter gehalten - dennoch trottete Schwedens Torhüterin tieftraurig und mit glasigem Blick an den Scheinwerfern und Kameras vorbei. Nur gelegentlich blieb Jennifer Falk stehen, um dann mit brüchiger Stimme zu erklären, was eigentlich kaum zu erklären war: das Ausscheiden der Schwedinnen bei der EM.
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Insgesamt neun vergebene Versuche sahen die Fans in einem denkwürdigen EM-Viertelfinale gegen England. Falk versuchte es tapfer, fast flüsterte sie: "Leere, tausend Gefühle gleichzeitig, das ist kaum zu beschreiben."
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Vier Elfmeter der Engländerinnen hatte die 32-Jährige pariert, ...
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... ihren eigenen Versuch aber in den Nachthimmel von Zürich gedroschen. Hätte sie getroffen, stünde Schweden am Dienstag in Genf im Halbfinale der EM gegen Italien.
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Wie es sich anfühle, vier Elfmeter gehalten, das Spiel aber verloren zu haben, fragte ein schwedischer Reporter: "Es ist eine schwierige Situation, einen Strafstoss zu schiessen", antwortete Falk monoton. "Ich habe meinen eigenen Strafstoss verschossen. Um ehrlich zu sein, weiss ich nicht, was ich sagen soll, es fühlt sich im Moment einfach sehr schwer an." Ihr 35. Länderspiel dürfte sie noch lange beschäftigen.
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Stattdessen ging die Lotterie weiter, bis die 18-jährige Smilla Holmberg ebenfalls klar übers Tor schoss. Titelverteidiger England jubelte über ein 3:2 im Elfmeterschiessen. 2:2 hatte es nach 120 Minuten gestanden.
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Warum Falk überhaupt zum Elfmeter antreten musste? "Peter hat mich gefragt und ich habe Ja gesagt", berichtete Falk. Peter Gerhardsson, Schwedens Trainer, für den es nach acht Jahren das letzte Spiel als Nationalcoach war, suchte ebenfalls nach Worten für das bittere Aus: "Das ist Fussball, man kann nichts vorhersehen."
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Wie er die Elfmeterschützinnen bestimmte, erklärte der 65-Jährige so: "Wir hatten ein Meeting und die Spielerinnen baten uns, eine Liste zu machen: von eins bis elf. Aber natürlich sind es unglaublich schwierige Entscheidungen."
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Statt Falk durfte sich Englands Torhüterin Hannah Hampton (M.) als "Spielerin des Spiels" feiern lassen, die nur zwei Strafstösse pariert hatte. Zwei weitere Bälle flogen übers Tor, ein Versuch landete am Pfosten.
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"Ich wäre natürlich froh gewesen, wenn wir kein Elfmeterschiessen und nicht so viel Stress gehabt hätten", sagte sie. "Ich habe 120 Minuten gespielt – ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was in der ersten Halbzeit los war." Interessierte ohnehin nur am Rande.
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Für Hampton dürfte das Spiel, das sie mit teils blutender Nase absolvierte, auch eine grosse Genugtuung sein. Schliesslich hatte sie in der Heimat viel Kritik erfahren, nachdem sie die beliebte Mary Earps als Nummer eins abgelöst hatte.
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In der Pressekonferenz nach dem Spiel sorgte die 24-Jährige von Chelsea dann noch für Gelächter, als sie aus der Tasche ihrer Trainingsjacke plötzlich ein vibrierendes Handy zog. "Ah, Facetime", sagte sie zu den Reportern. Und zum Anrufer: "Ich bin in einer Pressekonferenz, ich muss auflegen, ich rufe zurück." Wieder an die Reporter gerichtet: "Entschuldigung. Normalerweise gehe ich da nicht ran, das waren meine Freunde und meine Familie, die zu Hause das Spiel mitverfolgt haben."
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Lucy Bronze hatte den 13. von letztlich 14 Schüssen zum entscheidenden 3:2 im Elfmeterschiessen verwandelt.
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"Ich musste viel Verantwortung übernehmen. Als ältere und erfahrene Spielerin verlassen sich die anderen auf mich", betonte die 33-Jährige. Warum sie ihren Elfmeter in die Mitte des Tores gedroschen hatte? Für die Torhüter sei es, statistisch gesehen, riskant in der Mitte stehen zu bleiben, erklärte sie gegenüber der BBC. "Ich liebe Mathematik."
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Sie sei "wirklich stolz und finde es toll, dass wir nie aufgegeben haben", sagte Kapitänin Leah Williamson über ihr Team, das schon so kurz vor dem Ausscheiden gestanden hatte.
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Das Team habe "Probleme gelöst und dann ins Spiel zurückgefunden", lobte die eingewechselte Chloe Kelly, die ihren Elfmeter ebenfalls eindrucksvoll verwandelt hatte: "Die Widerstandsfähigkeit der Mannschaft ist unglaublich." Der Spielverlauf sei zwar so "nicht geplant" gewesen. "Aber", führte die Angreiferin aus, "es ist eine Lernerfahrung, die wir uns zu Herzen nehmen und aus der wir für die Zukunft lernen werden."
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Englands Trainerin Sarina Wiegman hat man in jedem Fall selten so aufgewühlt erlebt. "Sehr emotional, sehr aufgekratzt", fühle sie sich: "Ich kann mich an kein Spiel erinnern, das diesem gleich kommt", sagte die 55-Jährige.
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Ihr Team kann nun am Dienstag in Genf mit einem Sieg gegen Italien ins Endspiel einziehen - etwas unerwartet, wie Wiegman zugab: "Wenn man so viele Elfmeter verschiesst, dann denkt man jedes Mal, das war’s… Ich muss erstmal runterfahren."
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Das denkwürdige Elfmeterschiessen war auch Gerhardssons letzter Auftritt als schwedischer Nationaltrainer. Auf die Frage, wie er sich nach acht Jahren nun verabschieden werde, lieferte er eine bemerkenswerte Antwort: "Ich werde zurück ins Hotel fahren, das Spiel noch mal anschauen und dann schauen, wie wir die Heimreise organisieren."
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Für England geht derweil die Mission Titelverteidigung weiter, am Dienstag um 21 Uhr gegen Italien.