Drei Münchner Dragqueens haben einen Mord beobachtet und müssen in Sicherheit gebracht werden. In einem abgelegenen Landhotel gibt es reichlich Gelegenheit für eine Einführung in die Welt des Drag für die Kommissare und das Fernsehpublikum.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Was für ein seltsam schöner, verspielter Titel: "Ein feiner Tag für den Bananenfisch". Aber was ist ein Bananenfisch? Um den dazugehörigen "Polizeiruf 110" zu verstehen, muss man das nicht unbedingt wissen, der Satz kommt im Film nur einmal am Rande vor. Aber es hilft, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was einen in diesem seltsamen, verspielten "Polizeiruf" aus München erwartet.

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Der Titel bezieht sich auf die Kurzgeschichte "A Perfect Day for Bananafish" des amerikanischen Schriftstellers J.D. Salinger ("Der Fänger im Roggen") von 1948. Darin erfindet ein trauriger junger Mann am Strand von Florida die Spezies für ein kleines Mädchen, das sich langweilt und seine Freundschaft sucht. Es sei ein guter Tag, nach Bananenfischen Ausschau zu halten, sagt er.

Und erklärt: Bananenfische führten ein tragisches Leben: Eigentlich seien es ganz normale Fische. Aber sie würden gern in Höhlen voller Bananen schwimmen. Dort würden sie gierig so viele Bananen fressen, dass sie nicht mehr durch das Loch aus der Höhle heraus kämen. Und sterben.

"Polizeiruf 110": Ein Regenbogen im tristen Bahnhofsviertel

Bananenfische also sind Fabelwesen. Und wie die Bananenfische hat dieser "Polizeiruf" etwas von einer Fabel. Ist lustig und absurd und manchmal auch tragisch. Vor allem aber pädagogisch wertvoll: In "Bananenfisch" bringt ein Mord die Kommissare Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Dennis Eden (Stephan Zinner) mit drei Dragqueens auf engem Raum zusammen. Die erzwungene Nähe bringt dem Fernsehpublikum die Welt des Drag nahe.

Menora (Božidar Kocevski), Peecabou (Meik van Severen) und Tulip (Patrice Griessmeier) sind drei Dragqueens, die im Münchner Bahnhofsviertel die Rainbow Bar betreiben. Eines Nachts werden sie auf dem Heimweg Zeuge eines Mordes an einem reichen Immobilienbesitzer.

Es sieht nach organisierter Kriminalität aus. Die Kommissare Blohm und Eden haben die beiden Täter auf Kamera und sind ihnen dicht auf den Fersen, aber ohne eine Zeugenaussage sind die Chancen auf eine Verurteilung gering.

Doch die Dragqueens weigern sich auszusagen: Sie würden auch so schon ein Leben unter ständiger Bedrohung führen, kompliziert und angefeindet. Als Cris Blohm an ihre Zivilcourage appelliert, lacht Menora die Kommissarin nur bitter aus: Was für einen Grund hätten sie, einer Gesellschaft zu helfen, die sie "mobbt" und "auslacht"und "trotzdem begrapscht"? "Für die Idioten sollen wir unseren Kopf hinhalten?"

Natürlich wird zu "YMCA" von den Village People getanzt

Als die drei kurz darauf in ihrer Bar von den Tätern bedroht werden, will Cris Blohm sie in einem verlassenen Landhotel in Sicherheit bringen. Kollege Dennis Eden, der im Film stellvertretend für die "Idioten" der Gesellschaft den vorurteilsbeladenen Cis-Mann verkörpert, muss widerwillig mit.

Und so kann die eigentliche Mission des Krimis losgehen: In Form von ausführlichen Erklärdialogen bringen die Dragqueens den Normalo-Ermittlern und damit auch dem Normalo-Fernsehpublikum die Lebenswelt des Drag nahe.

Das beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung der New Yorker Stonewall-Kämpfe 1969 zwischen Polizisten und der LGBT-Community, geht mit Informationen zur Popularität von Fernsehshows wie RuPauls "Drag Race" weiter und hört mit den Kindheitstraumata der drei Queens noch nicht auf.

Natürlich kommt man sich in der malerischen Hotelruine näher, natürlich wird getanzt, und selbstverständlich läuft "YMCA" von den Village People. Und am Ende steht die Erkenntnis, wie ähnlich wir uns doch alle sind: Kommen nackt auf die Welt und verkleiden uns auf unserer Suche nach Identität. Die Gefühle sind so himmelhoch jauchzend wie die Absätze von Peecabou und so bedrückend wie die Alpträume von Tulip.

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"Bananenfisch": Furchtbar gut gemeint

Das ist alles furchtbar gut gemeint, aber nicht ganz so gut gemacht (Regie: Dror Zahavi). Einerseits will "Bananenfisch" die Dragqueens ernst nehmen und in ihrer ganzen Komplexität zeigen, andererseits himmelt der Film sie wie Fabelwesen an.

Dass manche Darsteller ausserdem mehr Erfahrung mit Drag haben als mit Schauspielerei, sorgt zwar für Authentizität, aber nicht unbedingt für Qualität. "Bananenfisch" hat seine Momente, hat entwaffnende Schlagfertigkeit und entwaffnete Blicke.

Als Plädoyer für eine "chosen family" ist die Geschichte überzeugend: für die Familie, die man sich ausgesucht und gefunden hat und die Kraft und Halt geben kann, ohne dass man blutsverwandt sein muss. So wie Menora, Peecabou und Tulip.

Doch ein steifer, belehrender Ton überwiegt (Buch: Günter Schütter) und macht aus diesem ambitionierten "Polizeiruf" der nebenbei noch Münchner Gentrifizierung, Geldwäsche und Immobilienwucher kritisieren will einen Film, der sich als Unterrichtsmaterial besser eignet denn als Krimi.

Da hilft auch ein Showdown mit den kriminellen Verfolgern auf dem Land nicht viel. Der missionarische Eifer erdrückt die poetischen Ambitionen. Wie Bananenfische, die in ihrer Höhle feststecken.