Nach dem mordenden Kunsthändler und Versicherungsbetrüger im Münster-"Tatort" spielt Christian Erdmann einen verantwortungsscheuen Ehemann in der ZDF-Komödie "Ein ganz grosses Ding". Was ihn an beiden Produktionen stolz macht, verrät der Schauspieler im Interview.

Wenn Ambitionen und Alltagsrealität im Kleinstadtidyll aufeinandertreffen, ist das Chaos nicht weit. Davon erzählt die turbulente ZDF-Familienkomödie "Ein ganz grosses Ding", die am 31. Juli um 20:15 Uhr ausgestrahlt wird: Kristina Lurz (Silke Bodenbender, 51), frisch gebackene Bürgermeisterin von Waldsee, träumt vom politischen Durchmarsch nach Berlin. Ihr Ehemann Lennart (Christian Erdmann, geb. 1975) hingegen gibt sich bodenständiger - selbst ein eigenes IT-Team beim örtlichen Konzern scheint für ihn unerreichbar. Als die Chance auf internationale Aufmerksamkeit durch ein Pilotprojekt mit indischen IT-Fachkräften naht, stehen beide plötzlich vor weit mehr als nur beruflichen Herausforderungen: Die Dorfgemeinschaft ist empört, Ehen geraten ins Wanken, und persönliche Grenzen werden neu verhandelt.

Schauspieler Christian Erdmann, der seit 2017 auch als Kommissar Frank Weller in den "Ostfrieslandkrimis" im ZDF zu sehen ist und unlängst auch in einem Münster-"Tatort" brillierte, schlüpft in die Rolle des hin- und hergerissenen Lennart Lurz. Im Interview mit spot on news spricht er über stille Träume, handfeste Widerstände und die überraschende Komik, die entsteht, wenn globale Themen auf einen kleinen Ort treffen.

Bevor wir auf "Ein ganz grosses Ding" zu sprechen kommen: Im Münster-"Tatort: Man stirbt nur zweimal" (Ende 2024) haben Sie mit einer Episodenhauptrolle für Aufsehen gesorgt. Wie haben Sie das Echo wahrgenommen?

Christian Erdmann: Mir ist schon aufgefallen, dass ein "Tatort" eine ganz andere Aufmerksamkeit bekommt, weil diese Krimis einfach Kultstatus haben. Hinzu kommt, dass der Münster-"Tatort" immer phänomenale Quoten erzielt. Das Team ist einfach unfassbar beliebt. Das Feedback zu meiner Rolle, dem falschen Kunsthändler und Versicherungsbetrüger Jonas Prätorius, war dann auch ganz anders als bei vielen anderen Filmen: Die Leute waren völlig überrascht, wie böse und unangenehm ich sein kann (lacht). Viele haben gesagt, dass sie mir das nicht zugetraut hätten - was mich als Schauspieler natürlich sehr freut. Ich nehme es also als Kompliment, dass auch diese Seite in mir schlummert und ich sie - Gott sei Dank nur im Beruf - so zeigen kann, dass man es mir auch abnimmt.

Nun steht die TV-Komödie "Ein ganz grosses Ding" auf dem Programm. Sie spielen darin den gemütlichen Ehemann einer sehr ehrgeizigen Provinzbürgermeisterin. Was hat Sie an der Rolle Lennart Lurz gereizt?

Erdmann: Ich versuche immer, jede Figur mit meiner eigenen Person und meinem eigenen Leben zu verbinden. Ich muss eine Figur mögen und verstehen, warum sie so handelt - oder wie im Fall von Lennart eben nicht handelt. Er ist ein verantwortungsscheuer, junggebliebener Endvierziger/Anfangfünfziger, der immer noch versucht, als kleiner Junge durchs Leben zu kommen. Wie lange man es aushalten kann, die Verantwortung an die Ehefrau zu delegieren - das hat mich sehr interessiert. Offensichtlich funktioniert es irgendwann nicht mehr, und er stellt einiges auf den Kopf - ohne zu viel verraten zu wollen.

Und da sehen Sie auch Parallelen zu sich?

Erdmann: (lacht) Bis zu einem gewissen Punkt, ja. Ich lasse Dinge auch gern auf mich zukommen. Ich übernehme aber schon deutlich mehr Verantwortung als Lennart - zum Beispiel was die Kinder und die Familie insgesamt betrifft. Ich lasse mich gern überraschen, aber gerade beruflich bin ich deutlich mutiger als er.

In der Komödie geht es unter anderem um Machtspielchen, verletzte Egos und ähnliches. Sowas dürfte ja auch mal an einem Set vorkommen. Wie gehen Sie damit um?

Erdmann: Das stimmt. An einem Set treffen viele meinungsstarke, kreative und selbstbewusste Menschen aufeinander. Genau das macht die Arbeit dort aber auch so reizvoll, anders würde es vermutlich gar nicht funktionieren. In diesem Beruf lernt man, mit Egos umzugehen - mit dem eigenen sowieso, aber natürlich auch mit dem der Filmteam-Mitglieder. Manchmal ist das sehr unterhaltsam und nur ganz selten so nervig, dass man etwas sagen oder dem Menschen und seiner Energie aus dem Weg gehen muss. Ich habe es bisher nur sehr selten erlebt, dass etwas wirklich eskaliert. Und wenn, dann war es eher wie ein reinigendes Gewitter, nach dem es weitergeht, weil alle dasselbe Ziel haben: einen guten Film zu machen.

Wie war die Zusammenarbeit mit Ihrer Filmehefrau Silke Bodenbender?

Erdmann: Wir kennen uns bereits aus anderen Filmen, und mit ihr zu arbeiten, ist wirklich schön, weil sie eine sehr aufmerksame und wache Spielpartnerin ist. Silke wird oft in Hauptrollen besetzt - und diesmal hat sie sich an mich erinnert und mich als Lennart vorgeschlagen. Das empfinde ich schon als eine Art Auszeichnung und Kompliment. Dadurch entsteht natürlich auch eine familiäre Atmosphäre und grosses Vertrauen.

"Ein ganz grosses Ding" spielt im Mikrokosmos eines kleinen Dorfes. Zieht es Sie privat auch eher ins Ländliche oder brauchen Sie die Grossstadt?

Erdmann: Ich komme aus Rudolstadt, einer sehr kleinen Stadt inmitten einer wunderschönen Landschaft in Thüringen. An meine geordnete und behütete Kindheit dort erinnere ich mich gern zurück. Nach einigen Theaterstationen in grösseren Städten lebe ich nun schon seit Längerem in Düsseldorf und weiss das kulturelle und gastronomische Angebot einer Grossstadt sehr zu schätzen. Es gibt mir ein Gefühl von Lebendigkeit und Wahlmöglichkeiten und ich mag den Trubel und Austausch. Natürlich ist es in einer Grossstadt auch etwas anonymer und man lebt eher nebeneinanderher, was das Leben in einer Kleinstadt wiederum angenehmer macht. Am besten wäre daher wohl ein Dorf in der Nähe einer Grossstadt. Meine Kinder sind jetzt 13 und 9 - und wenn sie mal aus dem Haus sind, kann ich mir sehr gut vorstellen, mein letztes Lebensdrittel im Bayerischen zu verbringen. Meine Frau kommt aus München. In der Nähe von München mit dieser spektakulären Landschaft vor der Tür zu leben, das wäre wirklich ein Traum.

"Ein ganz grosses Ding" behandelt mehrere grössere gesellschaftliche Themen. Welches hat Sie besonders angesprochen?

Erdmann: Als Erstes denke ich an die Digitalisierung - die in Deutschland längst überfällig ist. Manches ist so verzögert, dass es wirklich keinen Spass mehr macht, insbesondere Bauvorhaben oder Amtsangelegenheiten. In Düsseldorf sind wir allerdings auf einem ganz guten Weg. Inzwischen erledige ich viele Amts- oder Arzttermine digital. Das spart wirklich viel Zeit und ist ein Thema, über das ich im Rahmen dieses Films gern nachgedacht habe. Gleichzeitig zeigt der Film aber auch eine Art internetfreie Welt - was ich ebenfalls sehr charmant und reizvoll finde.

Der zweite grosse Aspekt ist der Umgang mit ausländischen Fachkräften. Dass es da immer noch so grosse Vorbehalte in der deutschen Gesellschaft gibt, sehe ich mit grosser Skepsis. Denn, wenn nicht ausländische Fachkräfte, wer soll all das dann leisten? Dass der Film hier wichtige Denkanstösse liefert, finde ich grossartig. Ich würde sagen: Wir haben ernste Themen humorvoll verpackt.

Eine Million Euro spielen ebenfalls eine Rolle. Was würden Sie machen, wenn Sie plötzlich so viel Geld hätten?

Erdmann: Ich würde mir ein Haus in einem bayerischen Dorf kaufen - und vom Rest würde ich reisen. Vor und während des Studiums bin ich sehr viel gereist. Seit mittlerweile 25 Jahren mache ich zwar Urlaub, aber die grossen Reisen, bei denen ich viel erlebe und mich auch Unbekanntem aussetze, fehlen mir tatsächlich.

Was wäre Ihre erste grosse Reise?

Empfehlungen der Redaktion

Erdmann: Am liebsten würde ich fünf, sechs Monate oder sogar ein ganzes Jahr lang aus allem rausgehen und einmal um die Welt reisen. Dabei geht es mir gar nicht unbedingt um Dschungel oder Strände, sondern darum, Menschen in einem anderen Umfeld zu begegnen. Und je weniger Hotel und Ferienanlage, desto glücklicher wäre ich dabei. Nie habe ich mehr über mich selbst gelernt als auf Reisen. (ili/spot)  © spot on news