München - Er war vernarrt in Bücher und soll Hunderttausende besessen haben - dieser neue Band würde Karl Lagerfeld womöglich auch gefallen. Vielleicht aber auch nicht, denn das Buch geht kritisch mit seinem Leben zwischen 1933 und 2019 um. Die Rede ist von "Lagerfeld. Graphic Novel". Ein Buch mit Zeichnungen über den fürs Zeichnen berühmten Modeschöpfer.

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Lagerfeld war bekannt dafür, viel zu reden, jedoch kaum etwas über Gefühle und sein Privatleben zu sagen. Das neue Buch über ihn ist die Comicroman-Version von "Karl Lagerfeld - Ein Deutscher in Paris". Diese Biografie brachte 2020 der "Frankfurter Allgemeine Zeitung"-Redakteur Alfons Kaiser heraus.

Das Buch des FAZ-Ressortleiters und -Modeexperten Kaiser hat sich laut Verlag schon um die 30.000 Mal verkauft. Vielleicht toppt der kongenial mit dem Illustrator Simon Schwartz herausgebrachte grafische Roman dies bald sogar.

Der Verlag C.H. Beck hat jedenfalls den Kaiser-Bestseller aus seinem Programm zur Grundlage seiner ersten selbst in Auftrag gegebenen Graphic Novel gemacht. Und die hat es in sich: Leserinnen und Leser kommen dem legendären Künstler und Designer Lagerfeld, der als Schnellsprecher und Bonmot-Meister bekannt war, sehr nahe.

Vom gemobbten Fabrikantensohn zur Ikone der Modewelt

Abgehandelt wird etwa die Familiengeschichte des Dosenmilchfabrikantensohns. Das Buch legt einen Schwerpunkt auf die zeitlebens geschönte Kindheit und Jugend des Norddeutschen, der in Frankreich zum Weltstar wurde.

Erzählt wird (mit guter Recherche nicht nur von Kaiser, sondern auch Schwartz) vom frühreifen Jungen Karl, der wohl rasch wegen seines von Mitschülern vermuteten Schwulseins gehänselt wurde (heute würde man sagen: gemobbt).

Karl Lagerfeld 2015
Der Modedesigner Karl Lagerfeld (hier im Jahr 2015) liebte Kommunikation, aber verschwieg auch Sachen, wenn er das besser fand. (Archivbild) © dpa / picture alliance / dpa

Lagerfeld hatte eine Mutter, die fies und hart sein konnte, von der er aber nicht loskam und die er zeitlebens in Anekdoten zu einer Kultfigur erhob.

Es geht um Lagerfeld als spitzzüngigen Konkurrenten von Yves Saint Laurent, den er am Ende überstrahlte. Es geht um Lagerfeld als den Mann mit preussischer Disziplin und manischem Ehrgeiz in Paris. Es geht auch um die Liebe seines Lebens (den an Aids gestorbenen Jacques de Bascher) und natürlich um seine Arbeit, die Mode bei Häusern wie Fendi und Chanel.

"Kunstfiguren kennen keinen Schmerz"

Schliesslich wird gezeigt, wie sich Lagerfeld mit fast 70 noch einmal neu erfand - mit schlanker Figur und natürlich den Markenzeichen Sonnenbrille und Zopf. Lagerfeld stilisierte sich zu einer Art Fantasiegestalt.

Kaiser und Schwartz legen den Gedanken nahe, dass er dies alles wohl auch machte, um die Verletzungen aus der Kindheit wegzuwischen, die er aufgrund seines Andersseins abbekam. "Kunstfiguren kennen keinen Schmerz", fasste Kaiser (60) dies bei einer Lesung in Berlin zusammen.

Schwartz (42) nennt Lagerfeld eine dankbare Figur für einen Illustrator. Und der Zeichner empfiehlt, gleich zwei Ausgaben von "Lagerfeld. Graphic Novel" zu kaufen, um aus einem der beiden den Bastelbogen auszuschneiden: Lagerfeld als Hampelmann.

Der geschäftstüchtige und humorvolle Karl Lagerfeld würde diese Idee wahrscheinlich lieben.  © Deutsche Presse-Agentur