Ricky Gervais ist ein britischer Comedian, der mittlerweile im Privatjet zwischen den Metropolen der ganzen Welt hin und her eilt, um vor ausverkauften Hallen sein Programm zu präsentieren. Diese Woche zum Beispiel in Prag. Das ist mittelgut für das Klima (merken Sie sich das, das wird später in diesem Text noch wichtig), dafür aber gut für die Lachmuskeln des jeweiligen Landes und sehr gut für den Geldbeutel von Ricky Gervais.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nun macht Geld natürlich nicht glücklich, das dokumentiert kaum eine Branche so unmissverständlich wie die Unterhaltungsindustrie. Auch hierzulande, denn moralisch überdehnte Komiker sind kein rein angelsächsisches Phänomen. Warum sonst landen Multimillionäre, die mit lediglich einem Hauch von Bauernschläue oder Investitionsgeschick für mehrere Generationen ihres Stammbaumes ausgesorgt hätten, zehn Jahre später plötzlich im Dschungelcamp und teilen sich mit Claudia Effenberg oder Verena Kerth ein paar Känguruhoden?

Ricky Gervais wird nicht bei "I’m a Celebrity … Get Me Out of Here!" verenden - der englischen Originalvorlage von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus". Nicht aus Geldsorgen jedenfalls. Wer mal einen Blick auf sein Privathaus in einem Vorort von London geworfen hat, ahnt: Der Mann könnte, sähe es finanziell mal trübe aus, notfalls sein Eigenheim veräussern und als Kaufpreis jederzeit das BIP eines europäischen Kleinstaates aufrufen.

Morgen Greta kein Hahn mehr nach

Geld macht also nicht glücklich, aber es entspannt. Es macht unabhängiger von dem Gefühl, es stets allen recht machen und sich tadellos verhalten zu müssen. Ricky Gervais etwa schert sich schon lange nicht mehr um Konventionen, politische Korrektheit oder darum, der Woke-Bubble zu gefallen.

Ein hübsches Beispiel mit tagesaktuellem Bezug: Zur Eröffnung der Golden Globes im Jahr 2020 konfrontierte er das Auditorium mit den grössten Weltstars der Zeitgeschichte in seinem Eröffnungsmonolog mit den Worten: "Ihr sagt, ihr seid woke. Aber was die Unternehmen, für die ihr arbeitet, in China machen, ist unglaublich. Apple, Amazon, Disney. Wenn ISIS einen Streaming-Dienst startet, würdet ihr eure Agenten anrufen! Wenn ihr also heute einen Preis gewinnt, nutzt das hier nicht als Plattform für politische Statements. Ihr seid nicht in der Lage, die Öffentlichkeit über irgendetwas zu belehren. Ihr wisst nichts darüber, wie die wirkliche Welt funktioniert. Die meisten von euch haben weniger Zeit in der Schule verbracht als Greta Thunberg. Also, wenn du heute Abend gewinnst, komm nach oben auf die Bühne, nimm deinen kleinen Preis entgegen, bedanke dich bei deinem Agenten und deinem Gott und verpiss dich, okay?"

Nun ist das fünf Jahre her und fällt somit nicht automatisch in die angekündigte Kategorie "tagesaktuell". Aber diese Kolumne wäre nicht die Lieblingskolumne von 8 von 10 "Promi Big Brother"-Teilnehmern, wenn ich diese vollmundige Ankündigung nicht lückenlos erfüllen könnte: In Anbetracht von einigen Tausend Hollywood-Schauspielern, die zuletzt den Boykott israelischer Filminstitutionen forderten, erhält Ricky Gervais' Rede eine ganz neue Aktualität.

Das sage übrigens nicht nur ich, das sagt vor allem Gervais selbst. Nachdem bekannt wurde, dass Hollywoodstars wie Emma Stone, Mark Ruffalo, Javier Bardem oder Olivia Colman einen offenen Brief unterzeichnet hatten, mit dem sie sich öffentlichkeits- und klickwirksam selbst dazu verpflichteten, das israelische Kino zu boykottieren, postete Ricky Gervais auf X ein Bild besagter Golden-Globe-Verleihung von 2020 mit genau diesem Zitat und dem Kommentar: "They're still not listening" - "Sie hören immer noch nicht zu".

PR-Detektor stabiler als seine Ehen: Oliver Pocher

Bedenkt man jetzt, dass diese Woche ausgerechnet die von Gervais als Kronzeugin für unterdurchschnittliche Schulbildung herangezogene Greta Thunberg dieser Tage zum zweiten Mal gemeinsam mit einer Instagram-tauglichen Leichtmatrosen-Combo aus selbsternannten Weltrettern mit Handykamera im Anschlag versucht hat, per "Freedom Flotilla", einer Bootsgemeinschaft der grössten Denker unserer Generation, in ein abgeriegeltes Kriegsgebiet zu segeln, erhält der Satz von Gervais zusätzlich sogar noch eine hübsche Meta-Ebene.

Womit wir bei einer der interessantesten Erkenntnisse der Woche wären. Während nämlich Greta Thunberg für eine Strecke, die man selbst mit einem von Lothar Matthäus gebauten und von Lukas Podolski gesteuerten Boot innerhalb von drei Tagen absolvieren könnte, etwa sieben Wochen über das Mittelmeer schippert, um in Gaza unter einem grausamen Krieg leidende Menschen mit Hilfsgütern zu versorgen, ist ausgerechnet Oliver Pocher wirklich vor Ort.

Dort versucht er nicht, medienwirksam Hilfsgüter zu verteilen, von denen die Greta-Gondeln am Ende wohl doch eher nur eine symbolische Menge an Bord ihrer Selbstdarsteller-Armada hatten, sondern spricht mit Betroffenen beider Konfliktseiten.

Egal wie great du bist, Enissa ist Greta

Irre Zeiten, in denen ausgerechnet Oliver Pocher, bislang vornehmlich für komödiantische Nahtoderfahrungen wie seinen "Presswurst"-Vergleich mit Mariah Carey bekannt, die Ausnahme statt der Bestätigung der Einordnung von Ricky Gervais darstellt. Besonders interessant ist es, nun das im Anschluss entstandene öffentliche Diss-Momentum zwischen Oliver Pocher und einzelnen PR-Seebären der Greta-Selfie-Kutter zu verfolgen.

Als die Greta Thunberg Deutschlands gilt inzwischen Enissa Amani. Nur eben ohne Klimahintergrund, dafür reichlich ausgestattet mit ähnlich von sich selbst ergriffenem Weltrettungspathos. Als die Komikerin, die sich vor Jahren einen Streit mit der Kolumnistin Anja Rützel leistete, weil sie nicht mehr Komikerin genannt werden wollte, ankündigte, nun auch ihr Leben zu riskieren und todesmutig als Instastory-Offizierin auf der "MS Egotrip" anzuheuern, ordnete Oliver Pocher ihre heldenhaft selbstlose Segeltörn-Show mit den Worten "gerne auch One-Way" ein.

Das brachte ihm einen veritablen Shitstorm der zwar überschaubar grossen, dafür aber auf Social Media skrupellos aggressiven und lauten Kufiya-Verteidigungsarmee ein. Aus dieser skurrilen und offiziell als Friedensbewegung selbstidentifizierten Ansammlung von Eigenvermarktungs-Azubis gingen zuvor bereits formschön bigotte Selbstkasteiungs-Perlen wie "Queers for Palestine" hervor, über die die Nobelpreisträgerin Herta Müller diese Woche sagte: "In Gaza würden die Queers for Palestine keine halbe Stunde überleben".

Haltung ohne Ahnung: Humor ist, wenn man trotzdem moralisiert

Nun scheint politischer Pseudo-Aktivismus vor allem in der deutschen Comedy-Szene beliebt zu sein. Der bis vor einigen Jahrzehnten durchaus erfolgreiche Kaya Yanar etwa sieht sich bereits seit einiger Zeit als Sprachrohr kognitiv eingeschränkter Aluhut-Ultras. Verblüffend daher, dass Yanar nicht zu den Deckoffizieren der Greta-Flotilla-Comedykreuzfahrt gehörte.

Analysiert man die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Humors, ist nicht verwunderlich, dass sich einige Protagonisten der heimischen Spassindustrie, ganz wie von Ricky Gervais vorausgesagt, für Botschafter der Weisheit halten. Vermutlich, weil ein paar hundert spassbefreiter Komik-Connaisseurs ihren müden Gags zujubeln.

Abseits der bis vor kurzem noch von Michel Friedman regelmässig zu einer Art intellektueller Diskursbereicherung hochgepushten Enissa Amani existieren aber auch Stimmen aus der Komiker-Entourage, die weniger weltfremd und therapiebedürftig wirken. Amani bittet nach ihrem dramatisch inszenierten Ausstieg aus dem Selfie-Friedensmanöver (verletzungsbedingt, kurz vor dem grossen Ziel, also in etwa so wie damals Marco Reus vor der WM 2014) derzeit ihre Community per Spendenaktion zur Kasse und vergoldet ihren Schaluppen-Cameo.

Offenbar hat man im Hause Amani sogar noch unterschätzt, wie unkritisch und freimütig indoktrinierte Fanbubbles die Portemonnaies öffnen und das Spendenziel von ursprünglich 7.000 Euro in mehreren Schritten auf aktuell 40.000 Euro erhöhen. Da soll noch mal jemand sagen, Aktivismus wäre brotlos. 40.000 Euro in drei Tagen, dafür muss man sogar als traurige Antifa-Aushilfe wie ich ziemlich lange Demogeld auf Anti-AfD-Märschen zusammenpöbeln.

Empfehlungen der Redaktion

Im Schatten der spendenrelevanten Flotilla-Deserteurin Amani jedenfalls spricht ihr Standup-Kollege Ingmar Stadelmann im Hinblick auf die Greta-Dampfer von "Dschungelcamp auf See". Da bin ich wirklich etwas neidisch, dass mir diese Formulierung nicht eingefallen ist. Um diesen kleinen Promi-Exkurs aufs Mittelmeer aber versöhnlich zu beenden, möchte ich zum Schluss nochmals die bereits erwähnte Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller zitieren: "Das Leben ist einfacher, wenn man nicht viel weiss und stattdessen eine Meinung hat. Es muss nicht einmal die eigene sein, man übernimmt sie unter Konformitätsdruck."

Vielleicht ist das die tragischste Pointe: Wer uns zum Lachen bringen sollte, will uns inzwischen bekehren, doch in beiden Rollen bleibt man nie gleichzeitig glaubwürdig.