In “Call My Agent Berlin” tritt die erste Liga der deutschen Stars auf und parodiert sich selbst: Heiner Lauterbach spricht nur über sich, Heike Makatsch will einen “normalen Mann” und Moritz Bleibtreu muss zum Schönheitschirurgen

Diese Talkshow läuft für Schauspieler Moritz Bleibtreu in "Call My Agent Berlin" nicht gut. Sein Interviewpartner Johannes B. Kerner erklärt ihm gerade, dass er eigentlich zu alt für seinen neuesten Film sei, die weibliche Hauptrolle zu jung ist und der talentierte Nachwuchsschauspieler neben ihm der eigentliche Star. Bleibtreu verliert zunehmend die Contenance und beginnt pampig zu werden, vor laufender Kamera. Im Hintergrund stehen seine Agenten und murmeln immer wieder: "Läuft gar nicht gut." Doch da ist das Desaster schon aufgezeichnet. Bis der Agentur-Chef den zuständigen Redakteur anruft und ihm erklärt, dass keiner seiner Stars mehr in die Sendung kommt, wenn diese Szenen nicht herausgeschnitten werden. Wenig später hat sich das Problem erledigt.

Mit "Call My Agent Berlin" (ab 12. September) legt der Streaming-Anbieter Disney+ seine erste deutsche Eigenproduktion vor. Eingekauft wurde, was das heimische Star-Aufgebot hergibt: Iris Berben, Heiner Lauterbach, Veronica Ferres, Katja Riemann, um nur die grössten Namen zu nennen. Sie alle spielen eine parodierte Variante ihrer selbst. Lauterbach hält die Trauerrede für den verstorbenen Freund und redet vor allem über sich selbst. Heike Makatsch möchte einen "normalen Mann" kennenlernen, Veronica Ferres entdeckt den Humor und beginnt eine Stand-up-Karriere, Iris Berben will gar nicht mehr schauspielern.

Vorlage für "Call My Agent Berlin" ist die französische Serie "Dix pour cent", die 2015 startete. Der Name, auf Deutsch übersetzt "Zehn Prozent", steht für den Anteil, den Agenten von den Gagen ihrer Schauspieler einstreichen. Um sie dreht sich in "Call My Agent Berlin" alles. Nach dem Tod von Richard Stern steht seine Agentur kurz vor der Pleite. Ein Machtkampf zwischen Gabor Reichenbach (Lucas Gregorowicz) und seiner Kontrahentin Sascha (Karin Hanczewski) um die Zukunft entbrennt.

Schauspieler parodieren sich selbst

Dass Stars in Film und Fernsehen fiktionale, selbstironische Versionen ihrer selbst spielen, ist nichts Neues. Ricky Gervais outete Kate Winslet in "Extras" als fluchende Sexsüchtige, Seth Rogen brachte in diesem Jahr in "The Studio" Martin Scorsese zum Heulen. Auch in Deutschland hat das mittlerweile Tradition. Christian Ulmen inszenierte seine Scham-Comedy "Jerks" um Parodien von Fahri Yardim und sich selbst.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass "Call My Agent Berlin" sich in den ersten Folgen zunächst auf seine Starpower verlässt. In schneller Folge tauchen Moritz Bleibtreu, Katja Riemann, Iris Berben und Heiner Lauterbach auf. Jede Episode dreht sich um einen Prominenten und seine Problemchen. Der eine möchte einen Hundewelpen am Set, der andere will nicht, dass seine Hauptdarstellerin weint, wenn sie mit ihrem Geliebten Schluss macht. Das arrangieren müssen die Mitarbeiter der Schauspielagentur "Stern". Sie sind Ansprechpartner, bester Freund, die Schulter zum Ausheulen oder Dauerschmeichler. Hauptsache, der Star bleibt bei Laune und erfüllt seinen Vertrag.

Mehr Handlung statt mehr Stars

Die Überzeichnung der prominenten Schauspieler ist eher dezent, als Satire geht das nur am Rande durch – ähnlich gelagerte Projekte sind in der Vergangenheit wesentlich rabiater zur Sache gegangen. Das mag daran liegen, dass Deutschland nicht so viele bekannte Stars aufbieten kann, um eine ganze Serie zu tragen. Nach Iris Berben, Heiner Lauterbach und Katja Riemann kommt lange nichts.

"Call My Agent Berlin" entscheidet sich deshalb dafür, abseits von Starpower auch auf eine differenzierte Handlung zu setzen. Die Charaktere der Schauspieleragentur zeigen von Folge zu Folge neue Facetten, mal ist der eine der Bösewicht, mal der andere, und mit zunehmendem Verlauf werden die Intrigen, in die sich die Protagonisten verstricken, immer verworrener. Dazwischen blitzt aber auch immer die grosse Liebe zum Kino und echter Schauspielkunst auf. "Filme sind wichtiger als das Leben", heisst es einmal in der Serie.

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Insgesamt macht das aus "Call My Agent Berlin" eine starke erste deutsche Produktion von Disney+, mit ein paar Schwächen, einem spannenden Setting und hochklassigen Schauspielern. Dass dabei auch noch die grössten Stars, die das heimische Kino zu bieten hat, vorkommen, ist ein Bonus, der Lust auf eine zweite Staffel macht.