Wie steht es um das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein, wenn es um mentale Erkrankungen geht? Schauspieler Carlo Ljubek versteht die Aufklärungsarbeit als Prozess. Wir haben mit ihm gesprochen.

Ein Interview

Wie geht es der Belegschaft eines Krankenhauses im herausfordernden Klinikalltag und wie erhalten die Helfenden selbst Hilfe? Eine Antwort auf diese komplexen Fragen liefert die neue WDR-Medical-Reihe "David und Goliath" (in der ARD-Mediathek und am 24. September 2025 und 1. Oktober 2025 um 20:15 Uhr im Ersten). Mittendrin: Schauspieler Carlo Ljubek als Chefarzt Dr. Robert Schultholz.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht Carlo Ljubek über die Sichtbarkeit unsichtbarer Krankheiten und erklärt, warum es mehr Aufmerksamkeit für mentale Gesundheit braucht.

Herr Ljubek, die Medical-Reihe "David und Goliath" widmet sich dem Thema, Aufmerksamkeit für mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zu schaffen – und das mitten im stressigen Klinikalltag. Wie war für Sie das Eintauchen in eine Welt, die zuvor fiktional relativ unbeleuchtet war?

Carlo Ljubek: Dieser Aspekt hat mich in meiner Rolle nicht wirklich betroffen, da vor allem meine Kollegin Lou (Strenger; Anm. d. Red.) in ihrer Figur der Dina Schwarz mit diesem Thema konfrontiert wurde. Eine Ansprechperson für mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zu haben, halte ich jedoch für sehr wichtig. Vor allem für berufliche Überlastung zeigt unsere Gesellschaft noch nicht die Offenheit, die es bräuchte. Insofern fällt es vielen Menschen noch immer schwer, mit mentalen Problemen im beruflichen Kontext offen umzugehen. Denn ihr Selbstbild scheint dadurch angekratzt zu werden – diese verinnerlichten Muster gilt es zu durchbrechen, was nicht einfach ist.

Sich selbst und vor anderen im beruflichen Rahmen einzugestehen, an einem Punkt der Überforderung zu stehen und dem Druck nicht mehr standhalten zu können, spiegelt ein gesellschaftliches Problem. Denn der Akzeptanz wird häufig noch immer nicht der nötige Raum gegeben.

Warum die Filmreihe Ljubek so am Herzen liegt

Sie sind in der Reihe als Dr. Robert Schultholz zu sehen, einem nach aussen leistungsorientierten Arzt, dem es schwerfällt, Schwäche zu zeigen. Wer ist er?

Robert Schultholz ist ein Arzt, der sich seinem Beruf komplett verschrieben hat und sehr verantwortungsbewusst ist. Dabei merkt er selber nicht, was Überforderung oder ein mögliches Hineinschlittern in eine Erschöpfungsdepression mit ihm macht – denn all das wirkt sich nicht nur auf ihn aus, sondern auch auf die Art und Weise, wie er sich anderen Menschen gegenüber verhält. Man könnte meinen, hier gehe es um eine Form der Selbstlüge. So würde ich sein Verhalten aber gar nicht beschreiben: Vielmehr halte ich seine Art für eine grosse Form der Verdrängung, sich die eigene Überforderung einzugestehen. Denn das Eingeständnis von Schwäche weckt häufig Angst.

Steht Dr. Robert Schultholz also sinnbildlich für das Problem, dass unsichtbare Krankheiten häufig noch immer nicht akzeptiert werden?

In gewisser Weise schon. Wobei ich nicht sagen würde, dass er mentale Erkrankungen nicht sieht. Dennoch fällt es ihm schwer, sich selbst einzugestehen, Probleme zu haben, was ich nachempfinden kann. Einen Burnout oder eine Depression zu begreifen, ist herausfordernd, weil die Erkrankung sich häufig in einem schleichenden Prozess zeigt.

Häufig sind auch die Symptome so unspezifisch, dass sie kaum greifbar sind. Umso schwieriger ist es, die Warnsignale zu erkennen, die einem gesendet werden. Aus diesem Grund halte ich die Film-Reihe für so wertvoll, weil sie zeigt, wie komplex es ist, Menschen in Drucksituation zu beobachten und schliesslich anzusprechen, um ihnen zu helfen.

Gedreht wurde in einem stillgelegten Teil eines Krankenhauses, dessen übrige Bereiche noch in Betrieb sind. Konnten Sie in diesem Zusammenhang Gespräche mit Menschen aus dem medizinischen Bereich führen?

Ja, konnten wir. Ich mag es, wenn sich die Wege der Menschen kreuzen und ich meine Neugierde ausleben kann, die Menschen zu fragen, wie es ihnen geht und was sie gerade machen. Diese Neugierde beruhte auf Gegenseitigkeit, was sehr schön war. Das medizinische Fachpersonal hat sich trotz des ganzen Stresses, den es tagtäglich erlebt, Momente für einen kurzen Austausch genommen. Und auch wenn es mitunter vielleicht nur 30 Sekunden waren, haben sich diese 30 Sekunden länger und intensiver angefühlt, als sie waren – eben weil man freundlich gegrüsst hat oder eine Frage gestellt bekommen hat. Insofern hat es mich wahnsinnig begeistert, mit welcher Offenheit uns an diesem Ort begegnet wurde.

"Die Akzeptanz für nicht sichtbare Krankheiten muss weiter wachsen."

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung, wenn es um mentale Erkrankungen geht?

Ich glaube, dass es grundsätzlich noch mehr Aufklärungsarbeit braucht. Bewusstsein für mentale Erkrankungen zu schaffen, ist ein Prozess. Insofern können wir nicht davon ausgehen, dass alle Menschen gleichermassen von heute auf morgen bereit und offen sind, unsichtbare Krankheiten zu erkennen und zu akzeptieren. Deswegen muss die Aufklärungsarbeit weitergehen.

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, in der die sozialen Medien eine immense Rolle spielen. Damit möchte ich Social Media per se nicht verdammen. Aber ich möchte sagen, dass der ununterbrochene Zugriff auf Informationen vieles mit uns macht. Denn wann soll der Mensch all diese Informationen selektieren? Ich denke, dass uns eine gewisse Erschöpfung immer begleitet, ohne hier konkret von einer Erschöpfungsdepression sprechen zu wollen. Die Akzeptanz für nicht sichtbare Krankheiten muss weiter wachsen und Depressionen etwa müssen genauso behandelt und gesehen werden wie ein gebrochener Arm, dem ein Gips angelegt wird.

Dennoch werden mentale Erkrankungen immer wieder mit Schwäche gleichgesetzt …

So ist es. Dieser Glaubenssatz ist noch immer in vielen Menschen verankert und spielt vor allem im beruflichen Kontext eine grosse Rolle. Umso erschreckender ist es, dass immer mehr junge Menschen im Job eine enorme Überbelastung empfinden. Dabei liegt das Problem nicht bei ihnen, sondern vielmehr am Pensum, der Verantwortung und auch am Fachkräftemangel. All das fördert die Tatsache, dass Menschen an ihre Leistungsgrenzen geraten. Für umso wichtiger halte ich es, den Mut zu haben, eben diese Grenzen einzugestehen und zu kommunizieren.

Ljubek plädiert für mehr Aufklärungsarbeit

Was gilt es Ihrer Meinung nach zu tun?

Es ist wichtig, Aufklärung dafür zu leisten, den schleichenden Prozess einer Erschöpfungsdepression oder einer Überbelastung zu erkennen. Betroffene sollten die Möglichkeit haben, mit Ansprechpersonen zu reden – nicht nur im Privaten, sondern auch im Rahmen ihrer Arbeitsstelle. Denn es geht darum, mentaler Gesundheit präventiv zu begegnen und im Blick zu haben, wohin unsere Gesellschaft diesbezüglich schlittert.

Über den Gesprächspartner

  • Carlo Ljubek ist ein deutscher Schauspieler, der sein Schauspielstudium an der Otto Falckenberg Schule in München absolvierte. Neben seiner Arbeit am Theater wirkt er in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit. Ab 2026 wird Ljubek als Kriminalhauptkommissar Nikola Buvak zusammen mit Ferdianand Hofer Nachfolger von Batic und Leitmayr im Münchener "Tatort".