Seit einem Jahr ist der 2014 verstorbene Udo Jürgens wieder auf der Bühne zu sehen – als Multimedia-Inszenierung mit dem Original-Orchester seines langjährigen Wegbegleiters Pepe Lienhard. Anfang nächsten Jahres setzt der Schweizer die Tournee "Da Capo Udo Jürgens" fort. Wir haben uns mit der Bandleader-Legende über Udos musikalisches Vermächtnis und eine besondere Zusammenarbeit mit Whitney Houston unterhalten.

Ein Interview

Pepe Lienhard feiert 2026 seinen 80. Geburtstag. Es ist das Alter, in dem sein Freund Udo Jürgens 2014 verstarb. "Für mich ist diese Zahl '80' weniger besonders, als sie es damals für Udo war", verrät uns Lienhard. Dank modernster Technik wird der Entertainer auch bei der Fortsetzung der "Da Capo"-Tour überlebensgross an seiner Seite sein.

Im Interview mit unserer Redaktion erklärt der 79-Jährige, warum er nie eine Abschiedstournee spielen wird und worum er die Weltstars, mit denen er zusammengearbeitet hat, nicht beneidet.

Herr Lienhard, im März 2026 werden Sie 80 – zwei Monate später beginnt in Ihrer Schweizer Heimat Ihre "Celebration Tour". Lassen Sie sich gerne feiern?

Pepe Lienhard: Eigentlich nicht, aber dieser Geburtstag ist ein guter Anlass für eine Tour. Eine grosse, private Geburtstagsparty habe ich aber nicht geplant. Ich möchte mich auch nicht feiern lassen, sondern einfach mein Leben zelebrieren. Dazu gehört, dass ich sowohl auf meine 60 Jahre auf der Bühne zurückschauen als auch in die Zukunft blicken werde. Wir wollen moderne Musik machen – mit unseren tollen, jungen Musikern, die dabei sein werden.

Was verstehen Sie unter "moderner Musik"?

Also Rap und House wird es bei uns nicht zu hören geben (lacht). Ich habe nie versucht, mich bei der jungen Generation anzubiedern. Wir haben unseren Stil, mit dem wir unser Publikum nach wie vor erreichen. Und die jungen Leute, die aus Versehen dazustossen, um vielleicht ihre Mutter zu begleiten, hatten bisher auch immer ihren Spass. Das war bei Udo Jürgens ja genauso – die "Mitgeschleppten" wurden von ihm immer ausdrücklich begrüsst.

Gibt es überhaupt noch ausreichend Nachwuchsmusiker, die gerne in einer Big Band spielen wollen, anstatt sich bei YouTube oder TikTok selbst zu verwirklichen?

Die gibt es sehr wohl. In unserer Branche gibt es sogar mehr gute, junge Musiker als Jobs. Als ich 1980 meine Big Band gründete, bestand diese fast ausschliesslich aus US-Amerikanern. Auf der Suche nach professionellen Musikern, die vom Blatt spielen konnten, wurde man hierzulande damals kaum fündig. Heute kann man in Deutschland und der Schweiz auf eine Vielzahl von gut ausgebildeten und motivierten Musikern zurückgreifen. Das Schöne ist: Die lassen sich sogar von einem alten Mann wie mir noch etwas sagen (lacht). Letztendlich profitieren sie auch von unserer Routine.

"Jeder Tag, an dem ich von einem jungen Menschen etwas lernen kann, ist ein guter Tag."

Hält Sie diese Zusammenarbeit jung?

Auf jeden Fall. Auch mir tut das sehr gut. Ich sage immer: Bei mir herrscht eine fröhliche Demokratur. Jeder darf sagen, was er will – doch einer muss am Ende entscheiden. Doch ähnlich wie ein Fussballtrainer muss auch ich als Bandleader offen für neue Ideen sein. Man sollte sich niemals verschliessen. Jeder Tag, an dem ich von einem jungen Menschen etwas lernen kann, ist ein guter Tag.

Was macht der bevorstehende 80. Geburtstag mit Ihnen? Ihr langjähriger Freund und Wegbegleiter Udo Jürgens ist in diesem Alter überraschend verstorben.

Für mich ist diese Zahl "80" weniger besonders, als sie es damals für Udo war. Denn seine beiden Elternteile sind damals mit 80 Jahren gestorben. Vielleicht konnte er es zwischenzeitlich verdrängen, doch ich bin mir sicher, dass er hin und wieder daran dachte. Und so wie es von Udo nie eine Abschiedstournee gegeben hätte, wird es auch von mir nie eine Abschiedstournee geben. Solange mein Publikum da ist, werde ich weitermachen. Das ist meine Motivation, die ich aus diesem 80. Geburtstag ziehe. Ein Todesurteil ist diese magische Zahl also nicht. Und wenn der Tag kommt, dann würde ich gerne so abtreten wie damals Udo. Es ist doch ein Geschenk, wenn man bis zu seinem letzten Tag aktiv sein kann.

Sie haben den Big-Band-Sound in die Welt hinausgetragen. Sehen Sie sich demzufolge selbst als ein Weltstar?

Nein. Als Bandleader sieht man sich grundsätzlich nicht als Star. Ein Sänger oder eine Sängerin: Das sind für mich Stars. Diese Personen stehen auf der Bühne in der ersten Reihe und werden angehimmelt.

Stellen Sie Ihr Licht damit nicht etwas unter den Scheffel? Sie haben mit Grössen wie Frank Sinatra, Sammy Davis, Jr., Quincy Jones oder Whitney Houston zusammengearbeitet ...

… und dafür wurde und wird mir eine Menge Respekt entgegengebracht. Ich freue mich darüber, wenn mir jemand das Kompliment macht, dass ich so bodenständig geblieben sei. Aber ist es nicht viel einfacher, man selbst zu sein, als sich ein Star-Auftreten zulegen zu müssen? Ich würde das als sehr anstrengend empfinden. Es hat wirklich nichts mit "Fishing for Compliments" zu tun, aber mir geht es nur um die Musik. Dafür lebe ich – und es könnte mir nicht besser gehen.

Wie haben Sie Whitney Houston erlebt?

So wie die meisten Leute, die ganz weit oben stehen: als sehr bescheiden. In der Regel ist nämlich nicht der Superstar, sondern dessen Entourage aus Bodyguards und Managern für den Aufstand verantwortlich. Wenn man dann aber mal mit Whitney Houston und Co. zusammengesessen hat, wird man feststellen: Normaler können die gar nicht sein. Schliesslich sind sie vor einem Auftritt fokussiert und wollen einen guten Job abliefern. Wäre dem nicht so, wären sie auch nicht so erfolgreich.

Wie Pepe Lienhard Whitney Houston umstimmen konnte

Whitney war damals gerade mal 19 und noch nicht weltbekannt. Aber sie war schon auf dem besten Weg dorthin. Sie war damals in meiner Schweizer TV-Show "Musicland" zu Gast. Ihr Manager wollte, dass sie ihre Songs Voll- oder zumindest Halbplayback singt. Wir als Big Band hatten uns aber speziell auf sie vorbereitet und wollten mit ihr live spielen. Letztendlich erlaubte sie uns, dass wir ihr unser einstudiertes Werk einmal vorspielen. Nachdem sie sich das angehört hatte, sagte Whitney: "Okay, ich mach's!" Ich bin sehr stolz auf diese Erinnerung.

Irgendwann geriet ihr Leben aus den Fugen …

Ja, mit zunehmender Bekanntheit. Auch für Udo war dieser Star-Rummel zum Teil sehr anstrengend. Eigentlich war auch er ein sehr bodenständiger Mensch. Allerdings hat man ihm das manchmal nicht zugestanden.

Pepe Lienhard (r.) während der "Da Capo Udo Jürgens" Tournee. © Marc Vorwerk

Inwiefern?

Udos Konzerte dauerten bis zu drei Stunden. Bis ins höhere Alter gelang es ihm, alle Songtexte fehlerfrei und ohne Teleprompter abzurufen und sich beim Singen selbst am Klavier zu begleiten. Dass er den Abend nach seinem Auftritt in Ruhe in einem Restaurant ausklingen lassen wollte, kann ich verstehen. Und ich kann auch nachvollziehen, dass man etwas ungehalten wird, wenn einem in dieser Situation zum Beispiel ein Autogrammbuch auf den Tisch geworfen wird.

Im Grunde genommen war Udo aber überhaupt nicht arrogant, sondern nah an seinem Publikum. Und er war immer pünktlich. In den 35 Jahren, in denen wir zusammengearbeitet haben, kam er nicht ein einziges Mal zu spät zum Soundcheck. Seine Fans sollten nicht auf ihn warten müssen.

Im Januar und Februar wird die "Da Capo Udo Jürgens"-Tour fortgesetzt. Für die Einen ist es eine gute Illusion, für die Anderen ein Multimedia-Erlebnis. Was ist diese Konzertreihe für Sie?

Vor Beginn dieser Tournee verspürte auch ich einen gewissen Druck. Ich fragte mich, ob die Leute diese Show akzeptieren würden. Es wurde an nichts gespart – von der Leinwand über das Soundsystem bis hin zu der sensationellen Crew.

"Viele haben uns gesagt, dass sie zunächst sehr kritisch in das Konzert gegangen seien, weil sie sich ihr Andenken an Udo nicht verderben wollten."

Besonders freue ich mich über das Feedback von Udos "Hardcore-Fans", wie wir sie – positiv gemeint – gerne nennen. Viele haben uns gesagt, dass sie zunächst sehr kritisch in das Konzert gegangen seien, weil sie sich ihr Andenken an Udo nicht verderben wollten. Und alle hatten am Ende Tränen in den Augen. Einige Fans berichteten uns, dass sie zwischenzeitlich sogar vergessen hatten, dass Udo nicht mehr lebt. Wir können ihn leider nicht zurückholen, aber vielleicht ist diese "Da Capo"-Tour das grösste Geschenk, das wir ihm bereiten konnten. Ich hoffe es zumindest.

Wird sich die Fortsetzung vom ersten Teil der Tour unterscheiden?

Es wurde möglich gemacht, dass Udo nun auch bei seinem Grand-Prix-Sieg 1966 in Luxemburg mit "Merci, Chérie" zu sehen und zu hören sein wird. Diese Originalaufnahme in Schwarz-Weiss, als er damals als schmales Bübchen auf der Bühne stand, wird diese Tournee ganz sicher bereichern.

Werden Big Bands auch noch in 20 Jahren gefragt sein?

Empfehlungen der Redaktion

Davon bin ich absolut überzeugt. Die Big Bands werden schon seit 40 Jahren totgesagt. Es ist nie verkehrt, seinen Beruf zu können. Wir spielen immer noch wie früher mit Händen und Füssen – und haben nach wie vor unser Publikum.

Über den Gesprächspartner

  • Pepe Lienhard ist ein Schweizer Bandleader und Saxophonist, der vor allem mit dem Sänger Udo Jürgens in Verbindung gebracht wird. Mit seinem "Pepe Lienhard Orchester" begleitete er den Österreicher 37 Jahre lang bis zu dessen Tod im Dezember 2014 bei sämtlichen Konzerten. Seine ersten Erfolge feierte er in den 70ern mit seiner damaligen "Pepe Lienhard Band". Mit dem Titel "Swiss Lady" belegte das Sextett beim Grand Prix 1977 den sechsten Platz.