Der aufsehenerregende Prozess gegen Sean "Diddy" Combs endet in einem scheinbar milden Urteil. Der Ex-Superstar zeigt sich erleichtert – und die #MeToo-Bewegung entsetzt.
Während
In nur zwei von fünf Anklagepunkten sprachen die Geschworenen den früheren Rap-Superstar vor Gericht in New York schuldig – und das waren die schwächsten Anschuldigungen in Zusammenhang mit Prostitution. Die Vorwürfe der Verschwörung zur organisierten Kriminalität und des Menschenhandels wies die Jury zurück.
Wohl bestes Resultat für Combs – abgesehen von Voll-Freispruch
Damit droht dem 55-Jährigen, der im Laufe seiner Karriere unter anderem die Pseudonyme "
Beobachter werteten das Urteil als wohl bestes Resultat für Combs – abgesehen von einem vollständigen Freispruch. Der Rapper, seine Anwälte und seine Familie zeigten sich dementsprechend erleichtert. Der Anwalt der Hauptbelastungszeugin Cassie Ventura würdigte seine Mandantin. Ventura habe "während des gesamten Prozesses beispielhaften Mut bewiesen" und den Weg für zahlreiche Vorwürfe gegen Combs und sein Fehlverhalten geebnet, sagte Doug Wigdor.
Wird Frauen geglaubt – oder nicht?
"Ich glaube dir, Cassie", schrieb die Sängerin Kesha, die ebenfalls schon einen Rechtsstreit wegen Sexualstraftaten gegen ihren früheren Produzenten hinter sich hat, beim Online-Portal X. "Ich liebe dich. Deine Stärke ist ein Leuchtfeuer für jeden Überlebenden."
Dass die Juroren Ventura und einer weiteren Ex-Freundin von Combs, die vor Gericht ebenfalls von jahrelangen sexuellen Misshandlungen und Gewalt berichtet hatte, aber offensichtlich nicht geglaubt hätten, mache sie sauer, schrieb Schauspielerin O'Donnell. "Ich schätze, eine Jury will einfach nie glauben, dass eine Frau wegen Macht und Zwang bleibt, wow, sie denken, dass eine Frau weswegen bleibt? Geld? Ruhm?".
#MeToo-Bewegung im Gegenwind?
Das Verfahren weckte Erinnerungen an ähnliche Prozesse wegen Sexualstraftaten gegen Ex-Superstars in den vergangenen Jahren – unter anderem gegen den Musiker
Die Vorwürfe gegen Weinstein hatten vor rund acht Jahren die weltweite #MeToo-Bewegung angestossen – am Urteil gegen Combs, der dreimal verheiratet war und sieben Kinder hat, zeigt sich nun aber nach Ansicht vieler Beobachter das Ausmass des Gegenwinds.
Die Bewegung habe vielen Opfern von sexuellem Missbrauch die Tür geöffnet, gerichtlich gegen die Täter vorzugehen - auch Cassie Ventura, schrieb das Online-Magazin "Vox". Einige zumindest vorübergehende gerichtliche Erfolge habe es gegeben - beispielsweise im Fall Weinstein oder R. Kelly.

Energie der #MeToo-Bewegung verpufft?
Inzwischen sei die kulturelle Energie der Bewegung aber weitgehend verpufft, den Opfern werde wieder weniger geglaubt und anstelle dessen eine Mitschuld gegeben. Ventura hätte Combs ja jederzeit verlassen können, argumentierte die Verteidigung – mit Erfolg. Dabei hatte Ventura mehrfach betont, dass sie Angst vor Combs und seiner Gewalt gehabt habe. Aber vielleicht verhob sich die Staatsanwaltschaft auch, indem sie gleich den Mafia-Anklagepunkt der Verschwörung zur organisierten Kriminalität auffuhr?
"Wir wissen immer noch nicht, wie wir die Gesetze nutzen können, um die Probleme zu lösen, die in unseren intimsten Beziehungen explodieren", kommentierte das Online-Magazin "Slate". Und das Magazin "The Atlantic" prophezeite "verstörende Auswirkungen" des Urteils.
Gibt es vielleicht sogar ein Combs-Comeback?
Combs, gegen den es auch noch zahlreiche Zivilklagen gibt, habe anscheinend "neun Leben", schrieb die "New York Times" – und hält sogar ein Comeback des Rappers für möglich. Der 1969 im New Yorker Stadtteil Harlem geborene Combs gehörte mit Hits wie "I'll Be Missing You" und "Bad Boy For Life" in den vergangenen Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Rappern der Welt und war auch mit eigenen Musik- und Modelabels erfolgreich.
Ein Comeback galt eigentlich spätestens seit seiner Verhaftung als völlig ausgeschlossen. Neben Combs' Familie hatte von seinen einst vielen prominenten Freunden nur der umstrittene Rapper Kanye West im Gerichtssaal seine Unterstützung für Combs gezeigt – aber das könne sich auch wieder ändern, mutmasste die "New York Times". "Es könnte sein, dass diese Anschuldigungen und dieser Prozess eines Tages nur ein Fleck auf seinem Lebenslauf sind." (Christina Horsten und Benno Schwinghammer, dpa/bearbeitet von tas)
Hilfsangebote
- Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (116 016 oder online), das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" (0800/1239900 oder online), das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" (0800/225 5530), in Österreich an die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar, 01/3340 437) und in der Schweiz an die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana, 031/3131 400)
- Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
- Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
- Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.