Wenn Andrea Kiewel ihr Publikum zwei Stunden lang mit lahmen Eis- und Cocktail-Rezepten, musikalischen Darbietungen mit tiefgefrorenen Lippen, der Haltbarkeit von Schneeflocken und Ben Zucker quält, darf sie sich nicht wundern, wenn sie am Ende alle gern leiden sehen.
11:46 Uhr: Ich komme gerade von der Alten Donau in Wien, wo ich nach ein paar Runden im Wasser bei rund 26 Grad Celsius im Schatten zweier Linden vor mich hin gedöst habe. Die Vorfreude auf den "ZDF Fernsehgarten" mit
12:00 Uhr: Andrea Kiewel, genannt "Kiwi", schiebt sich in einem langen Schlabberkleid in den Garten und schreit "Wir sind Halbfinale". Das ist okay! Das Problem: Sie tanzt dann auch. Das ist nicht okay.
12:03 Uhr: "Kiwi" teasert an, was in den nächsten 135 Minuten auf uns zukommt. Leider muss ich schon jetzt darüber nachdenken, ob es auch Entspannungstechniken gibt, bei denen man sich einen Vorschlaghammer auf Scheitel- und Schläfenbeine donnert. ChatGPT meint leider, derartiges gebe es nicht, und führt aus: "Das wäre extrem gefährlich, potenziell tödlich und steht im klaren Widerspruch zu jeglicher Form von Entspannung, Gesundheit oder therapeutischer Anwendung." Das Tool rät mir hingegen zu Klopfakupressur – also zu sanftem Klopfen mit den Fingerspitzen auf bestimmte Punkte an Kopf und Körper. Sorry, aber was soll das helfen, wenn man akuten "ZDF Fernsehgarten" hat?
Ben Zucker sucht Frau
12:05 Uhr: Die "Hermes House Band", die sich bei Telefonzellen-Eröffnungen und Videotheken-Jubiläen einen Namen gemacht hat, performt den Song "Like Ice in the Sunshine". Die Skinny-Hose des Sängers wirft vor lauter Elend Falten ohne Ende. Die Band sei "fabelhaft", meint die ehemalige "WeightWatchers"-Botschafterin.
12:08 Uhr: Erik Schmidt, der "Pfälzer Iceman", wie er sich selbst nennt, versucht uns das Eisbaden nahezulegen. Es sei Stressmanagement, aber auch Meditation und Herz-Kreislauf-Training. "Man kommt in diesen Kälteschock, aus dem man sich dann rausatmet", so Schmidt. Ah, das klingt interessant. Kann man sich dann vielleicht auch gleich aus dem ganzen "ZDF Fernsehgarten" rausatmen?
12:17 Uhr: Der
12:20 Uhr: "Kiwi" begrüsst jetzt den Speiseeis-Europameister Federico Sacchet. Ich wusste gar nicht, dass es eine Speiseeis-Europameisterschaft gibt, wobei ich eh bekennen muss, dass ich bei einer solchen nicht den Funken einer Chance hätte. Beim Apfelstrudel-Cup hingegen wäre ich eine Macht. Und für die Kartoffelsalat-Bezirksmeisterschaften könnte ich mich vermutlich zumindest qualifizieren. Jedenfalls: Während der Federico über Eis mit Rosmarin doziert, kostet sich die Kiewel durch Banane, Joghurt, Blauschimmelkäse-Walnuss und schiessmichtot. Kefir-Limette und Distel-Bitumen oder so. Das alles ist in jedem Fall irrsinnig fad. "Ist das dein Traumjob Eis zu machen?", will die "Kiwi" vom Europameister wissen. "Auf jeden Fall", antwortet Federico. Uff! Mein Traumjob wäre es ja, Fischstäbchen zu machen, wobei ich nebenberuflich dann schon auch gern noch Rosinen panieren würde.
Nicole hat zu viel gebechert
12:29 Uhr: Apropos Eis! Weil die Schlagersängerin Nicole vor ihrem Auftritt zu tief in den Eisbecher geschaut hat, kann sie ihre tiefgefrorenen Lippen kaum noch zum Playback bewegen. Die Asynchronität der "Ein bisschen Frieden"-Bardin sieht nicht besonders gut aus und erinnert an Johnny Cashs Auftritte an der 4-Promille-Grenze.
12:42 Uhr: Der Reim Julian, der von seinem Vater ins Schlagergenre nepotisiert wurde, darf heute auch den "Kiwi"-Garten beschallen. Sein Song "Nie wieder" hat leider überhaupt nichts mit Eis zu tun, weshalb der Reim Julian unmittelbar nach seinem Gig disqualifiziert wird.
12:46 Uhr: "Kiwi" begrüsst zwei Strassenwärter, die für die Sicherheit und Instandhaltung von Autobahnen zuständig sind. Sie sollen der Kiewel später das Fahren mit einem Schneepflug beibringen, worauf wir uns jetzt schon nicht freuen. Einer der Strassenwärter fährt jetzt mit einem Schneepflug eine halbe Stunde Slalom. Was man halt Mitte Juli so in deutschen Fernsehshows macht. Ich würde mir jetzt gern zwei Kugeln Vanille in die Augen und mit einer Schneekanone ins Gehirn schiessen.
12:57 Uhr: Nic "The Shaker" Shanker, ein sympathischer Cocktail-Kreateur, den die Kiewel ebenso unentwegt zutextet, muss jetzt live Cocktails mixen – unter anderem einen "Frozen Gin Basil Smash" mit Gin, Zitrone, Zucker und Basilikum. An dieser Stelle ein Lob an die Sendungsmacher: Dass im "ZDF-Fernsehgarten" jetzt gesoffen werden darf, ist ein Schritt in die richtige Richtung und macht die Chose doch eine Spur erträglicher. "Na, du kleiner Kerl! Kommst du zu Mutti?", sagt die Kiewel allen Ernstes zu einem Cocktail. Leider wirkt der Alkohol bei uns nicht so schnell.
13:08 Uhr: "Kiwi" holt aus dem Publikum eine Gruppe illuminierter junger Männer mit blonden Perücken auf die Bühne. Sie müssen Cocktails von Nic Shanker erraten und können dabei einen alkoholfreien Cocktail gewinnen. Weil das ZDF so extrem grosszügig ist, dürfen sie sogar das Schirmchen behalten.
"Fragile Geschöpfe" im Fernsehgarten
13:11 Uhr: Die Polarforscher Helene und Thomas Hoffmann haben 20.000 Jahre altes Eis von einem Gletscher mitgebracht und erklären uns, wie man Schneeflocken haltbar machen kann. Shit, das wollte ich mir doch morgen patentieren lassen. Ach scheiss drauf, dann lass ich mir eben das Imprägnieren von Vollkornbrotkrümeln schützen. "Das sind so fragile Geschöpfe", sagt die "Kiwi" über Schneeflocken. Ich hätte jetzt gern in der Sekunde einen fragilen Fragola-Daiquiri mit 79,4 Prozent Alkohol, weil mir geht es sehr, sehr schlecht.
13:26 Uhr: DJ Herzbeat und Bernie Paul, die gar nicht mal so gut sind, singen im "ZDF-Fernsehgarten" ein Loblied auf die Eissorten Schoko, Fiocco und Mettwurst. Sie werden nicht disqualifiziert. Auch der Zucker Ben darf noch mal ran und den Song "Remmidemmi" knödeln. Darin beklagt er, dass seine Eismaschine letztens nicht so funktioniert hat, wie sie sollte, und sein Sahne-Kirsch ein bisschen nach Spülmittel geschmeckt hat.
13:50 Uhr: Die Sängerin Leslie Clio von der Werksband des französischen Automobilherstellers Renault präsentiert uns den Song "Love has got me dancing". Für den Auftritt hat man ihr in den Renault-Werken aus den dunkelgrünen Sitzbezügen eines 2005er-Twingos ein langes Kleid schneidern lassen. Es sieht ganz okay aus.
Empfehlungen der Redaktion
Am Schluss wird’s endlich gut
13:55 Uhr: Nachdem Andrea Kiewel mit einem Schneepflug ganze fünf Meter zurückgelegt hat und jubelt, als hätte sie eben acht Schneeflocken konserviert und damit den Klimawandel gestoppt, steigt sie in violetten Leggins und einem orangen T-Shirt noch in ein Eisbad. Ihrem Gesicht sieht man an, dass sie im kalten Wasser ein bisschen leidet, was den Zusehern sehr gut gefällt. Alles davor war eigentlich wieder einigermassen beschissen, wobei eine gewisse Konstanz nicht zu leugnen ist. Nächste Woche geht’s nach Malle. Ach du meine Güte …