Wie vernichtet man eine Viertelmillion Euro in zwei Wochen? Bei der Sat.1-Show "Villa der Versuchung" mussten die Promi-Teilnehmer jeden Luxus vom gemeinsamen Preisgeld abziehen. Das sorgte nicht nur für Grabenkämpfe, sondern auch für die derzeit wohl interessanteste Reality-Show im deutschen Fernsehen. Nicht nur, weil die Gewinnsumme am Ende die Erwartungen noch übertraf – nach unten.

Christian Vock
Eine Kritik
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Spoiler-Warnung: Diese Folge läuft erst am Montag, 25. August, bei Sat.1, ist aber bereits bei Joyn im Stream verfügbar.

Am Ende war es ein bisschen wie Weihnachten. Man hat sich die Louis-Vuitton-Tasche gewünscht, die Erstpressung des „Sgt. Pepper’s“-Albums oder wenigstens die goldene Rolex und bekommt stattdessen ein Paar selbst gestrickte Socken. Denn als Moderatorin Verona Pooth in der Finalfolge der Sat.1-Show "Villa der Versuchung" am Montagabend enthüllt, wie viel von der eigentlichen Gewinnsumme von einer Viertelmillion Euro übrig geblieben ist, erntet sie grosse Augen, dicke Backen – und enttäuschte Blicke wie an Heiligabend.

Das klingt nach einem übertriebenen Vergleich, wer bekommt schon eine Louis-Vuitton-Tasche, ist es aber nicht und das aus mehreren Gründen. Denn was die Gewinnerin am Ende einstreichen wird, ist für das, was die Promis in der Show an Trash-TV-Unterhaltung abgeliefert haben, fast schon unangemessen. Denn hinter dem Betrag stecken so viele Streits, Eskalationen und Einblicke in menschliches Verhalten, wie in kaum einer anderen Reality-Show und das liegt am Konzept von "Villa der Versuchung".

Dass hier Promis unter Dauerbeobachtung in eine Luxus-Villa gesteckt wurden, ist alles andere als originell. Das, was sie dort tun oder besser lassen sollten, aber umso mehr. Denn als die Reality-TV-Promis um Ronald Schill, Jasmin Herren, Georgina Fleur oder Raúl Richter sieben Folgen zuvor die thailändische Herberge mit all ihrem Zipp und Zapp betraten, wurde all dieses Zipp und Zapp wieder rausgeräumt. Zurück blieben lange Gesichter, ein paar Teppiche zum Schlafen und pürierte Pizza mit Wasser, damit die Promis nicht verhungern oder verdursten.

Von Anfang an zwei Lager in der "Villa der Versuchungen"

Der eigentliche Clou war aber, dass die Promis alles, was sie über diese karge Grundausstattung hinaus zu brauchen glauben, selbst bezahlen müssen. Zu überhöhten Preisen und nicht vom eigenen Girokonto, sondern von der gemeinschaftlichen Gewinnsumme von 250.000 Euro. Dazu kommt: Wer einen Kollegen aus der Villa heraus wählen will, muss dafür das Kopfgeld zahlen, das sich der Geschasste zuvor erspielt hat. Das ist nicht nur das Innovativste, was es derzeit an Reality-Ideen im deutschen Fernsehen gibt, sondern auch das Perfideste.

Denn von da an war die "Villa der Versuchung" nicht nur eine Trash-TV-Unterhaltungsshow, sondern eine nicht-wissenschaftliche Studie darüber, wie sich Menschen unter solchen Bedingungen verhalten. So sehr sich "Villa der Versuchung" nämlich von anderen Shows unterscheidet, so sehr unterschieden sich auch die Vorstellungen, wie mit der Situation umzugehen ist. Während es eine Gruppe gab, die so viel von der Gewinnsumme erhalten wollte, wie möglich, wollte die andere Hälfte der Kandidaten nichts von ihrem bisherigen Lebensstil vermissen oder diesen sogar heben.

Bei zwei so völlig konträren Zielen, liess der Streit nicht lange auf sich warten, zumal auf keiner der beiden Seiten jemand auf die Idee kam, die Lage in grosser Runde zu besprechen und die unterschiedlichen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Stattdessen legte jeder los und machte dem anderen Vorwürfe. Hier die langweiligen Spassbremsen um Raúl Richter, Sara Kulka, Jimi Blue Ochsenknecht und Bettie Ballhaus, dort die hedonistischen Egoisten um Gigi Birofio, Ronald Schill, Kevin Schäfer und Kate Merlan. Der Rest landete irgendwo dazwischen.

Sparen oder verprassen?

Für die Promis bedeutete das eine Jobbeschreibung, die über das hinaus geht, was sie aus anderen Trash-TV-Shows so kannten. Zwar mussten sie auch hier ihr Image pflegen, Niedrig-Niveau-Unterhaltung anbieten, alberne Spielchen spielen und die eine oder andere Entbehrung überstehen. Vor allem aber war die Frage, ob man das Geld sparen oder verprassen soll, nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine des Charakters – und der Lebenseinstellung.

Denn natürlich sparten die Sparer nicht aus Gemeinsinn und Altruismus, sondern um am Ende selbst möglichst viel Geld gewinnen zu können, etwa, weil der Schuldenberg drückt wie bei Jasmin Herren. Und natürlich waren die Verprasser nicht zwangsläufig Egoisten, sondern nutzten einfach die Gelegenheit auf Luxus, der ihnen zu Hause vielleicht verwehrt bleibt und weil sie die eigenen Chancen auf den Gewinn realistisch gering einschätzten. Da bestand dann eine Kate Merlan prinzessinnenhaft auf ihr vermeintliches Recht, weiterhin jeden Tag mehrfach Cola zu Mondpreisen trinken zu dürfen und ein Ronald Schill leistete sich von der gemeinschaftlichen Kohle jede Nacht ein Schlafzimmer für 2.000 Euro.

Beides sorgte natürlich für reichlich Bluthochdruck bei den Sparern. Addiert man zu dieser Melange aus unterschiedlichen Bedürfnissen, mangelnder Impulskontrolle, Eitelkeiten, Unterhaltungsdruck und der Unfähigkeit zur Konfliktlösung noch die Taktierereien und Intrigen, die jeder Promi dort für seine Ziele in die Waagschale warf, kann man sich vorstellen, wie derangiert die Kandidaten in die Finalfolge gehen, die Sat.1 am 18. August bei Joyn zeigte. Im Free-TV läuft die Folge eine Woche später.

Patricia Blanco greift noch einmal herzhaft zu

Dorthin haben es Jasmin Herren, Sara Kulka, Patricia Blanco und Manni Ludolf geschafft, die zumindest temporär eine Allianz bilden. Hinzu kommen noch Steven "Seven" Graf Bernadotte von Wisborg und Raúl Richter, die sich gleich zu Beginn des Finales um den weiteren Verbleib duellieren müssen. Die Aufgabe: Wer von sich aus geht, bekommt Geld, der andere darf bleiben. Einigt man sich nicht, gehen beide. Weil Richter nicht so sehr bleiben möchte wie "Seven", ist der Graf weiter dabei und Richter um 5.000 Euro und viele Erfahrungen reicher.

Und weil fünf Promis immer noch zwei zu viel sind, sorgt das Finalspiel dafür, dass "Seven" doch noch gehen muss und bei dieser Gelegenheit Manni Ludolf gleich mitnehmen kann. Damit endet die erste Staffel der "Villa der Versuchung" mit einem rein weiblichen Finale aus Jasmin Herren, Sara Kulka und Patricia Blanco, was wiederum zur erwähnten weihnachtlichen Eingangsszene führt.

Denn von den einst 250.000 Euro waren vor dem Finale gerade einmal 36.000 Euro übrig geblieben. Weil aber die Promis auch in der letzten Folge noch einmal den Versuchungen der Show erlagen, schrumpfte die Gewinnsumme noch einmal erheblich. Mit einem einzigen Griff zu Zigaretten schmälerte alleine Patricia Blanco kurz vor Schluss das Preisgeld noch einmal um 1.050 Euro.

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Mein Pferd, meine Hunde, mein Porsche

Schlussendlich kann die Siegerin von der einst mächtigen Summe lediglich noch 9.199 Euro gewinnen. Das erfahren Kulka, Blanco und Herren erst kurz vor der Siegerehrung, zuvor war schon klar, dass auch diese Summe nicht einfach zu erreichen sein wird. Denn wer die Show gewinnt, entscheiden die bereits Ausgeschiedenen und da wäre es ja eigentlich sinnvoll, wenn die drei Finalkandidatinnen noch einmal Eigenwerbung betreiben. Doch das gelingt nicht jeder der Frauen gleich gut.

Während Herren mit dem Geld Schulden zu tilgen gedenkt, will Kulka damit für ihre Kinder sorgen. Das möchte auch Blanco: "Ich hab auch Kinder: ein Pferd, zwei Tiere, ein Porsche – das sind auch meine Kinder." Eine Argumentation, die bei der Jury offenbar nicht so gut verfängt. Am Ende entscheiden sich die Ausgeschiedenen nämlich dafür, dass Jasmin Herren das Geld besser gebrauchen kann.