Harvey Milk war einer der ersten offen schwul lebenden Beamten in den USA und damit auch eine Ikone der LGBTQ-Bewegung. 2016 wurde ein US-Kriegsschiff nach ihm benannt. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat nun allerdings die Umbenennung angeordnet und verweist auf politische Neutralität. Kritiker werten das allerdings als weiteren Schlag gegen die LGBTQ-Community.

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Harvey Bernard Milk wurde 1930 als Sohn litauisch-jüdischer Eltern im Bundesstaat New York geboren. Schon als Jugendlicher erkannte er seine Homosexualität – damals war diese noch strafbar. Seinem Rabbi gestand er seine Angst; dessen Antwort lautete: "Mach dir keine Sorgen, solange du fühlst, dass du richtig lebst."

Davon ermutigt, suchte Milk einen beliebten Treffpunkt für schwule Männer auf – und wurde sofort verhaftet. Aus Furcht vor einer Gefängnisstrafe behauptete er, versehentlich dort gewesen zu sein. Nach aussen gab er fortan den Football spielenden Vorzeigestudenten, schrieb in der Uni-Zeitung kritisch über Diversität.

Schwul und in der Navy

1951 trat er der US Navy bei, absolvierte die Offiziersausbildung und diente als Tauchausbilder in San Diego. Zwischenzeitlich war er im Korea-Krieg (1950-53) im Einsatz. 1955 wurde er aus der Marine entlassen, nachdem Vorgesetzte ihn offiziell zu seiner sexuellen Orientierung befragt hatten.

Es folgten Jahre als Lehrer, Aktienanalyst und Produktionsassistent für Musicals in unterschiedlichen Städten der USA. In dieser Zeit hatte er mehrere Partnerschaften mit meist jüngeren Männern. 1969 landete er schliesslich in Kalifornien, das damals als besonders LGBTQ-freundlich galt. Inspiriert von der dortigen Hippie-Bewegung begann er, sich als Friedensaktivist gegen den Vietnamkrieg zu engagieren. Doch auch Bürger- und Minderheitenrechte wurden für ihn immer wichtiger.

1972 eröffnete Milk ein Fotogeschäft in der Castro Street, dem Herzen des LGBTQ-Viertels in San Francisco. Sein Laden wurde zum Treffpunkt, Milk selbst wurde dank seines Charismas und Humors zu einer Grösse der Szene. Als konservative Händler die Eröffnung eines von zwei schwulen Männern geführten Geschäfts blockierten, gründete er die Castro Village Association – die erste Händlervereinigung mit queerem Schwerpunkt in den USA.

Erster schwuler Beamter der USA

1973 kandidierte Milk erstmals für den Stadtrat – und scheiterte. Allerdings verschafften ihm seine Kampagne und sein offen schwules Auftreten grössere Bekanntheit. Zu dieser Zeit trug er bereits den Spitznamen "Mayor of Castro Street".

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In dieser Zeit wurde George Moscone Bürgermeister von San Francisco. Der progressive Politiker berief Milk 1977 in den Berufungsausschuss der Stadt und machte ihn damit zum ersten offen schwulen Beamten der USA. Seine Queerness stellte er laut und stolz zur Schau und sagte darüber: "Ein Coming-out ist das Politischste, was man überhaupt machen kann."

Noch im selben Jahr gewann Milk schliesslich einen Sitz im Stadtrat. Im Vorfeld hatte er sich etwa mit Gewerkschaften für Arbeiterangelegenheiten verbündet und damit gezeigt, dass er für zahlreiche soziale Fragen auch ausserhalb der Gay-Community Mehrheiten und Bündnisse zustande brachte.

Der Kampf gegen die "Briggs-Initiative"

In mehreren Bundesstaaten – etwa Florida – wurden damals Gesetze verankert, die LGBTQ-Rechte einschränkten. Auch Kalifornien sollte mit der Proposition 6 folgen, die nach dem republikanischen Politiker John Briggs schlicht "Briggs-Initiative" genannt wurde. Queere Lehrkräfte wären automatisch entlassen worden, auch ihre Unterstützerinnen und Unterstützer mussten mit Konsequenzen rechnen. Anfang 1978 lag die Zustimmung dafür landesweit bei 61 Prozent.

Harvey Milk startete mit seiner "Come out, Come out"-Kampagne dagegen eine der erfolgreichsten politischen Graswurzelbewegungen der Geschichte Kaliforniens. Und tatsächlich: Die Proposition 6 scheiterte am 7. November 1978.

Milk wusste, dass er mit seiner Person und seinem politischen Erfolg auch erbitterten Hass auf sich zog. Er nahm daher Kassetten mit seinem Testament auf und sagte schon prophetisch während der Kampagne: "Wir werden unsere Rechte nicht einfordern können, wenn wir leise im Schrank bleiben. Wenn eine Kugel in mein Gehirn eindringt, soll sie jede Schranktür im Land zerstören."

Das Hassverbrechen

Bei der Wahl von 1977 waren auch radikal konservative Kandidaten gewählt worden. Einer davon war Dan White – Vietnam-Veteran, Feuerwehrmann und Polizist –, der traditionelle Werte bedroht sah und zum erbitterten Widersacher von Moscone und Milk wurde.

1978 trat White aus Protest gegen das Scheitern der Proposition 6 und wegen eines angeblich zu geringen Gehalts aus dem Stadtrat zurück, bat Bürgermeister Moscone jedoch bald um Wiedereinsetzung. Als der Bürgermeister das ablehnte, schmuggelte White einen Revolver ins Rathaus.

Er suchte Moscone auf und forderte erneut seine Wiedereinsetzung. Moscone lehnte erneut ab. White erschoss ihn daraufhin mit vier Schüssen in den Kopf und die Brust. Danach lief White in das Büro von Harvey Milk und tötete auch ihn mit fünf Schüssen. Milk wurde 48 Jahre alt, Moscone 49. Nach den Morden stellte sich White freiwillig bei seiner alten Polizeidienststelle.

Obwohl White Milk und Moscone so präzise getötet hatte, stuften die Geschworenen die Tat von Mord zu Totschlag herab. Die Verteidigung Whites ging als "Twinkie-Verteidigung" in die Geschichte ein: Weil White zu viel Junkfood gegessen habe, sei er unzurechnungsfähig gewesen. "Twinkies" sind kleine Kuchen mit Cremefüllung. Die Strategie ging auf: White erhielt lediglich acht Jahre Haft.

Das Skandalurteil löste die "White Night Riots" aus: Zunächst friedliche Proteste der LGBTQ-Community eskalierten. Demonstranten stürmten das Rathaus, Autos wurden zerstört. Es folgten brutale Vergeltungsaktionen der Polizei mit Dutzenden Verletzten und massiven Sachschäden.

Dan White wurde im Übrigen bereits nach sechs Jahren entlassen. 1985 nahm er sich das Leben.

Posthumes Erbe und neue Kontroversen

2016 kündigte die US Navy an, einen neuen Tanker zu Ehren Harvey Milks "USNS Harvey Milk" zu nennen – ein Symbol für mehr Toleranz in den Streitkräften. 2021 lief das Schiff vom Stapel.

Jetzt wurde das Schiff auf Anordnung von US-Präsident Donald Trump und Verteidigungsminister Pete Hegseth wieder umbenannt - mit der Begründung: "Politik hat bei Schiffsnamen nichts verloren." Stattdessen solle es künftig nach dem Seemann Oscar Peterson benannt sein, der im Zweiten Weltkrieg die Congressional Medal of Honor erhielt.

Das Militär müsse wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren, so Hegseth weiter. Harvey Milks Neffe Stuart nannte den Schritt laut der Nachrichtenagentur AP eine "schreiende Ungerechtigkeit gegenüber allen Minderheiten". Dass die Umbenennung auch noch in den Pride Month fiel, werteten Kritiker als weiteres Signal wachsenden Drucks auf die LGBTQ-Community unter der aktuellen US-Regierung.

Verwendete Quellen