Was macht einen Menschen vertrauenswürdig? Eine neue Studie zeigt Zusammenhänge zwischen der Herkunft, Moral und dem Gefühl, sich auf jemanden verlassen zu können. Wem Vertrauen geschenkt wird und wem nicht, ist dabei weniger zufällig, als man womöglich denken mag.
Wer schon als Kind auf Urlaubsreisen verzichtete, in staatliche Schulen ging oder früh jobben musste, hat heute einen Vertrauensvorteil: Menschen mit einem solchen Hintergrund werden von anderen tendenziell als moralischer, verlässlicher und vertrauenswürdiger eingeschätzt. Das zeigt eine neue Studie, die im "Journal of Personality and Social Psychology" veröffentlicht wurde. Privilegierteren Menschen, die etwa Privatschulen besuchten oder von Amerika aus Urlaube in Europa verbrachten, wird hingegen weniger Vertrauen entgegengebracht.
Um herauszufinden, wie sich die wahrgenommene soziale Herkunft – von früher oder gegenwärtig – auf das Vertrauen gegenüber Fremden auswirkt, führten die Forschenden mehrere Experimente mit über 1.900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch.
Wie ein Spiel zeigt, wem wir vertrauen
In einem der Experimente spielten die Teilnehmenden ein Vertrauensspiel, in dem sie mit Kurzprofilen angeblicher, fiktiver Mitspieler konfrontiert wurden. Mal wurde dabei eine wohlhabende Herkunft beschrieben, andere Profile deuteten auf einen finanziell bescheideneren Lebensweg hin.
Die Teilnehmenden erhielten zehn Lose für eine Verlosung von zwei Gutscheinen im Wert von jeweils 100 US-Dollar. Sie konnten eine beliebige Anzahl dieser Lose an einen der fiktiven Mitspieler abgeben. Ihnen wurde gesagt: Das gespendete Geld der Lose würde verdreifacht werden, und der gewinnende Mitspieler könnte freiwillig einen Teil an den Spendenden zurückgeben.
Die Studie untersuchte dabei sowohl das Vertrauen als Verhalten sowie das Vertrauen als Erwartung: Wie viele Lose die Teilnehmenden weitergaben, galt als Mass für ihr verhaltensbezogenes Vertrauen. Zudem wurden sie gefragt, wie viele Lose sie im Gegenzug von dem Mitspieler zurückerwarteten – das Mass für ihr erwartetes Vertrauen.
Kindheit schlägt Karriere: Der Vertrauensbonus bleibt
Das Ergebnis: Wer aus einfachen Verhältnissen stammt, hat einen Vertrauensbonus. Vor allem dann, wenn Armut nicht nur ein aktueller Zustand ist, sondern bereits in der Kindheit eine Rolle spielte: Bei Profilen von Personen, die nur aktuell in ärmeren Verhältnissen leben, zeigten sich die Teilnehmenden zwar ebenfalls verhaltensbezogen grosszügiger – aber erwarteten weniger, dass diese Menschen ihnen das Vertrauen zurückgeben.
Auch andersherum zeigt sich die Diskrepanz: Personen aus armen Kindheitsverhältnissen werden unabhängig davon, wie reich oder arm sie heute sind, als vertrauenswürdiger wahrgenommen. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Menschen eine klare Linie zwischen der Kindheit einer Person und ihrer aktuellen Situation ziehen", meint die Psychologieprofessorin und leitende Forscherin Kristin Laurin.
Vertrauen im Alltag: Wann Herkunft Türen öffnet – und wann nicht
Laut Laurin sei Vertrauen eine wesentliche Voraussetzung für gesunde Beziehungen – ob in der Partnerschaft, im Beruf oder in der Gesellschaft. Die Ergebnisse der Studie könnten in diesen Lebensbereichen auch Auswirkungen auf Alltagssituationen haben: "Wer aus einem wohlhabenden Elternhaus stammt, sollte seine Herkunft vielleicht nicht zu sehr betonen. Wer hingegen mit wenig aufgewachsen ist, kann gerade dadurch punkten", so die Psychologin.
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Aber: Ob Menschen aus bescheideneren Verhältnissen tatsächlich vertrauenswürdiger handeln, hat die Studie nicht untersucht. Das sei Aufgabe zukünftiger Forschungen.
Verwendete Quellen
- psycnet.apa.org: Trust and Trust Funds: How Others’ Childhood and Current Social Class Context Influence Trust Behavior and Expectations
- eurekalert.org: Why we trust people who grew up with less