Er sieht aus wie ein schwarzer Schnürsenkel und kann bis zu 55 Meter lang werden: Der Schnurwurm gilt als längstes Tier der Erde. Zudem besitzt er ein potentes Gift, das für die Entwicklung von Insektiziden interessant ist.

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Wer denkt, der Blauwal oder ein anderes massives Tier sei auch das längste Tier der Erde, irrt. Diesen Titel trägt laut dem "Guinness-Buch der Rekorde" der Schnurwurm (Lineus longissimus), ein Meereswesen, das in den Flachgewässern der Nordsee lebt. Das Portal "Beachexplorer" verzeichnet aber auch vereinzelte Sichtungen von Schnurwürmern auf Helgoland, in der Ostsee und in der deutschen Bucht.

Vom Sturm an Land gespült

Das längste je gemessene Exemplar erreichte die erstaunliche Länge von 55 Metern – ein Rekord, der seit 1864 besteht und bis heute ungebrochen ist. Der beeindruckende Fund ereignete sich vor über 150 Jahren an der Küste vor St. Andrews in Schottland. Nach einem heftigen Sturm wurde ein aussergewöhnlich langes Exemplar des Schnurwurms an Land gespült und vermessen.

Allerdings ist das wohl ein besonders seltenes Exemplar gewesen. Die meisten Schnurwürmer erreichen deutlich geringere Ausmasse und werden sogar nur wenige Zentimeter lang. Zudem besitzen sie eine äusserst dehnbare Haut, die sie optisch länger erscheinen lässt.

Ein besonderes Meerestier

Der Schnurwurm weist aber noch weitere anatomische Besonderheiten auf. Er ist buchstäblich "herzlos" – sein Kreislaufsystem funktioniert ohne zentrales Pumporgan. Stattdessen besitzt er zwei oder mehr seitlich verbundene Gefässe, die sich über seinen gesamten Körper erstrecken. Die Sauerstoffaufnahme erfolgt über die Haut, der Transport wird durch Muskelbewegungen ermöglicht.

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Auch der Verdauungstrakt des Tieres ist bemerkenswert. Mit seinem Rüssel und Schlund erbeutet der fleischfressende Wurm andere Weichtiere, die er dann über seinen sich durch die gesamte Körperlänge erstreckenden Magen- und Darmtrakt verdaut.

Gefährliches Gift ...

Was den Schnurwurm für die Wissenschaft aber besonders interessant macht, ist sein Gift. Forschende der Universität Uppsala in Schweden haben entdeckt, dass der Meeresbewohner über ein erstaunlich potentes Toxin verfügt, wie das Wissenschaftsportal "Spektrum" berichtet. Der Wurm produziert einen giftigen Schleim, den er bei Gefahr absondern kann.

Dieses Gift dockt an die Natriumkanäle in den Zellmembranen von Wirbellosen an und hält diese kurzzeitig geöffnet – was rasch zur Lähmung des Opfers führt. In Labortests wirkte das Toxin tödlich auf verschiedene Insektenarten wie die Deutsche Schabe, die Taufliege und die als Bienenschädling bekannte Varroamilbe.

... aber nicht für den Menschen

Für Menschen ist das Gift allerdings ungefährlich. Die Forschenden vermuten, dass es selbst in höheren Dosen keine bleibenden Schäden bei Säugetieren verursacht. Das macht das Schnurwurmgift zu einem potenziellen Kandidaten für die Entwicklung umweltfreundlicher Insektizide.

Trotz seiner möglichen imposanten Grösse und seines Gifts müssen Urlauber aber keine Angst vor einer Begegnung mit dem Schnurwurm haben. Mit seinem nur wenige Millimeter breiten Rüssel kann er Menschen nicht gefährlich werden.

Die Wissenschaft hat bislang allerdings erst 17 Schnurwurmarten genauer untersucht – gerade einmal 1,5 Prozent aller beschriebenen Arten. Forschende vermuten, dass noch viele weitere interessante Entdeckungen auf diesem Gebiet zu machen sind. Insbesondere bleibt die Frage offen, wofür der Schnurwurm sein spezielles Gift in freier Wildbahn eigentlich einsetzt. (eyn)

Verwendete Quellen

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