In einer alten Atomanlage in South Carolina sind vier radioaktive Wespennester entdeckt worden. Menschen, die in der Nähe wohnen, sind laut US-Medien besorgt. Gibt es Grund dafür?

In den Sandhügeln von South Carolina nahe der Grenze zu Georgia liegt die Savannah River Site – eine Anlage, in der Materialien für Atomwaffen hergestellt wurden. Unter anderem kamen dabei jahrzehntelang Plutonium und Tritium zum Einsatz. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Produktion eingestellt. Ab 1996 wurde das Gelände saniert – fertig werden sollen die Arbeiten erst bis 2065. Und: Ab 2030 sollen dort sogenannte Plutonium-"Pits", Kerne von Atomwaffen, produziert werden.

Plutonium und Tritium

  • Plutonium ist ein radioaktives, chemisches Element mit dem Symbol Pu und der Ordnungszahl 94. Es ist ein Schwermetall und gehört zur Gruppe der Actinoide. Plutonium wird hauptsächlich in Kernreaktoren und für Kernwaffen verwendet.
  • Tritium ist ein radioaktives Isotop des Wasserstoffs mit dem Symbol ³H oder T. Es besteht aus einem Proton und zwei Neutronen. Tritium wird in der Kerntechnik, als Leuchtmittel und in der Kernfusion verwendet.

Bei den Arbeiten am Gelände machten Arbeiter Anfang Juli einen interessanten Fund: Sie entdeckten an einem Pfosten in der Nähe eines Tanks, in dem Atommüll gelagert wird, ein radioaktives Wespennest. Laut der "Washington Post" war die Strahlenbelastung zehnmal höher als der von den Bundesbehörden festgelegte Grenzwert.

Später wurden drei weitere Nester gefunden. Das teilte eine Sprecherin des Energieministeriums vergangene Woche in einer E-Mail mit, wie unter anderem die "New York Times" berichtet.

Wespennester als radioaktiver Abfall entsorgt – Einwohner in Sorge

Wie die US-Zeitung weiter berichtet, wurden die Wespennester laut Bundesbehörden besprüht, um die Wespen zu töten, und dann als radioaktiver Abfall in Säcke verpackt. "Der Boden und die Umgebung waren nicht kontaminiert", so die Behörden. Die Wespen selbst seien mit einem Insektizid getötet worden. Die Situation sei unter Kontrolle.

Einwohner zeigten sich laut der "Washington Post" dennoch besorgt über die Funde. Demnach befürchten sie, dass es ein unentdecktes Leck geben könnte. Edwin Deshong, Leiter des Amtes für Umweltmanagement am Savannah River Site, betonte, die Wespennester hätten "sehr geringe radioaktive Kontamination" aufgewiesen. Sie stellten keine Gefahr für die Gesundheit der Arbeiter, der Anwohner oder der Umwelt dar, sagte er weiter.

Die Frage, wie die Wespennester kontaminiert wurden, ist noch nicht eindeutig beantwortet. Derzeit gibt es in Savannah River Site 43 aktive unterirdische Abfalltanks, die mehr als 34 Millionen Gallonen radioaktiver flüssiger Abfälle enthalten. Die ältesten davon weisen laut dem Anlagenbetreiber "kleine Haarrisse" auf, die zu geringfügigen Leckagen führten.

Nuklearwissenschaftlerin und Radioökologin geben Entwarnung

Gegenüber der "Washington Post" gab auch Kathryn Higley, Professorin für Nuklearwissenschaft und -technik an der Oregon State University, Entwarnung. Die Entdeckung der Wespennester stelle wahrscheinlich keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, sagte sie. Die kontaminierten Wespennester seien wohl eher ein Ärgernis für die Techniker, die sich um sie kümmern müssen, als eine Gefahr für die Techniker oder die Menschen in der Nähe.

Auch für die Umwelt stelle "ein kleiner lokaler Hotspot keine grössere Gefahr dar", erklärte sie. "Ich gehe davon aus, dass man versucht, die Quelle der Kontamination zu finden. Diese könnte sehr subtil sein."

Nicole Martinez, Radioökologin an der Clemson University, mutmasste gegenüber "The Post and Courier", "dass die Wespen einen schönen Klumpen Schlamm gefunden haben, der zufällig kontaminiert war, und diesen für ihren Bau verwendet haben". Sie betonte: "Insekten sind sehr widerstandsfähig gegen Strahlung." Selbst wenn die Wespen selbst radioaktiv würden, sei es unwahrscheinlich, dass sich diese Kontamination in nennenswertem Umfang auf andere Tiere ausbreiten würde, sagte sie.

Eine ähnliche Vermutung äusserte auch Clemens Walther vom Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Leibniz Universität Hannover gegenüber dem "Spiegel". Wespen könnten in Gebäude fliegen, sagte er. "Also könnten sie auch Material aus schwer zugänglichen oder noch nicht dekontaminierten Bereichen geholt haben." Auch könnten die Wespen eine kontaminierte Raupe gefressen oder an kontaminierter Rinde gekaut haben.

Wie die meisten Expertinnen und Experten gibt auch Walther Entwarnung: Fälle wie die Wespen würden zwar Aufmerksamkeit erregen, aber in der Regel keine akute Gefahr darstellen.

US-Biologe nennt radioaktive Wespennester ein "Warnsignal"

Anders sieht das Timothy Mousseau, Biologe an der University of South Carolina. Er äusserte gegenüber der "New York Times" Bedenken. Die Entdeckung werfe Fragen über das Ausmass der Umweltverschmutzung an diesem Standort auf, sagte er. "Dies ist ein Indikator dafür, dass in diesem Gebiet Schadstoffe verbreitet sind, die nicht vollständig eingeschlossen und geschützt sind." Laut dem Biologen müssten weitaus grössere Anstrengungen unternommen werden, um die möglichen Risiken und Gefahren dieser Quelle radioaktiver Schadstoffe zu bewerten.

"Die grösste Sorge ist, ob es grosse Gebiete mit erheblicher Kontamination gibt, die in der Vergangenheit der Überwachung entgangen sind."

Timothy Mousseau, Biologe an der University of South Carolina

Die radioaktiven Wespennester und ihre Bewohner stellten zwar wahrscheinlich keine direkte Gefahr für die Öffentlichkeit dar, allerdings sieht Mousseau andere potenzielle Risiken. "Die grösste Sorge ist, ob es grosse Gebiete mit erheblicher Kontamination gibt, die in der Vergangenheit der Überwachung entgangen sind", sagte er. "Alternativ könnte dies darauf hindeuten, dass neue oder alte unerwartete radioaktive Kontaminationen an die Oberfläche gelangen."

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Ein Problem: Wespen entfernen sich in der Regel nicht weit von ihren Nestern, aber auch Vögel könnten mit kontaminiertem Material in Kontakt gekommen sein. Laut einer Mitteilung des Energieministeriums war im Jahr 2017 bereits radioaktiver Vogelkot auf den Dächern eines Gebäudes am Savannah River Site gefunden worden.

Vögel könnten Radioaktivität über weite Strecken transportieren und so in der Landschaft verbreiten, befürchtet Mousseau. Er bezeichnete die radioaktiven Wespennester deshalb auch als "Warnsignal" – und forderte eine verstärkte Überwachung und Untersuchung.

Verwendete Quellen