Es klingt nach Science-Fiction: Knochenbrüche per Kleber in kürzester Zeit heilen. Was hinter dem von chinesischen Wissenschaftlern entwickelten Verfahren steckt.

Es könnte eine medizinische Revolution sein: Forschende des Sir Run Run Shaw Hospitals in Hangzhou haben "Bone-02" entwickelt, eine Art Klebstoff, der Frakturen stabilisieren und heilen soll.

Wie die "Global Times" zuerst berichtete, soll der "Knochenkleber" "zertrümmerte Knochenfragmente verbinden" – und das in nur wenigen Minuten. Die Substanz wird per Injektion an die Stelle, an der der Knochen gebrochen ist, angebracht und entfaltet dort ihre Wirkung.

Keine Metallplatten oder Schrauben mehr

Sogar bei komplizierteren Frakturen soll "Bone-02" erfolgreich angewendet werden können. Wo früher also Metallplatten oder Schrauben zum Einsatz kamen, können laut Lin Xianfeng, stellvertretender Chefarzt der Orthopädie am Sir Run Run Shaw Hospital und Leiter der Studie, ein oder mehrere Brüche per Spritze geheilt werden.

So benötigen Patienten in der Regel keine langwierige Operation, es ist lediglich ein drei Zentimeter langer Schnitt notwendig, um den Kleber an der richtigen Stelle zu platzieren.

Inspiriert von Austern

Auf die Idee des Klebstoffs für Knochenbrüche kam Lin Xianfeng bei einer Beobachtung: Der Mediziner betrachtete Austern, die an einer Brücke unter Wasser hafteten.

Inspiriert vom sogenannten Muschelkleber funktioniert der "Bone-02" auch in feuchter, blutreicher Umgebung des menschlichen Körpers. Verantwortlich für die stark haftende Wirkung ist ein Protein, das die Aminosäure Dihydroxyphenylalanin – auch DOPA genannt – enthält.

Erste Labortests vielversprechend

Labortest bestätigten ein hohes Mass an Wirksamkeit. Zudem könne der Kleber auf natürliche Weise vom Körper abgebaut werden, berichtet das chinesische Forschungsteam. Nachuntersuchungen hätten gezeigt, dass der Bruch rund drei Monate nach der Injektion vollständig verheilt sei.

Auch Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP forschen an einer Art Gewebekleber, der die Eigenschaft von Muscheln nachahmt. "DOPA sorgt für eine äusserst effektive Haftung. Diese Eigenschaft haben wir auf unseren Klebstoff übertragen, indem wir Polymere synthetisiert haben, die den Baustein Dopamin enthalten, ein chemisches Analogon von DOPA", erklärt Wolfdietrich Meyer, Wissenschaftler am Fraunhofer IAP, in einer Pressemitteilung.

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Der dopaminbasierte Klebstoff lasse sich mit verschiedenen Additiven, wie Apatit-Partikeln – eine Substanz, aus der Zähne bestehen –, Proteinen und Signalmolekülen versetzen, die wiederum das Wachstum von Knochenzellen fördern und als Beschichtungsmaterial etwa für Titanimplantate verwendet werden können.

Ehe der "Knochenkleber" flächendeckend zum Einsatz kommen kann, sind erst noch grössere Studien notwendig.

Verwendete Quellen