Die EU-Kommission will im Zollstreit mit den USA trotz der überraschenden Verdopplung von US-Zöllen weiter verhandeln – doch der Ton wird schärfer. Deutsche Unternehmen sorgen sich angesichts der Eskalation um ihre Investitionen in den USA.

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EU-Chefverhandler Maros Sefcovic hofft im Zollstreit mit den USA weiter auf eine baldige Lösung, auch wenn Washington jüngst den Druck erneut erhöht hat. Der für Handel zuständige EU-Kommissar Sefcovic teilte nach einem Treffen mit dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer in Paris mit: "Wir gehen mit Tempo in die richtige Richtung." Er sprach von einer produktiven und konstruktiven Diskussion. Auch Greer äusserte sich positiv.

Die EU habe den Vereinigten Staaten einen glaubwürdigen Ausgangspunkt für die Handelsgespräche geliefert, "und ich freue mich, dass die Verhandlungen rasch vorankommen", teilte Greer nach dem Treffen mit dem Europäer mit. Das Gespräch in Paris sei sehr konstruktiv gewesen und zeige die Bereitschaft der EU, mit den USA an einer Lösung zu arbeiten.

Dabei war am Morgen europäischer Zeit eine weitere Eskalation im Streit in Kraft getreten - eine von US-Präsident Donald Trump angekündigte Verdopplung der Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium. Seitdem gilt für Importe in die USA ein Satz von 50 Prozent – zuvor waren es 25 Prozent gewesen.

Eskalation hat EU-Kommissar überrascht

Vor Journalisten sagte Sefcovic, dass die Verdoppelung eine Überraschung gewesen sei. Er habe Greer gesagt, dass die EU diese Entwicklung bedauere und "dies den laufenden Verhandlungen eindeutig nicht zuträglich ist". Die EU exportiere hoch spezialisierten Stahl, der wichtig für die US-Industrie sei. Entsprechend sind die neusten Zölle laut EU auch schlecht für US-Unternehmen und Verbraucher.

Die aggressive US-Handelspolitik bereitet aber auch deutschen Firmen Kopfschmerzen. "Was wir derzeit beobachten, ist eine regelrechte Zickzack-Politik der US-Regierung. Das schürt Unsicherheit, hemmt Investitionen und verunsichert selbst langjährig etablierte Unternehmen", sagte der Aussenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, in Berlin.

Er bezog sich auf eine internationale Befragung von 4.600 deutschen Unternehmen im März und April, darunter mehr als 100 mit Standorten in den USA: Nur noch 14 Prozent der befragten deutschen Unternehmen in den USA rechnen mit einer konjunkturellen Verbesserung in den kommenden zwölf Monaten – im Herbst 2024 lag dieser Wert bei 38 Prozent.

USA auch mit China im Clinch

Neben der EU hat US-Präsident Trump auch den Druck auf China erhöht. Er möge den chinesischen Präsidenten Xi Jinping zwar, schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. "Aber er ist sehr hartnäckig, und es ist extrem schwer, einen Deal mit ihm zu machen", hiess es darin weiter.

Zuletzt machten sich beide Seiten Vorwürfe, Abmachungen nicht eingehalten zu haben oder weiter Beschränkungen zu erlassen. Zwischen den beiden grössten Volkswirtschaften der Welt herrscht nach einer Einigung Mitte Mai zwar eine Pause im zuvor heissgelaufenen Zollstreit. Doch zuletzt hatten die USA zum Ärger Pekings die Lieferung wichtiger Turbinenteile nach China blockiert und versucht, Chinas Zugang zu wichtiger Chip-Technologie einzuschränken.

Worauf Trump mit dem jüngsten Beitrag in seinem Netzwerk reagierte, war zunächst nicht klar. Anfang der Woche hiess es, er und Xi könnten diese Woche noch telefonieren.

Trump will mehr Vorteile für die USA

Trump will mit den Zöllen nach eigenen Angaben Handelsungleichgewichte korrigieren und die heimische Industrie stärken. Die Erhöhung der Abgaben dürfte Importe erschweren und zu höheren Preisen führen. Ökonomen erwarten spürbare Auswirkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher – etwa beim Kauf von Autos, Küchengeräten oder Konserven.

Die USA waren Stand 2024 nach der EU der weltweit grösste Stahlimporteur. Wichtigste Herkunftsländer sind laut US-Regierung Kanada, Brasilien und Mexiko – unter den zehn grössten Exporteuren in die USA ist auch Deutschland. Nach Angaben des deutschen Branchenverbands Wirtschaftsvereinigung Stahl sind die USA der wichtigste Absatzmarkt für die europäische Stahlindustrie. Aluminium beziehen die USA vor allem aus Kanada, den Vereinigten Arabischen Emiraten, China und Südkorea.

Trump hat bereits zahlreiche Zölle verhängt oder angedroht, um aus seiner Sicht vorteilhaftere Handelsvereinbarungen zu erzwingen. Einige davon wurden juristisch angefochten – die neuen Abgaben auf Stahl und Aluminium sind davon aber nicht betroffen.

Wie reagiert Europa?

Unklar ist bislang, wie die EU reagieren wird. Die EU-Kommission hatte Trumps Ankündigung am Wochenende scharf kritisiert und eine Reaktion noch vor dem Sommer angedroht. Chefverhandler Sefcovic bekräftigte in Paris, dass es Gegenmassnahmen geben werde, sollte es zu keiner Verhandlungslösung kommen. Als Affront wird das Vorgehen vor allem wegen der zuletzt intensivierten Verhandlungen um eine Beilegung des Handelsstreits gewertet.

Sollte Trump bei den verdoppelten Zöllen bleiben, könnte die EU kurzfristig Gegenzölle verhängen. Die Mitgliedstaaten hatten bereits im April den Weg dafür freigemacht. Zusätzliche Abgaben könnten unter anderem US-Produkte wie Jeans, Motorräder, Rindfleisch oder Zitrusfrüchte treffen. Auch Massnahmen auf Industrie- und Agrargüter wie Autos, Süsskartoffeln und Whiskey werden erwogen. (dpa/bearbeitet von skr)