Israel plant eine Ausweitung des Kriegs im Gazastreifen. Zunächst war nur von der Einnahme der Stadt Gaza im Norden die Rede - doch nun nennt Israels Premier Netanjahu ein weiteres Ziel.
Israels neuer Kriegsplan sieht laut Ministerpräsident
In einer Mitteilung seines Büros war zuvor nur davon die Rede gewesen, dass das Militär die Einnahme der Stadt Gaza vorbereiten werde.
"Unser Ziel ist es nicht, Gaza zu besetzen. Unser Ziel ist es, Gaza zu befreien – von den Hamas-Terroristen", sagte Netanjahu. "Angesichts der Weigerung der Hamas, ihre Waffen niederzulegen, bleibt Israel keine andere Wahl, als den Job zu Ende zu bringen und die Niederlage der Hamas abzuschliessen".
Rund 70 bis 75 Prozent des Gazastreifens stünden unter Israels Militärkontrolle. "Doch zwei Hochburgen bleiben bestehen" - die Stadt Gaza und die Flüchtlingslager im Zentrum des Küstengebiets. Das sei "der beste Weg, den Krieg zu beenden – und der beste Weg, ihn rasch zu beenden", fügte der Ministerpräsident hinzu.
Netanjahu und Trump sprechen über Kriegsplan
In diesen Gebieten werden auch die letzten 50 Geiseln in den Händen der Hamas vermutet. Nach israelischer Einschätzung sollen 20 von ihnen am Leben sein. Netanjahu sprach mit US-Präsident
Der Zivilbevölkerung werde es zunächst ermöglicht, die Kampfgebiete zu verlassen und sich in "sichere Zonen" zu begeben, sagte Netanjahu zuvor ausländischen Journalisten. Dort würden sie ausreichend Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung erhalten.
Angaben dazu, wie nach der Einnahme der Stadt Gaza bei den zentralen Lagern vorgegangen werden soll, machte er nicht. Heimischen Medien sagte Netanjahu, er wolle den Krieg "so schnell wie möglich" beenden. "Deshalb habe ich die israelischen Streitkräfte angewiesen, den Zeitplan für die Einnahme der Stadt Gaza abzukürzen." Konkreter wurde er nicht.
Keine Angaben zum Zeitplan
Die Stadt Gaza ist das grösste Bevölkerungszentrum im nördlichen Teil des Gazastreifens. Rund eine Million Palästinenser halten sich dort dicht gedrängt auf - rund die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Der Rest haust im Zeltlager Al-Mawasi im Südwesten sowie in Flüchtlingsvierteln im mittleren Gazastreifen.
Medien zufolge dürfte die Armee für die Vorbereitungen des Einsatzes zwei Monate brauchen. Sie müsste dafür Hunderttausende Reservisten einberufen. Viele von ihnen sind nach gut zwei Jahren Krieg erschöpft. Die Armee müsste ausserdem verschlissenes Kriegsgerät zunächst reparieren oder ersetzen.
Der Generalstab werde die "Grundideen" für den Einsatz gegen die Stadt Gaza bis Ende der Woche billigen, berichtete das israelische Nachrichtenportal "ynet". Armeechef Ejal Zamir steht Medienberichten zufolge dem Vorhaben skeptisch gegenüber.
Kritiker der geplanten Ausweitung des Militäreinsatzes, unter ihnen die meisten Angehörigen der Geiseln, befürchten, dass dieser das Leben der Entführten gefährden würde. "Was uns Netanjahu heute aufgetischt hat, bedeutet, dass Geiseln und Soldaten sterben werden, dass die Wirtschaft zusammenbrechen wird und dass unser internationales Ansehen ruiniert sein wird", schrieb der israelische Oppositionsführer Jair Lapid auf der Plattform X.
Heftige Kritik an Israel im UN-Sicherheitsrat
Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats gab es heftige Kritik an Israels Vorgehen. Mehrere europäische Staaten verurteilten die Pläne zur Ausweitung des Krieges. "Wir fordern Israel dringend auf, diese Entscheidung zu überdenken und nicht umzusetzen", sagte der slowenische UN-Botschafter Samuel Zbogar vor Sitzungsbeginn. Israel wies Kritik zurück. Man habe keine Pläne, Gaza dauerhaft zu besetzen, sagte der stellvertretende UN-Botschafter Brett Jonathan Miller. "Das ist eine Befreiung von einem brutalen Terrorregime."
Netanjahu verwies in Israel vor den ausländischen Journalisten auf die vom Sicherheitskabinett beschlossenen Prinzipien zur Beendigung des Krieges: die Entwaffnung der Hamas, die Freilassung aller Geiseln, die Entmilitarisierung des Gazastreifens, die militärische Kontrolle des Küstengebiets durch Israel und die Errichtung einer Israel gegenüber friedlich gesonnenen Zivilregierung ohne eine Beteiligung der Hamas oder der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA).
Al-Dschasira: Korrespondent in Gaza getötet
Unterdessen berichtete der arabische TV-Sender Al-Dschasira, bei einem israelischen Luftangriff seien der Korrespondent des Senders und vier Kollegen getötet worden. Anas al-Scharif und seine Kollegen seien bei einem gezielten Angriff auf ein Zelt für Journalisten in der Stadt Gaza umgekommen.
Israels Militär bestätigte den Tod von Anas al-Scharif. Er habe sich als Al-Dschasira-Journalist ausgegeben, aber eine Terrorzelle der Hamas angeführt. Der Sender erklärte dazu, Israel habe keine von unabhängigen internationalen Stellen verifizierten Unterlagen vorgelegt, die diese Behauptung belegen würden.
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Israels Armee verwies dagegen auf nachrichtendienstliche Informationen und im Gazastreifen gefundene Dokumente, die die militärische Zugehörigkeit von Anas al-Scharif zur Hamas belegten. Er sei verantwortlich für Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und Soldaten gewesen.
Ausländischen Journalisten ist der Zutritt zum Gazastreifen seit Kriegsbeginn weitgehend verboten. Einheimische Reporter berichten aber von vor Ort. Immer wieder gibt es Berichte über Journalisten, die bei israelischen Angriffen getötet wurden. (dpa/bearbeitet von pak)