Die Hamas liess ihn sein eigenes Grab schaufeln: Das Video des ausgemergelten Evyatar David hat die Welt schockiert. Seine Geschwister klammern sich an die Hoffnung, ihn lebend wiederzusehen, genau wie der Vater der deutsch-israelischen Hamas-Geisel Itay Chen, der an die Bundesregierung appelliert.

In ihrer Verzweiflung, aber auch in der Hoffnung, ihre Lieben lebend in die Arme schliessen zu können, wenden sich Angehörige der mutmasslich noch lebenden Hamas-Geiseln an die Öffentlichkeit, auch an die deutsche. "Die Hamas benutzt meinen Bruder als ein lebendes Experiment", sagte Ilay David der "Bild". Sein Bruder Evyatar David ist eine jener israelischen Geiseln, die in vergangene Woche von der Hamas veröffentlichten Videos zu sehen sind. Der 24-Jährige ist bis auf die Knochen abgemagert, man sieht, wie er in einem Tunnel der Terrororganisation im Gazastreifen ein Grab ausschaufelt. Die Botschaft ist klar: es könnte sein eigenes werden.

Ilay David auf einem Foto aus dem vergangenen Jahr. © picture alliance/empics/Victoria Jones

"Sie lassen ihn absichtlich verhungern, um Propaganda zu betreiben. Unser Bruder stirbt langsam vor den Augen der ganzen Welt, und die Hamas denkt, dass ihnen diese Aufnahmen etwas nutzen würden", so Ilay David. "Es zerreisst mir mein Herz, meinen Bruder so zu sehen. Ich erkenne ihn nicht wieder", ergänzt seine Schwester Ye'ela im Gespräch mit dem Reporter. Ihre Mutter und Ilay hätten sich geweigert, die Videos anzuschauen, weil sie sich sicher waren, sie nicht verkraften zu können.

251 Menschen hatte die Hamas am 7. Oktober 2023 in ihre Gewalt gebracht. 50 kamen nur als Leichname zurück. 50 sind noch in den Fängen der Terrororganisation, wovon nach israelischer Einschätzung lediglich 20 noch am Leben sind.

Vater: Geiseln "haben keine weiteren sechs Monate. Vielleicht nicht einmal sechs Tage"

Ruby Chen glaubt trotz anderslautender Geheimdienstinformationen, dass sein Sohn Itay zu letztere Gruppe gehört. Er und seine Frau Chagit seien nach den jüngsten Hamas-Videos erneut nach Berlin gereist, um die Bundesregierung zum Handeln aufzufordern, erzählte er im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Er setze dabei vor allem "grosse Hoffnungen" in Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

Bisher habe sich Deutschland zu wenig für das Schicksal seiner eigenen Staatsbürger engagiert, kritisiert der Vater. Deutschland müsse sich "anstrengen und aktiv werden", anstatt auf die Vermittler zu setzen, fordert er. Er erwarte, dass "diese deutsche Regierung versteht, dass Rom und die anderen Geiseln keine weiteren sechs Monate haben", sagt Chen mit Bezug auf Rom Braslavski, der ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft hat und den die Islamisten wie Evyatar David in einem ihrer neuesten Propagandavideos vorgeführt haben. "Sie haben wahrscheinlich keine sechs Wochen oder vielleicht nicht einmal sechs Tage."

Neben Rom und Itay sind noch fünf weitere Deutsche unter den Geiseln: Ziv Berman, Gali Berman, Tamir Adar, Alon Ohel und Tamir Nimrodi, zählt Ruby Chen auf.

Itay Chen wollte andere Israelis vor der Hamas beschützen

Weil er nicht nur israelischer, sondern auch deutscher Staatsbürger ist, hätte Itay mit 18 nach Deutschland gehen können, sagt sein Vater. "Er hätte studieren können. Aber die Grosseltern sind Holocaust-Überlebende, also verstehen wir, was es bedeutet, einen jüdischen Staat zu haben, also entschied er sich, zur IDF zu gehen."

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Die Demonstranten und Angehörigen von Geiseln marschierten am Samstag zur US-Botschaft in Tel Aviv und forderten die Aushandlung eines umfassenden Abkommens, um den Gaza-Krieg endlich zu beenden.

Am Tag der Hamas-Angriffe war Itay mit anderen Soldaten der israelischen Armee IDF in einem Panzer, um die von der Hamas angegriffenen Orte zu verteidigen. Seitdem fehlt von dem damals 19-Jährigen jede Spur.

Neben der juristischen Aufarbeitung des Hamas-Angriffs fordert Chen auch wirtschaftliche Konsequenzen für die Drahtzieher des brutalen Angriffs auf israelische Dörfer, Städte und ein Musikfestival. So könne Deutschland etwa aktiver werden, was Sanktionen gegen die Hamas und ihre Unterstützer angeht.

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Ilay David hofft auf Rettung "im letzten Augenblick"

Auf der diplomatischen Ebene sieht Chen neben Deutschland auch die EU am Zug. Vor Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung müssten aber "zuerst die Geiseln freikommen, die Lebenden wie die Toten". Damit die Familien heilen und ihre Liebsten betrauern können.

Nicht nur er und seine Frau bangten um Itay, erzählt Ruby Chen, sein Sohn habe auch eine Freundin, "die ihn liebt und auf ihn wartet". Sie wollen die Hoffnung nicht aufgeben, genau wie Ilay David. "Ich werde davon angetrieben, dass mein Bruder doch noch im letzten Augenblick gerettet werden kann." (mcf)

Verwendete Quellen