Ein eindringlicher Appell, der Gewicht hat: Eine Allianz ehemaliger israelischer Sicherheitschefs fordert von der Regierung Netanjahu mit ungewöhnlich deutlichen Worten ein sofortiges Ende des Gaza-Kriegs.

Die Hardliner um Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wollen den Krieg gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen ausweiten. Doch die Mehrheit der Israelis lehnt das ab – darunter eine Gruppe, die aus den vielen Kritikern heraussticht.

Wie unter anderem die "Times of Israel" berichtet, haben am Sonntag zwei ehemalige Generalstabschefs der israelischen Armee und nahezu alle noch lebenden Ex-Direktoren des Auslandsgeheimdienstes Mossad, des Militärgeheimdienstes Aman und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet sowie ehemalige Polizeipräsidenten mit deutlichen Worten an Netanjahu appelliert: "Stoppen Sie den nutzlosen Krieg, bringen Sie die Geiseln sofort zurück", zitiert der "Spiegel" aus der Videobotschaft.

Zusammengenommen hätten sie "mehr als 1.000 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik", unterstreichen die 19 ehemalige Sicherheitschefs ihre Kritik am Vorgehen der Regierung Netanjahu in Gaza. Eine Minderheit kontrolliere die Politik Israels, sagen sie – gefährlich, aus ihrer Sicht.

Ex-Geheimdienstchef: "Dies ist kein gerechter Krieg mehr"

"Dieser Krieg hat als ein gerechter Krieg begonnen", sagte der ehemalige Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ami Ajalon. Es sei zunächst ein Verteidigungskrieg gewesen. "Aber nachdem wir alle militärischen Ziele erreicht haben, nachdem wir einen glänzenden militärischen Sieg über alle unsere Feinde erzielt haben, ist dies kein gerechter Krieg mehr." Dem Staat Israel drohe nun der Verlust seiner Sicherheit und seiner Identität.

"Wir stehen vor einer Niederlage", warnte der ehemalige Mossad-Chef Tamir Pardo. Mehrere der Repräsentanten sagten, Israel werde von einer fundamentalistischen, extremistischen Regierung angeführt, die nicht mehr den Rückhalt der Mehrheit habe. Sie forderten eine Rückführung aller 50 Geiseln in einem einzelnen Schritt. Auch der ehemalige Generalstabschef und Ministerpräsident Ehud Barak gehört zu der Gruppe von prominenten Kritikern.

Videos von abgemagerten Geiseln, die seit dem 7. Oktober 2023 in der Gewalt der Hamas sind, hatten am Wochenende die Welt, vor allem aber natürlich die Menschen in Israel, schockiert. Doch während sich Netanjahu dadurch in seiner Position bestätigt sieht, dass die Freilassung der Geiseln nur durch einen militärischen Sieg gegen die Hamas zu erreichen ist, drängt die Mehrheit der Menschen im Land auf ein Ende des Krieges. In einer Umfrage des Fernsehsenders Kanal 12 sprachen sich weniger als ein Drittel der Befragten für die Besetzung des Gazastreifens durch Israel aus. Fast zwei Drittel unterstützten die Forderung, alles dafür zu tun, um die Geiseln schnellstmöglich zurückzubringen.

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Kiesewetter fordert Initiative zur Entwaffnung der Hamas

Deutschland ringt unterdessen weiter mit seiner Position zu Israels Vorgehen im Krieg. "Warum führt Deutschland nicht eine Initiative zur Entwaffnung der Hamas an – unter Einbindung der arabischen Staaten, die sich gegen die Hamas gestellt haben?", fragt der CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter Richtung Bundeskanzler Friedrich Merz und Aussenminister Joahnn Wadephul (beide CDU). "Das wäre wesentlich sinnvoller, als einseitig Israel zu kritisieren und gerade in der Stunde der Bewährung unsere Staatsräson als leere Worthülse dastehen zu lassen", meint Kiesewetter.

Anderen geht die Kritik der deutschen Regierung an Israels Gaza-Politik indes nicht weit genug. Die Bundesregierung müsse über "Massnahmen" gegenüber Israel nachdenken, wenn das Land in den kommenden Tagen nicht für eine bessere Versorgung der Menschen im Gazastreifen sorgt, sagte die stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Siemtje Möller, die vergangenen Woche mit Wadephul in Israel war, dem "ZDF-Morgenmagazin". So müsse etwa zumindest eine Teilaussetzung des Assoziierungsabkommen in Erwägung gezogen werden. Auch rechtsextreme Kabinettsmitglieder könnten gelistet werden. "Ohne diesen Druck bewegt sich die israelische Regierung ganz offensichtlich nicht." (mcf)

Verwendete Quellen:

Teaserbild: © dpa / Jehad Alshrafi/AP/dpa