Ein Polizist bekam feuchte Augen, eine Kassiererin berichtete vom Klopapier-Diebstahl im Supermarkt: Frank Plasberg liess bei "Hart aber fair" ganz unterschiedliche Menschen aus ihrem Leben während der Corona-Pandemie berichten – und das konnte sich trotz fehlenden verbalen Krawalls sehen lassen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Einen Tag nach dem viel kritisierten Auftritt von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der bei "Anne Will" gegen den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und die Virologen-Zunft gewettert hatte, setzte Frank Plasberg bei "Hart aber fair" auf einen weniger zugespitzten Sendeablauf.

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Politiker waren nicht eingeladen. Stattdessen berichteten Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen über ihren Alltag in der Corona-Krise.

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Was ist das Thema bei "Hart aber fair"?

Was tut der Musiker, der auf absehbare Zeit keine Konzerte spielen kann? Wie geht es der Kassiererin, die sich tagtäglich einem gesundheitlichen Risiko aussetzen muss? Wie soll der Polizist mit eineinhalb Metern Abstand Verdächtige kontrollieren? Frank Plasberg sprach mit seinen Gästen darüber, wie das Coronavirus ihren Alltag verändert hat. Eine Talkshow ohne Politiker und ohne ablenkendes Profilierungsgehabe. Das Thema bei Hart aber fair: "Das Virus und wir: Wie erleben Menschen unser Land in der Corona-Krise?"

Wer sind die Gäste?

Wolfgang Niedecken: Im März 2021 wird der Frontmann der Kölner Band BAP 70 Jahre alt. Eigentlich wollte er da auf Tour sein, um das neue Album vorzustellen. "Wir mussten alle Pläne ändern", sagte Niedecken, der die Pandemie in seinem Häuschen mit Garten in einer privilegierten Situation abwartet, wie er betonte. Angst vor dem Virus habe er nicht. Der Liedermacher sorgt sich aber, weil der Ton in der Gesellschaft wieder aggressiver werde, auch in der Politik. Ein kleiner Seitenhieb auf die hitzige Diskussion bei Anne Will am Vorabend.

Martin Schröder: Der Soziologe vom Institut für Soziologie der Philipps-Universität Marburg erklärte, dass das Gefühl des Kontrollverlusts in Zeiten staatlicher Grundrechts-Einschränkungen für viele Menschen viel schlimmer empfunden werde als Arbeitslosigkeit. Die Unzufriedenheit der Menschen könnte in den kommenden Wochen noch grösser werden, wenn es zum Beispiel weiter nicht erlaubt ist, in die Lieblingskneipe zu gehen, warnte der Zufriedenheitsforscher.

Dr. Susanne Herold: Die Professorin für Infektionskrankheiten der Lunge am Universitätsklinikum Giessen muss momentan ohne viel Schlaf und Freizeit auskommen. Sie machte den Zuschauern vorsichtig Hoffnung, dass die Verbreitung des Virus im Sommer etwas zurückgehen könnte.

Die Medizinerin machte sich aufgrund der verhältnismässig entspannten Situation in deutschen Krankenhäusern dafür stark, auch nicht lebensnotwendige Operationen wieder durchzuführen. Kritik am derzeitigen Einfluss von Virologen und Infektiologen konterte Herold mit der Feststellung, dass am Ende "die Politik entscheidet".

Jolanta Schlippes: Die Supermarkt-Kassiererin hat sich trotz der schwierigen Lage ihren Humor bewahrt. Das ändert nichts daran, dass sie beim Arbeiten schwierige Situationen erlebt, wie sie erzählte: Kunden klauen anderen das Klopapier aus dem Wagen, ein älterer Mann drängelt sich an der Schlange vorbei ohne den Sicherheitsabstand zu wahren und löst einen kleinen Tumult aus. Insgesamt seien die Kunden aber "sehr diszipliniert", so Schlippes, die keine Angst vor einer Ansteckung hat. Privat verzichtet sie momentan auf Körperkontakt mit ihrem Sohn – was ihr sehr schwer fällt.

Martin Feldmann: Der Polizeioberkommissar aus Berlin beobachtet eine gewisse Lockdown-Müdigkeit bei den Menschen. "So langsam versuchen sich die Leute immer mehr rauszunehmen. Mittlerweile wird mehr diskutiert." Bei der Arbeit kann der Staatsdiener im Übrigen nicht immer den Sicherheitsabstand einhalten. Bei der Kontrolle von Drogendealern, aber auch im Streifenwagen mit den Kollegen, sei das unmöglich.

Helmuth Köhnlein: Der Kneipenbesitzer aus Köln steht vor einer unsicheren Zukunft. Der Familienvater weiss nicht, ob er die finanzielle Durststrecke überstehen kann. Auch eine Öffnung mit Auflagen würde ihm nicht gross helfen. Wenn seine Läden nicht richtig voll sind, sind sie nicht rentabel. Mit Mundschutz und Abstandspflicht in der Kneipe? "Das ist undenkbar", sagte Köhnlein.

Was war der Moment des Abends?

Martin Feldmann ist von Corona nicht nur beruflich betroffen. Der Polizist hat eine dreijährige Tochter in Thüringen, die er momentan nicht mehr abholt, um sie und ihr Umfeld keiner Gefahr auszusetzen. Keine Umarmungen, kein Kuscheln, kein gemeinsames Malen und Spielen, nur Videoanrufe. "Das schmerzt", sagte Feldmann mit feuchten Augen.

Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?

Der Gastgeber beschränkte sich darauf, seinen Gästen einfach nur zuzuhören, hin und wieder eine ergänzende Frage zu stellen und darauf zu achten, dass jeder genug Redezeit bekam. Eine der wenigen Gelegenheit zum Nachhaken ergab sich, als die Medizinerin Susanne Herold das aktuell beschleunigte Verfahren bei klinischen Studien erklärte. "Ist das gefährlich für die Patienten?", wollte Plasberg wissen. Sein Gegenüber beruhigte ihn, die Regeln würden trotzdem genau befolgt.

Was ist das Ergebnis?

Die Menschen in Deutschland sind ganz unterschiedlich von der Corona-Pandemie betroffen. Die einen hocken in ihrem Häuschen und können mit einem finanziellen Polster im Rücken weiter an ihrer Musik arbeiten. Die anderen sitzen an der Supermarktkasse und setzen sich jeden Tag einem gesundheitlichen Risiko aus. Wieder andere verzichten sogar auf den direkten Kontakt mit ihrem Kind, wie der Polizist Martin Feldmann.

Es war eine Sendung ohne Krawall, ohne lautstarkes Rededuell, einfach nur zum Zuhören. Das Wettstreit um die besten Argumente gehört zu den Talkshows natürlich dazu und manchmal muss und soll es auch heiss her gehen. Das kann sogar sehr unterhaltsam sein. Dennoch wünscht man sich, dass die unaufgeregten, informativen Sendungen nach dem Ende der Pandemie nicht gänzlich aus dem Fernsehen verschwinden.

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