Russland attackiert die benachbarte Ukraine seit Jahren mit Drohnen und Raketen. Dass nun wohl auch Kiew die Erlaubnis hat, tief in russisches Territorium zu schiessen, sieht der Kreml als Eskalation. Der deutsche Aussenminister will das nicht so stehen lassen.

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Russland hat als Reaktion auf eine Äusserung von Bundeskanzler Friedrich Merz eine Aufhebung von Reichweitenbegrenzungen für westliche Waffen in der Ukraine kritisiert. Dies seien "ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Lieferung weitreichender Waffen an die Ukraine liefe "den Bemühungen Moskaus um eine politische Lösung zuwider", betonte er.

Zuvor hatte Merz erklärt, es gebe "keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten noch von den Franzosen noch von uns, von den Amerikanern auch nicht".

Es ist nicht klar, ob Merz' Äusserungen einen neuen Sachstand darstellen oder ob er auf die bereits seit letztem Herbst bekannten Einsätze westlicher Raketen gegen russisches Gebiet abhebt.

Wadephul kontert russische Kritik an Ukraine-Unterstützung

Aussenminister Johann Wadephul weist russische Kritik an der Aufhebung der Reichweitenbeschränkung deutscher Waffen für die Ukraine strikt zurück. "Es hat jetzt mehrere Aufforderungen und Gelegenheiten gegeben, an den Verhandlungstisch zu kommen für den russischen Präsidenten und er hat sie ausgeschlagen", sagte der CDU-Politiker bei einem Treffen mit seinem portugiesischen Kollegen Paulo Rangel in der Hauptstadt Lissabon. "Wir haben immer klar angekündigt, dass dieses Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben wird", fügte Wadephul hinzu.

Die Bundesregierung habe "immer deutlich gemacht, dass wir die Ukraine unterstützen werden in dem Verteidigungskampf gegen den russischen Aggressor", sagte Wadephul. Deutschland werde im europäischen Rahmen über Sanktionen zu entscheiden haben, er werde das Thema auch bei seinem Besuch in den USA mit dem dortigen Kollegen Marco Rubio erörtern. Deutschland werde die Ukraine militärisch weiterhin so unterstützen, "dass sie sich zur Wehr setzen kann und verhindern kann, dass der russische Aggressor seinen Krieg erfolgreich fortsetzt".

Wadephul: Keine Aussagen über Taurus-Lieferung

Grundsätzlich gelte das, was Bundeskanzler Friedrich Merz schon bei mehreren Gelegenheiten gesagt habe, fügte Wadephul auf die Frage, ob die Zeit reif sei zur Lieferung weitreichender deutscher Taurus-Marschflugkörper, hinzu: "Wir werden über einzelne Waffen-Systeme keine Aussagen machen." Die Bundesregierung werde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin "nicht die Gelegenheit geben, zu wissen, was wir konkret tun". Der Minister ergänzte: "Es wird verantwortungsvoll sein, aber es wird so sein, dass die Ukraine sich wirkungsvoll verteidigen kann."

Die USA haben der Ukraine ATACMS-Raketen geliefert, Grossbritannien und Frankreich Marschflugkörper von Typ Shadow Storm/Scalp. In Deutschland wird über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern mit einer Reichweite von 500 Kilometern diskutiert.

Deutsche Waffen reichen nicht weiter als 85 Kilometer

Der Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von etwa 85 Kilometern und die Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von etwa 35 Kilometern sind die einzigen deutschen Waffen, mit denen die ukrainische Armee Ziele hinter der Frontlinie treffen kann.

"Ziemlich gefährlich" – Kreml reagiert auf Merz-Äusserung
Ein Raketenwerfer MARS II hat eine Reichweite von etwa 85 Kilometern. © dpa / Sebastian Gollnow/dpa

Den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern, mit dem selbst Moskau erreicht werden könnte, hat Berlin bisher nicht geliefert. Die USA, Frankreich und Grossbritannien haben den ukrainischen Streitkräften dagegen Raketen mit einer Reichweite von teilweise mehr als 250 Kilometern zur Verfügung gestellt, die Medienberichten zufolge schon gegen russisches Territorium eingesetzt worden sein sollen.

Direkte Gespräche ohne wirklichen Durchbruch

Nach einer jahrelangen Funkstille haben sich russische und ukrainische Unterhändler Mitte Mai auf Druck aus den USA erstmals wieder zu Gesprächen um eine Beendigung des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Kriegs gegen die Ukraine getroffen. Vereinbart wurde allerdings nur ein grosser Gefangenenaustausch. Forderungen nach einer bedingungslosen Waffenruhe lehnt Moskau ab.

In den vergangenen Tagen hat das russische Militär zudem die wohl stärksten Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn gegen ukrainische Städte gestartet. Anzeichen für ein Abrücken von den Maximalforderungen und die Suche nach einem Kompromiss sind auf russischer Seite nicht zu erkennen. (dpa/bearbeitet von cgo)