Inter-Held Francesco Acerbi hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Eine Krebserkrankung rettet ihm einst die Karriere – jetzt steht der Verteidiger mit 37 Jahren im Finale der Champions League.

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Um 22:52 Uhr brachte Francesco Acerbi das altehrwürdige San Siro zum Beben. In der dritten Minute der Nachspielzeit hatte der beinharte Verteidiger, den zu diesem Zeitpunkt nichts mehr in der Defensive hielt, das Tor zum 3:3-Ausgleich gegen den FC Barcelona erzielt. In vollkommener Ekstase riss er sich das Trikot vom Körper und liess sich vom frenetischen Publikum im Giuseppe-Meazza-Stadion feiern. Und das zurecht.

Francesco Acerbi nach seinem Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit.
Francesco Acerbi nach seinem Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit. © IMAGO/IPA Sport/ABACA

Denn mit seinem Treffer in letzter Minute rettete er Inter Mailand in die Verlängerung, in der sich die Italiener letztendlich durchsetzen konnten. Die "Nerazzurri" stehen nach zwei denkwürdigen Halbfinals gegen die Katalanen im Finale der Königsklasse – auch und vor allem dank Acerbi.

Bereits zuvor stand Acerbi im Rampenlicht, der Italiener geriet mit Barca-Star Inigo Martínez aneinander – womöglich, weil Acerbi nach einer provokanten Jubelgeste vom Spanier bespuckt wurde, wie mehrere Clips auf Social Media suggerieren.

2013 bekam Acerbi die Schockdiagnose Hodenkrebs

Auch am Dienstagabend zeigte sich einmal mehr: Acerbi ist der Mann der vielen Geschichten. Der 37-Jährige blickt auf eine bewegte und emotionale Vergangenheit mit vielen Höhen und Tiefen zurück.

2013, noch relativ zu Beginn seiner Karriere, erhielt Acerbi bei einer Untersuchung seines damaligen Vereins Sassuolo die Schockdiagnose Hodenkrebs. Kurz danach wurde der bösartige Tumor bei einer Operation entfernt, doch wenig später kehrte er wieder zurück. Acerbi musste sich in der Folge einer Chemotherapie unterziehen.

"Manchmal ass ich gar nichts und ich schlief auch nicht."

Francesco Acerbi über die Zeit der Chemotherapie

Für Acerbi dürfte es die wohl schwerste Zeit seines Lebens gewesen sein. Während der Chemotherapie liess sich der Italiener völlig gehen. Er feierte die Nächte durch, ass kaum etwas und verlor nach und nach die Kontrolle über sein Leben. Später schildert er die Zeit eindrücklich und gleichzeitig beklemmend: "Manchmal ass ich gar nichts und ich schlief auch nicht", sagte er der "Zeit" zufolge.

Während der Therapie bekam Acerbi ein bestimmtes Hormon für einen besseren Genesungsprozess verabreicht. Jedoch versäumte er es, dieses bei einer Dopingkontrolle anzugeben – in der Folge wurde Acerbi kurzzeitig gesperrt, ein weiterer Rückschlag für den Abwehrspieler.

Der Krebs rettete Acerbi laut eigener Aussage das Leben

Laut eigener Aussage soll Acerbi eines Nachts erschrocken aufgewacht sein: "Plötzlich dachte ich an all die Sorgen, die ich meinen Eltern bereitet hatte, an all die verpassten Gelegenheiten und die durchzechten Nächte. An diesem Morgen hatte ich Angst vor meinem eigenen Schatten." In der Folge suchte Acerbi erstmals einen Therapeuten auf.

Zur Wende kam es dann an einem Sonntagnachmittag, als Acerbi ein Nickerchen machte, um für den allabendlichen Party-Marathon Kraft zu tanken: "Ich hatte einen seltsamen Traum. Es war, als wären mein Vater und Gott ein und dieselbe Person, die mich zur Besserung drängte. Ich weinte und erkannte, dass der Krebs eine Chance war. Ich hatte wieder etwas, gegen das ich kämpfen konnte."

Acerbis Vater Roberto war 2012 nach mehreren Schlaganfällen gestorben, für Sohn Francesco ein schwerer Schicksalsschlag. Umso vielsagender war der Traum für ihn. Später sagte Acerbi, der laut eigener Aussage ernsthaft überlegt hatte, mit dem Fussballspielen aufzuhören: "Der Krebs hat mir das Leben gerettet. Dafür danke ich Gott."

Anschliessend änderte Acerbi seinen Lebensstil radikal, die durchzechten Nächte wichen hartem Training, statt Alkohol gab es Wasser. Es sollte sich auszahlen.

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Acerbi: Europameister 2021 – und Champions-League-Sieger 2025?

Denn mit der Zeit nahm Acerbis Karriere an Fahrt auf. 2018 wechselte er zu Lazio Rom, wo er sich zu einem der besten Verteidiger der Serie A entwickelte. In dieser Zeit feierte er auch mit der Nationalmannschaft den bisher wohl grössten Erfolg seiner Karriere. 2021 wurde er mit der "Squadra Azzurra" Europameister.

Auf sein bis dato wohl grösstes Hoch folgte einige Jahre später ein weiteres Tief: Im März 2024 sah sich Acerbi schweren Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt. Im Spiel zwischen Inter und Neapel soll er den Brasilianer Juan Jesus rassistisch beleidigt haben. Acerbi wies die Vorwürfe vehement zurück. Daraufhin wurde er aus dem Kader der italienischen Nationalmannschaft gestrichen. Es blieb jedoch bei Vorwürfen, nachgewiesen werden konnten Acerbi die rassistischen Aussagen nie.

Nun, über ein Jahr später, könnte er sich mit Inter Mailand auf Klub-Ebene mit dem Champions-League-Titel krönen. Am 31. Mai steigt das Finale in München. Es wäre eine weitere Geschichte des Mannes der vielen Geschichten.

Verwendete Quellen