Peter Neururer kümmert sich im VDV-Trainingslager um vereinslose Profis. In diesem Jahr waren auch prominente Namen dabei. Wir haben mit Neururer gesprochen.
Für viele Profis endet die Karriere nicht mit einem pompösen Abschiedsspiel, sondern still und ohne Öffentlichkeit. Statt Jubel gibt es oft eine zermürbende Suche nach einem neuen Klub, die nicht selten erfolglos bleibt.
Für vertragslose Profis ist das Camp der Spielergewerkschaft VDV deshalb mehr als nur ein Trainingslager. Es ist die grosse Chance, sich noch einmal in den Fokus zu spielen, am Traum vom Profifussball festzuhalten. Die Erwartungen sind hoch, denn laut der Gewerkschaft schaffen über 80 Prozent den Sprung zurück, erhalten einen neuen Vertrag.
Trainer-Legende Peter Neururer kümmert sich seit Jahren im Sommer ehrenamtlich als Coach um die Spieler, die sich über diesen Weg empfehlen wollen. In diesem Jahr standen 23 Spieler auf seiner Liste, darunter auch prominente Namen: Lucien Littbarski (22), Sohn von Weltmeister
Lucien Littbarski "charakterlich top, fussballerisch stark"
Sein Auftrag: Die Spieler unter Profibedingungen "in eine körperliche Verfassung zu bringen, damit sie imstande sind, ihre Leistung abzurufen. Sie haben tägliche Einheiten und dazu auch Spiele vor den Augen von Sportdirektoren, Trainern und Scouts absolviert", erklärt Neururer. Das Trainingslager fand im Juli statt, vereinslos ist das genannte Trio aktuell immer noch.
Dabei wäre vor allem für Littbarski und Sarpei eigentlich deutlich mehr drin. Der variabel einsetzbare offensive Mittelfeldmann Littbarski spielte zuletzt in der Regionalliga für Viktoria Berlin. 27 Mal kam er zum Einsatz, allerdings nur neun Mal von Beginn an.
Am Ende stand der Abstieg. "Lucien ist ein Riesentyp, charakterlich top, fussballerisch stark, hatte sich aber im letzten Jahr den falschen Verein ausgesucht. Er hat zudem Pech gehabt: muskuläre Probleme in der Vorbereitung haben ihn zurückgeworfen", sagt Neururer.

Das Trainingslager habe er zwar komplett durchgezogen und auch gespielt, aber eben nicht auf dem Niveau, das er normalerweise bringe, verrät Neururer. "Für mich gehört er auf Dauer in den Profifussball. Er hat das Talent, um sicher in der 2. Bundesliga zu spielen – vorausgesetzt, er bleibt fit und hat einen Trainer, der auf seinen Spielertyp setzt."
Warum spielt Kingsley Sarpei Regionalliga?
Kingsley Sarpei kennt Neururer aus seiner Zeit als Sportvorstand beim Regionalligisten Wuppertaler SV. "Damals habe ich mich schon gefragt, warum er in der Regionalliga unterwegs ist", sagt Neururer. Zuletzt spielte der Rechtsaussen drei Jahre für den Liga-Konkurrenten Fortuna Köln, "doch plötzlich hat er keinen Vertrag mehr. Passiert mal, aber passiert nicht, wenn er seine Möglichkeiten ausspielen würde", sagt Neururer.
22 Einsätze absolvierte Sarpei in der vergangenen Saison, allerdings nur sechs von Beginn an. Insgesamt waren es in den drei Jahren auch verletzungsbedingt lediglich 40.
Neururer sieht auch die Spieler in der Pflicht. "Wenn ich sehe, was für fussballerische Fähigkeiten die Jungs haben, sage ich als ehemaliger Bundesliga-Trainer: 'Jungs, Irgendetwas kann bei euch nicht stimmen'. Warum spielen sie nicht in der Bundesliga oder in der 2. Liga?", fragt Neururer, um es dann selbst zu beantworten: "Weil sie es nicht abrufen. Da müssen sich die Jungs auch selbst überprüfen. Das versuchen wir ihnen auch klarzumachen." Bei der heutigen Spielergeneration scheint das ein grundsätzliches Problem zu sein, wie Neururer kritisiert, denn "Selbstkritik findet man sowohl in der Bundesliga als auch in der Regionalliga sehr selten."
Kim Sané "ist nicht Leroy"
Etwas anders ist es bei Kim Sané, der seine Karriere zwischen 2017 und 2022 unterbrach, um sich im American Football und in der Leichtathletik auszuprobieren. Zuletzt stand er beim KFC Uerdingen, der nach einer erneuten Insolvenz aus der Regionalliga in die Oberliga absteigen musste, unter Vertrag. Dort spielte er aber keine Rolle. Bei dem 30-Jährigen wird es aufgrund seines Alters nicht mehr darum gehen, eventuell höher zu spielen, sondern noch einmal auf Regionalliga-Niveau unterzukommen.
"Kim ist ein aussergewöhnlicher Fussballer mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten. Er ist aber eben nicht Leroy", sagt Neururer. "Er hat seine eigene Spielweise, seinen eigenen Stil. Auch er hätte höher spielen müssen. Warum das nicht so ist, wissen nur die Spieler selbst", sagt der 70-Jährige.
Liegt es möglicherweise auch am bekannten Nachnamen, der vielleicht eine Bürde ist? Das will Neururer so pauschal nicht stehen lassen. "Wenn sie es irgendwann mal geschafft haben, ist es schwierig", sagt er. Neururer hat es selbst mit Stephan Beckenbauer erlebt, den er Anfang der 1990er Jahre beim 1. FC Saarbrücken trainierte. "Er wurde verglichen mit seinem Vater, dem Übervater. Und bei dem Vergleich konnte er immer nur schlechter aussehen". Der Name könne also belastend sein, "aber er kann manchmal auch Türen öffnen. Es ist aufgrund des Nachnamens nicht automatisch alles negativ", stellt Neururer klar.
Trio weiterhin auf Vereinssuche – wie geht es weiter?
Dafür ist die aktuelle Lage der drei Profis wenig positiv. Sie sind weiterhin auf der Suche nach einem neuen Klub. "Im Moment können sie nur warten, ob Bedarf da ist", weiss Neururer. Doch die Trainer-Legende hilft weiter, bleibt mit den Spielern in Kontakt. Und Neururer gibt seine Empfehlung ab, wenn ein Verein oder ein Spielerberater bei ihm anrufen sollte.
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Und wenn gar nichts geht? Dann hilft die Spielergewerkschaft weiter. Die Spieler können dann auf eine Berufsberatung zurückgreifen, wobei es dabei auch um Themen wie Vorsorge und Absicherung geht. Auch ein Sportpsychologe steht als individueller Ratgeber zur Verfügung. Denn die Erfolgsquote mag bei über 80 Prozent liegen. Das bedeutet aber auch, dass es gut 20 Prozent nicht schaffen.
Über den Gesprächspartner
- Peter Neururer ist ein ehemaliger Bundesliga-Trainer. Heute ist der 70-Jährige als Experte tätig.
Verwendete Quelle
- spielergewerkschaft.de: Teilnehmer des VDV-Proficamps