Gipfeltreffen als Familienduell: Beim Bundesliga-Kracher zwischen den Füchsen Berlin und MT Melsungen trifft Lichtlein auf Lichtlein.

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Bei den Heldentaten seines Onkels machte der kleine Nils grosse Augen. Gerade mal vier Jahre alt war der staunende Lichtlein-Sprössling, als Carsten "Lütti" Lichtlein das deutsche Wintermärchen 2007 mitbegründete und den WM-Pokal gewann. Heute, mehr als 18 Jahre später, könnte sich die Torwart-Legende mit der MT Melsungen im für Handballer biblischen Alter von 44 Jahren auch noch den Traum von der ersten deutschen Meisterschaft erfüllen – doch das will ausgerechnet Neffe Nils mit aller Macht verhindern.

Aus dem kleinen Steppke von damals ist eines der grössten Versprechen im Welthandball geworden. Nils Lichtlein ist Spielmacher und mit seinen 22 Jahren längst auch Impulsgeber in der deutschen Nationalmannschaft. Mit den Füchsen Berlin schickt er sich dieser Tage nun an, den Meistertitel erstmals an die Spree zu holen. Das Verrückte: Beim Liga-Showdown am Donnerstag (20 Uhr/Dyn) treffen die Lichtleins aufeinander – zum Familienduell um die Schale.

"Natürlich ist es komisch, gegen seinen Neffen zu spielen", sagt der 22 Jahre ältere Carsten Lichtlein. Das Spiel stehe aber im Vordergrund, "und es geht um die Meisterschaft, da könnte ich das Duell mit Nils während der 60 Minuten ausblenden. Ich denke, wir beide wissen, was auf dem Spiel steht – und nicht nur wir, sondern beide Vereine." Einen Favoriten gebe es angesichts der Punktgleichheit an der Ligaspitze nicht. "Aber ich hoffe", so Nils Lichtlein, "dass die Heimkulisse uns hilft. Wir haben alles selbst in der Hand."

Carsten Lichtlein hatte seine Karriere eigentlich vor drei Jahren beendet

Allein die Tatsache, dass Carsten Lichtlein, Bruder von Nils' Mutter, am Donnerstag noch dabei sein wird, mutet sensationell an. Seine Karriere, die mit grossen Erfolgen in der Nationalmannschaft wie dem WM-Gold und zwei EM-Titeln (2004 und 2016) gepflastert ist, hatte er vor drei Jahren eigentlich schon beendet. Doch als die Not in Melsungen aufgrund von Verletzungen zu gross wurde, sprang "Lütti" Ende April im Europacup noch einmal ein und avancierte direkt zum Matchwinner.

Auch beim Final-Four um die European League am vergangenen Wochenende erhielt Lichtlein wieder reichlich Spielanteile. Durchaus möglich also, dass der Routinier, eigentlich Torwart-Trainer in Melsungen, auch am Donnerstag wieder in die Heldenrolle schlüpft. Lichtlein hofft darauf, nicht eingreifen zu müssen, denn dann würde MT-Stammkeeper Adam Morawski ein starkes Spiel machen. "Sonst wäre ich natürlich bereit", betont er.

Partie birgt Brisanz auf vielen Ebenen

Die Partie in der Max-Schmeling-Halle birgt Brisanz auf vielen Ebenen. Es ist ein Spiel mit Final-Charakter, das alles (vor)entscheiden könnte. Berlin, das den besten Angriff der Liga stellt, und Melsungen, das über die beste Abwehr verfügt, liegen punktgleich an der Spitze. Dem Sieger winkt bei dann noch drei ausstehenden Spielen die jeweils erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte, dem Verlierer droht dagegen das Verpassen der Champions League, da hinter den beiden Topteams der SC Magdeburg mit nur einem Zähler Rückstand lauert.

"Das ist das Brutalste, was die Liga in den letzten Jahren gesehen hat", sagte Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning: "Ich kann nur jedem raten, am Donnerstag den Fernseher einzuschalten." Allein schon wegen des Familienduells. (SID/bearbeitet von lh)