Niko Samsonidse tritt in MMA-Kämpfen unter dem Kampfnamen "One Love" auf. Im Interview erklärt er, wie das in einen Sport hineinpasst, der alles andere als liebevoll wirkt und wie er den Kampfsport in seiner Arbeit mit Jugendlichen nutzt.

Ein Interview

Kämpferklischees gibt es hier wenige zu finden: In der Reportage "Niko Samsonidse – Golden Boy der MMA", die aktuell bei RTL+ zu sehen ist, erzählt der 30-Jährige etwa, dass er eher nicht der Junge gewesen sei, der sich früher viel geprügelt habe. Auch heute gibt sich der studierte Sozialarbeiter ausserhalb des Rings alles andere als streitlustig, macht sich stattdessen Gedanken über die Definition von Gewalt und ernährt sich aus ethischen Gründen hauptsächlich vegetarisch. Auch sein Kampfname "One Love" will nicht so recht hineinpassen in die sonst eher martialische Welt des Kampfsports – oder etwa doch?

Herr Samsonidse, sie tragen den Kampfnamen "One Love". Wie viel Liebe steckt denn in einem MMA-Käfig?

Niko Samsonidse: Sehr viel! Beispielsweise, wenn man den gegenseitigen Respekt sieht, den die Kämpfer sich vor und nach dem Kampf zollen. Was ich ganz besonders finde, ist der Moment, den man miteinander teilt. Im Käfig sind wir auf eine bestimmte Art und Weise miteinander verbunden. Das ist etwas anderes, als wenn man miteinander Fussball spielt oder einen Kaffee trinkt. Im Wettkampf selbst geht es natürlich ums Gewinnen, keine Frage. Aber es ist ein Sport, bei dem Regeln eingehalten werden müssen, genauso wie bei anderen Sportarten auch. Wenn mein Gegenüber sich nicht mehr intelligent verteidigt, dann wird der Kampf gestoppt. Deshalb, auch wenn es paradox klingt: Es gibt im MMA durchaus Liebe und Respekt.

Niko Samsonidses Kampfname ist "One Love". © FUNKE Foto Services/Maurizio Gambarini

Wenn Sie sich im Oktagon teils brutale Kämpfe liefern, ist davon wenig zu sehen.

Es ist nicht primär mein Ziel, die andere Person zu verletzen. Das kann passieren, aber ich wünsche keinem meiner Gegner, dass er danach ein halbes Jahr ausser Gefecht gesetzt ist. Im besten Fall gewinne ich meinen Kampf und die Person gegenüber geht aus dem Käfig, ohne nachhaltig verletzt zu sein. Bei einem Vollkontaktsport kann so etwas natürlich passieren, aber bei einem Event mit zwölf Kämpfen, also 24 Teilnehmern, betrifft das in der Regel maximal zwei Leute.

Warum haben Sie sich den Kampfnamen "One Love" gegeben?

Er vermittelt das, was mir wichtig ist: jeder Person mit Respekt, mit Liebe zu begegnen, unabhängig von ihrem Beruf, ihrer Religion oder was auch immer. Mir wurden in meiner Kampfsportkarriere immer wieder eher martialisch klingende Spitznamen angehangen, die ich aber nicht so gefühlt habe. "One Love" hat sich richtig angefühlt, das ist etwas, was ich nach aussen tragen will. Auch wenn es eine Message ist, die man in erster Linie nicht mit Kampfsport verbindet.

Mixed-Martial-Arts (MMA)

  • Ursprünglich entstanden aus der Frage, welche Disziplin die wirksamste ist, sind die Mixed Martial Arts (zu deutsch: Gemischte Kampfkünste) eine Kombination vieler verschiedener Kampfsportarten. Kritisiert wird der Sport noch immer für seine brutale Gangart, weshalb TV-Übertragungen in Deutschland bis 2015 verboten waren und in einigen US-Bundesstaaten gar nicht gekämpft werden durfte. Dennoch boomt MMA weiter und füllt mittlerweile auch in Deutschland die Stadien. Als einer der grossen Veranstalter in Europa fungiert dabei OKTAGON MMA, während in den USA die UFC dominiert.

Ist das nicht eher Ihr Ideal als Realität in der Kampfsportszene?

Klar gibt es auch Trash Talk unter Konkurrenten oder Sportler, die diese Seite nicht so gerne zeigen. Aber bei eigentlich fast allen Kämpfen hat man diese Momente: Dass sich Leute nach dem Kampf in den Armen liegen, sich beieinander bedanken und sich gegenseitig Respekt zollen. Und nicht nur bei den Kämpfen, sondern in den Gyms ist das ein wichtiger Teil. Gerade weil man eben einen Kampfsport betreibt, der, wenn man nicht verantwortungsbewusst und respektvoll miteinander umgeht, destruktiv und verletzend sein kann.

Warum haben Sie sich trotzdem für den Sport entschieden?

Ich bin zufällig über einen Freund zum Sport gekommen. Aber diese sportliche Herausforderung, die Komplexität und die Vielfältigkeit von MMA haben mich von Beginn an gepackt.

Kein gewöhnliches Image eines MMA-Kämpfers

Sie pflegen ein eher ungewöhnliches Image. Stösst das auf viel Resonanz in der MMA-Szene?

Es ist sicher nicht das klassische Bild eines MMA-Kämpfers, wie man ihn sich vorstellt. Aber ich bekomme dafür eher positives Feedback. Hate habe ich noch nicht wirklich bekommen. Und es gibt durchaus Leute, die es toll finden, dass ich eine solche Message in diesem Sport vertrete.

"Im Endeffekt ist MMA ein reglementierter Sport, auf den sich beide freiwillig einlassen. Das ist ein grosser Unterschied zu einer Schlägerei auf der Strasse."

Niko Samsonidse

Sie haben Sozialarbeit studiert und arbeiten in Ihrem Kampfsport auch mit Kindern zusammen. Wie vermitteln Sie den Kindern den Unterschied zwischen Kampfsport und Gewalt?

Ich glaube, viele Menschen haben hier Vorurteile, weil sie nur die Highlights aus den Kämpfen sehen und denken: Das ist ja nur gewalttätig. Aber im Endeffekt ist MMA ein reglementierter Sport, auf den sich beide freiwillig einlassen. Das ist ein grosser Unterschied zu einer Schlägerei auf der Strasse. Es ist wichtig, auch mit den Jugendlichen auf solche Themen einzugehen, weil man im Training eben auf seinen Partner achten muss. Man bekommt sehr schnell ein Gefühl für die eigenen Kenntnisse und die des Gegenübers, allgemein ein besseres Körpergefühl und wird in Trainingskämpfen mit Sieg und Niederlage konfrontiert. Wenn es gut aufgearbeitet ist, lernen die Jugendlichen dadurch, sich zu kontrollieren. Und als Trainer muss ich auch selbst vorleben und thematisieren: Das, was wir hier machen, ist Sport und darf nicht ausserhalb genutzt werden.

Samsonidse: "Wichtig, dass Kinder ihre motorischen Fähigkeiten gut ausbilden"

Trotzdem: Viele sagen, ein Sport mit so hoher Verletzungsgefahr ist für Jugendliche gefährlich.

Es geht dabei nur ums Training – wir bewegen uns natürlich nicht in irgendwelchen Wettbewerben, wo bis zum K.o. gekämpft wird. Solange man sich in einem sicheren Surrounding befindet, sind die Verletzungsgefahren auch minimal. Es ist wichtig, dass Kinder ihre motorischen Fähigkeiten gut ausbilden – sei es mit MMA, im Ringen oder anderswo.

Sie haben eine längere Verletzungspause hinter sich. Es war nicht die erste Verletzungspause in ihrer Karriere. Wie haben Sie die Zeit genutzt?

Aus sportlicher Sicht konzentriere ich mich auf andere Aspekte, für die ich sonst nicht so viel Zeit habe. Ich hatte beispielsweise eine Handverletzung und habe deshalb viel Beinarbeit, Krafttraining und solche Sachen gemacht. Ansonsten habe ich viel Zeit mit der Familie verbracht, viel unterrichtet und versuche mein Wissen auch in Seminaren weiterzugeben.

Wie schafft man es, ohne Angst vor der nächsten Verletzung wieder ins Oktagon zu steigen?

Da ist wie auch sonst oft viel mentale Arbeit gefragt. Man sollte sich bewusstwerden: Ich habe auch im Training schon mit der Hand arbeiten können, also ist das kein Problem mehr. Man muss einfach Vertrauen fassen in sich und seinen Körper.

Samsonidse will in die UFC

Mit 30 Jahren sind Sie beim europäischen MMA-Veranstalter OKTAGON die Nummer eins in ihrer Gewichtsklasse. Welche Pläne haben Sie noch?

Mein Ziel ist es, den Titel zu holen und dann weiter zu gucken, was es für Angebote gibt. Ich würde auch gerne in der UFC mein Können unter Beweis zu stellen und zeigen, dass ich mich da überhaupt nicht verstecken muss.

Wie lange kann man als MMA-Kämpfer aktiv bleiben und wie lange wollen Sie?

Empfehlungen der Redaktion

Wollen: fünf bis sechs Jahre. Das Können hängt immer vom Körper ab, manche betreiben den Sport auch noch länger. Aber ich glaube, irgendwann ist es auch wichtig zu erkennen, dass es an der Zeit ist, das Ganze sein zu lassen. Ich will das jetzt noch fünf, sechs Jahre machen und dann ist es auch gut. Im Kontext soziale Arbeit und Kampfsport fällt mir auch schon einiges ein, was ich danach machen möchte.

Zur Person:

  • Niko Samsonidse ist 30 Jahre alt und wohnt mit Freunden in einer WG in Berlin. Bei der europäischen MMA-Organisation OKTAGON, deren Events in Deutschland bei RTL+ übertragen werden, kämpft er in der Gewichtsklasse Federgewicht (bis 65,8 Kilogramm) und steht dort auf Platz eins der Rangliste. Seinen letzten Profikampf gewann er im Februar 2025. Neben seiner MMA-Karriere leitet Samsonidse Seminare und trainiert mit Jugendlichen.