Wimbledon, das wohl bekannteste Tennisturnier der Welt, hat nach 148 Jahren ein traditionsträchtiges Detail abgeschafft. Der Tennissport soll dadurch fairer werden. Einige Spieler – und sogar einige Politiker – sind jedoch entsetzt.
Die charakteristischen Rufe "Out" und "Fault" kommen bei Wimbledon 2025 nicht mehr von Menschen in altmodischen Uniformen, die auf dem grünen Rasen in nächster Nähe als Unparteiische agieren: Nach 148 Jahren hat das wohl traditionsreichste Tennisturnier der Welt seine rund 300 Linienrichter durch ein KI-System ersetzt.
Wie "The Sun" und weitere britische Medien übereinstimmend berichteten, kommt es beim diesjährigen Wimbledon-Turnier stattdessen zur Premiere des "Hawk-Eye Challenge System".
Diese KI-gesteuerte Schiedsrichter-Technologie kann mit Hochgeschwindigkeitskameras und Algorithmen die Balltrajektorie der Tennis-Schläge live verfolgen – und das offenbar mit einer höheren Präzision als die des menschlichen Auges.
Tennis-Turnier von Wimbledon: Linienrichter werden nach 148 Jahren durch KI ersetzt
Laute Rufe wie "Out" ("Aus") oder "Fault" ("Fehler") sind auf dem heiligen Rasen von Wimbledon trotzdem weiter zu hören. Nur kommen diese nicht mehr von Linienrichtern vor Ort. Nein, die Stimmen des Hawk-Eye Challenge Systems, die laut ausgespielt werden, stammen fortan von Wimbledon-Mitarbeitern, darunter sogar von Tourguides.
"Die Entscheidung, Live Electronic Line Calling bei den Championships einzuführen, wurde nach einer umfangreichen Testphase getroffen", erklärte Sally Bolton, Geschäftsführerin des All England Lawn Tennis and Croquet Club, gegenüber der britischen Zeitung "The Standard".
"Der Zeitpunkt ist richtig, um diesen wichtigen Schritt für maximale Genauigkeit zu gehen."
Die Wimbledon-Chefin weiter: "Wir betrachten die Technologie als ausreichend robust. Der Zeitpunkt ist richtig, um diesen wichtigen Schritt für maximale Genauigkeit zu gehen."
Irritation an Tag eins: Carlos Alcaraz wollte Entscheidung des KI-"Linienrichters" anfechten
Die Umstellung sorgt jedoch für Irritationen. Laut "The Guardian" versuchten Titelverteidiger Carlos Alcaraz und sein Gegner Fabio Fognini, Entscheidungen anzufechten – offenbar unwissend, dass das Challenge-System, mit dem Linienrichter-Entscheidung angefochten werden konnten, ebenfalls abgeschafft wurde.
Auch die Weltranglisten-60. Yuan Yue beschwerte sich während ihres Auftaktspiels über die elektronische Ansage: "Ich kann es nicht wirklich hören, es ist etwas zu leise." Ihre Gegnerin, die Hamburgerin Eva Lys, störte sich offenbar nicht am Technologie-Wechsel: Die Deutsche zog in der Nachmittagshitze am Montag gegen Yuan in die nächste Runde ein.

Auch bei den Zuschauern gab es bislang gemischte Reaktionen. "Man löscht im Grunde die Geschichte und ersetzt sie durch eine leicht roboterhafte, animierte Stimme. Es ist alles ein bisschen betäubend", zitiert "The Guardian" einen Wimbledon-Fan: "Alles wird genauer, aber wir verlieren das menschliche Drama."
Britischer Politiker poltert auf Social Media: "Wir wollen unser Land zurück"
Richard Tice, ein englischer Politiker der rechtspopulistischen "Reform"-Partei, schrieb auf X: "Wir wollen unser Land zurück. Wir wollen die Linienrichter von Wimbledon zurück. Genug ist genug".
Für die ehemaligen 300 Linienrichter ist die Entwicklung besonders bitter. Nur 80 von ihnen wurden als "Match-Assistenten" übernommen. Sie sollen die Wimbledon-Spiele begleiten oder bei technischen Ausfällen einspringen.
Der 77 Jahre alte Brite Charles Falconer, der in diesem Sommer sein 50. Jubiläum als Wimbledon-Linienrichter gefeiert hätte, gehört leider nicht dazu.
Verwendete Quellen
- The Sun: OVER & OUT!
- The Standard: Why are there no line judges at Wimbledon this year?
- The Guardian: Farewell tradition, hello robots: Wimbledon adjusts to life without line judges