Der ARD-Dreiteiler "Forever Jan: 25 Jahre Jan Delay" beleuchtet den Werdegang eines der interessantesten deutschen Musiker vom Rapper zum Popstar. Manchmal wird es auch richtig unbequem.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In Musikdokumentationen gestaltet es sich oft schwierig, dem Künstler wirklich nahezukommen. Zu viele Akteure mischen sich ein: die Plattenfirma, das Management, Berater, der Musiker selbst. Das Resultat ist meist eine gnadenlose Lobhudelei, die lediglich Einblicke gewährt, welche den Protagonisten so darstellen, wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden möchte. Im Anschluss wird dennoch behauptet, alles sei "authentisch" – jenes allgegenwärtige Schlagwort, das seit der Dominanz der Sozialen Medien den öffentlichen Auftritt bestimmt.

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In "Forever Jan: 25 Jahre Jan Delay" ist das anders. In der letzten der drei Folgen, die seit dem 21. Mai in der ARD Mediathek abrufbar sind und am 24. Mai im Fernsehen ausgestrahlt werden, schildern eine Reihe Prominenter nacheinander vor der Kamera, wie Jan Delay sie mit seiner Direktheit konfrontiert hat.

Auf eine Produktion von Schauspieler Bjarne Mädel reagierte der Musiker mit: "Das hat mich nicht geflasht." Zu Regisseur Fatih Akin äusserte er nach Ansicht seines Films "Soul Kitchen": "Warum müssen in deutschen Filmen die Partys immer so whack sein?", also "lahm" oder "schlecht". Der Regisseur drehte die Szene noch einmal neu. Schon am Anfang der drei halbstündigen Folgen wird betont, Delay sei nicht nur "fröhlich" und "cool", sondern auch "komplex" und "kompliziert". Eine der Eigenschaften des Hip-Hoppers sei, dass er gnadenlos ehrlich ist – immer. Was ihm und seinem Umfeld auch Probleme bereitete.

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Aus dem besetzten Haus zum Hip-Hop-Jam

Der Film beginnt, wie bei Musikdokus üblich, mit dem Werdegang von Jan Eissfeldt. Obwohl seine Fans wissen, dass der Musiker in Hamburg in einem besetzten Haus aufgewachsen ist, ist es dennoch interessant zu sehen, wie er als Zehnjähriger in einem Film seiner Mutter bereits verkündet, einer seiner drei Wünsche sei, immer so zu bleiben, wie er ist. Dem Vater, der das als unrealistisch bezeichnet, entgegnet er direkt: Das sei sein Wunsch, und wenn es ihm nicht passe, sei das sein Problem.

Der Vater spielt Saxophon, die Mutter ist Fotografin – über sie gelangt Eissfeldt von Funk und Reggae zum Rap. Schon als Halbwüchsiger nimmt er mit dem Kassettenrekorder kurze Sequenzen auf und wiederholt sie, bis daraus etwas Neues entsteht.

Als Hip-Hop in Deutschland Fuss fasst, ist Jan Eissfeldt früh dabei. Seine Band Absolute Beginner entwickelt sich vom Underground-Act in Jugendzentren zu einem Pop-Phänomen, ohne dabei die sozialkritischen Aspekte zu vernachlässigen. Die ARD-Doku illustriert dies mit zahlreichen Bildern: der junge Eizi Eiz, wie sich Eissfeldt damals nannte, auf der Bühne, im Studio, auf Tour – festgehalten auf Super 8- und VHS-Kassetten, die den Beginn dieser Szene dokumentieren.

Als der Hamburger Hip-Hop zu kommerziell und der harte Migranten-Rap aus Berlin zur stärksten Kraft dieser Musikrichtung wird, verabschiedet sich Eissfeldt von der Szene und veröffentlicht ein Reggae-Album. Aus Eizi Eiz wird Jan Delay, weil er seine Fans nicht enttäuschen will, dass er jetzt auf einmal Pop macht. Danach folgen Funk und Rock und schliesslich irgendwie alles zusammen. Regisseur Fatih Akin sagt dazu in dem Film, Delay mache Musik, wie wenn er als DJ auflegt: alles, was er mag, gleichberechtigt nebeneinander, mit einer Band, die alles spielen kann.

Pop mit Haltung

Trotz des Erfolges bleibt Delay unbequem. Er spricht darüber, noch immer links zu sein und dass er nicht wolle, dass jeder seine Musik hört. Für die Menschen um ihn herum ist das nicht immer einfach. Als er 2014 in einem Interview den Schlagersänger Heino als Nazi bezeichnet, sorgt das für massive Anfeindungen von Rechten. Während Delay in der Dokumentation gelassen bleibt, sagt Manager Matthias Arfmann irgendwann gar nichts mehr, ihm versagen die Worte und er schaut auf den Boden. Seitdem liest er jedes Gespräch mit der Presse von Delay vorher gegen.

Diese intensiven Momente durchziehen alle drei Teile von "Forever Jan: 25 Jahre Jan Delay". Beispielsweise sitzen der Rapper und Udo Lindenberg einander gegenüber und imitieren abwechselnd ihre sehr speziellen näselnden Stimmen. Oder die Eltern von Delay berichten mit leuchtenden Augen, welche künstlerischen Erfolge ihr Sohn erzielt hat. "Forever Jan: 25 Jahre Jan Delay" bietet so einen spannenden und unterhaltsamen Einblick in die Karriere eines der abwechslungsreichsten deutschen Musiker. Nicht nur für Fans, sondern für jeden, für den Musik mehr darstellt, als das, was im Supermarkt aus dem Radio schallt. Ein Lebensgefühl, so wie für Jan Delay.