Serienkiller Berti Ottensamer hat eine Vorliebe für makabren Trachtenschmuck. Ein dummer Zufall sorgt dafür, dass er ausgerechnet die Tochter von Ex-Kommissarin Frederike Bader entführt, um seine Spuren zu verwischen.
Einen hübschen Knochen hat Berti Ottensamer da ergattert. Stammt vom kleinen Finger einer kleinen Spaziergängerin, die im Wald ihren kleinen Hund ausgeführt hat. Der Knochen muss nur noch ein bisschen zurechtgefeilt werden, und dann kommt er an den Gürtel. Berti hat in der Passauer Altstadt eine Werkstatt, in der er Charivari anfertigt, traditionelle Trachtenketten, die Lederhose oder Dirndl schmücken. Eigentlich hängen an so einem Charivari ausser Münzen und anderem Schmuck Teile von Tieren. Ein Stück Hirschgeweih zum Beispiel, oder Dachshaar. Berti Ottensamers Jagdtrophäen sind also eher unkonventionell, weshalb sein eigenes Charivari nicht in die falschen Hände gelangen sollte.
Aber genau das passiert zu Beginn von "Bis auf den Knochen" (Regie: Jan Fehse). Es ist die letzte Folge des Dreierpacks, mit dem an drei aufeinander folgenden Donnerstagen das fünfjährige Jubiläum des "Krimis aus Passau" gefeiert wird. Ungewöhnlich: Das Drehbuch hat Stammautor Michael Vershinin dieses Mal mit Co-Autor Robert Hummel ("Spuren") verfasst. Herausgekommen ist ein besonders gutes Beispiel dafür, was die Fälle rund um Ex-Kommissarin Frederike Bader (
Paranoide mütterliche Fürsorge aus gutem Grund
Bei einem Besuch im Biergarten prallt Ottensamer (Daniel Christensen) mit der radikalen Veganerin Tessa (Clara Vogt) zusammen. Um ihr zu imponieren, stiehlt Tessas Mitbewohner Franz (Alexander Gaida) dem rüden Bayern daraufhin seine Bauchkette. Doch als Ottensamer auf der Suche nach seinem Charivari in die Wohnung von Tessa und Franz eindringt, ist es die dritte WG-Bewohnerin, die ihm in die Quere kommt und die er kurzerhand in sein abgelegenes Waldhaus verschleppt: Mia Bader. Ausgerechnet die Tochter von Frederike Bader, deren mütterliche Fürsorge paranoide Züge anzunehmen pflegt – verständlich, wenn man die Vorgeschichte von Mutter und Tochter kennt, die ein Zeugenschutzprogramm aus Berlin in die bayerische Kleinstadt gebracht hat.
So ist es Frederike Bader, die Mias Verschwinden schon zum Untersuchungsfall erklärt, während Kollege Ferdinand Zankl – auch nicht ganz unberechtigt – erst einmal annimmt, dass die dickköpfige Mia einfach nur Ruhe von ihrer Mutter haben will. Und obwohl die Zuschauer, wie so oft beim "Krimi aus Passau", den Ermittlern gegenüber einen gehörigen Wissensvorsprung haben, bleibt "Bis auf den Knochen" spannend – nicht zuletzt, weil man dank der authentischen, mit Macken versehenen Charaktere immer mitfiebert.
Was macht einen authentischen Serienkiller aus?
Frederike Bader ist krank vor Sorge und deshalb ungeduldig, ungerecht, aggressiv – noch unleidlicher als sonst so oft. Keine überlegene Super-Kommissarin also, sondern eine unsympathische Einzelkämpferin, die Ferdinand Zankls hilfsbereite Freundschaft und verständnisvolle Engelsruhe kaum verdient hat. Wobei die Professionalität des gutmütigen Ex-Supermarktleiters wieder einmal zu wünschen übrig lässt.
Was die Authentizität von Berti Ottensamer angeht, stellt sich natürlich die schwierige Frage: Was macht einen authentischen Serienkiller aus? In Film, Funk und True-Crime-Podcast sind Serienkiller ja immer wahre Meuchel-Genies. Psychopathen, die so liebenswert durchs Leben laufen wie ein charmantes Tinder-Date oder ein vertrauenswürdiger Deutschlehrer.
Berti ist anders. Mit seinem Vollbart und der dunklen Filzjacke sieht er nicht nur aus wie ein Waldschrat, er guckt auch furchtbar grimmig und spricht nicht viel. Aber mit dem Morden hat Berti, wenn man sich seinen Gürtel so anschaut, so wenig Probleme wie jeder andere Serienkiller.
Die Dunkelheit des Waldes breitet sich aus
Anfangs erwischt man sich als Zuschauerin deshalb bei der makabren und ablenkenden Frage, warum Ottensamer sich so lange mit Mia aufhält. Selbst wenn er von ihr wissen will, wo sein Charivari ist. Würde ein grimmiger Serienkiller eine junge hübsche Frau nicht einfach umbringen, wenn er doch so aufgebracht ist?
Aber Berti ist eben tatsächlich anders. In "Bis auf den Knochen" herrscht viel Dunkelheit – es ist nicht nur die Nacht, die sich am Abend von Mias Verschwinden über Passau senkt, es ist, als ob Berti Ottensamers Waldeinsamkeit sich ausbreitet.
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Je mehr wir über ihn erfahren, desto glaubhafter wird die Geschichte. Selbst wenn auch dieser Fernsehkrimi auf die üblichen Mini-Rückblenden und küchenpsychologischen Blitzdiagnosen zurückgreifen muss, um Ottensamers Motivation zu erklären.
"Bis auf den Knochen" schafft es, dass man bis zum Schluss mitfühlt. Mit der gefangenen Mia. Mit ihrer verbissenen Mutter. Mit einem leicht überforderten Privatdetektiv. Und sogar mit Berti. Einem Serienkiller, der eigentlich nichts mehr zu verlieren hat.