Fast wäre er den Serientod gestorben, nun ist Patrick Kalupa als "Dr. Nice" wieder im Einsatz. Wir haben mit dem 45-jährigen Schauspieler über die besondere Rolle gesprochen.

Ein Interview

"Ein Arzt, der seine Fähigkeit verloren hat, ist wie ein Pianist, der nicht mehr Klavier spielen kann", sagt Patrick Kalupa. Dieses "wirklich heisse Thema" ist der Stoff, aus dem die erfolgreiche Arztserie "Dr. Nice" gemacht ist.

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Das ZDF zeigt drei der insgesamt sechs neuen Folgen ab dem 11.05. (immer sonntags um 20.15 Uhr). Die Staffel soll im Herbst mit den drei weiteren Episoden komplettiert werden.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht Kalupa über Vergleiche zwischen den Serien "Dr. Nice" und "Dr. House", seine persönlichen Marotten und einen Running Gag am Set in Flensburg.

Herr Kalupa, zunächst einmal finde ich es ziemlich "nice", dass Sie sich Zeit für das Interview nehmen …

Patrick Kalupa: Sehr gerne. Und ich finde es auch "nice", dass wir miteinander sprechen. Mit diesem Wortspiel, mit dem Sie das Interview eingeleitet haben, werde ich übrigens relativ oft konfrontiert – allerdings meistens aus Versehen. Tatsächlich ist der Begriff "nice" mittlerweile in den Sprachgebrauch vieler Menschen übergegangen. Es kommt häufig vor, dass jemandem am "Dr. Nice"-Set unbedacht ein Satz wie "Das ist aber nice!" rausrutscht.

Am Ende der 2. Staffel wären Sie als Dr. Moritz Neiss beinahe den Serientod gestorben. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Fangemeinde von dem Schock erholt hat?

Tatsächlich konnte "Dr. Nice" dem Tod noch einmal von der Schippe springen. Das war der grosse Aufreger der 2. Staffel, der aber relativ schnell wieder aufgelöst wurde. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die gute Nachricht noch nicht zu allen vorgedrungen ist – zumindest nicht zu den Leuten, die sich weniger intensiv mit der Reihe befassen. Zum Teil werde ich nämlich immer noch auf der Strasse mit den Worten "Ach, ich dachte, Sie wären tot" angesprochen. (lacht)

Sie spielen einen Chirurgen, der aufgrund eines Unfalls nicht mehr operieren kann. Trotz dieser tragischen Komponente lebt die Reihe vor allem von ihren komödiantischen Dialogen. Wie gross ist die Herausforderung, das zu spielen?

Keine Frage, der Spagat, den diese Figur machen muss und glücklicherweise machen darf, ist gross. Das ist aber auch dem Sendeplatz geschuldet. Dieser "Dr. Nice" muss so einiges bedienen. Das "Love Interest"-Motiv kommt bei ihm deutlich zum Vorschein. Zudem soll er einerseits ruppig und andererseits empathisch sein – von beidem aber bitte nicht zu viel. Da das Publikum die Gründe kennt, warum er manchmal etwas Gemeines sagt, mag man ihn trotzdem.

Sie spielen auf sein Schicksal an.

Genau. Ein Arzt, der seine Fähigkeit verloren hat, ist wie ein Pianist, der nicht mehr Klavier spielen kann. Das ist ein wirklich heisses Thema, weil darüber die Bewertung stattfindet. Viele Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr arbeiten können, fühlen sich oft nicht mehr wertig.

Und in diesem Fall haben wir es mit einem Chirurgen, also mit einem Spezialisten zu tun. Für "Nice" ist Medizin ein Lebenselixier. Nicht mehr operieren zu können, ist für ihn natürlich eine Katastrophe!

Sie sind gelernter Maurer und Betonbauer, haben diese Berufe aber nie ausgeübt. Fühlen Sie sich dem Arztberuf heute näher als Ihren beruflichen Anfängen?

Maurer und Betonbauer üben genauso wie Schauspieler und Chirurgen ein Handwerk aus. Da gibt es also durchaus Gemeinsamkeiten. Kürzlich durften wir im Unfallkrankenhaus Marzahn in der Handchirurgie drehen. Das Set wurde von uns nicht "gedresst". Alles wurde so belassen, wie wir es vorgefunden hatten – auch die Bilder, die dort an den Wänden hängen. Sie offenbaren einige interessante Einblicke, von Operationswunden bis zu einer gerichteten Hand. Und ich gebe zu, dass ich mir das schon gerne angeguckt habe. Ich würde zwar nicht so weit gehen und sagen, dass ich als Arzt geboren wäre, aber ein Grundinteresse ist vorhanden.

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Besteht mit Blick auf einen speziellen Charakter wie "Dr. Nice" nicht die Gefahr, dass er schneller auserzählt ist als andere Figuren?

Das würde ich so nicht unterschreiben. Die Frage ist eher, ob es noch ausreichend Geschichten gibt, die erzählt werden können. Auf "Dr. Nice" trifft das zu. Zum Beispiel finde ich hier das Frauen-Thema sehr spannend. Moritz Neiss hat seine Mutter sehr früh verloren und ist aufgrund dieser traumatischen Erfahrung immer noch auf der Suche nach einem Frauenbild. Das erklärt sein grundsätzliches Interesse an Frauen – auch das an der lesbischen Arzthelferin Charlie, die von Josefine Preuss gespielt wird. Es klingt komisch, aber sie ist für Moritz eine "sichere Frau". Denn bei ihr können ihm Sex und Liebe nicht in die Quere kommen.

Josefine Preuss hat in einem Trailer zur neuen Staffel verraten, dass es mehr nackte Haut von "Nice" zu sehen geben werde. Hat man hier einem Wunsch des Publikums entsprochen?

Natürlich bekommen wir viele Zuschauerzuschriften, doch die Menschen interessieren sich eher für andere Dinge. Eine der häufigsten Fragen lautet: "Woher sind die Schuhe und woher ist die Jacke, die 'Dr. Nice' trägt?" Leider kann ich diese Frage nicht einmal beantworten, weil die Labels herausgetrennt worden sind. Schliesslich sind wir beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Wie gehen Sie mit Vergleichen zwischen "Dr. Nice" und "Dr. House" um? Ist da was dran?

Ich weiss, dass es diese Vergleiche gibt. Bei uns im Team waren sie aber nie ein Thema, weil wir von vornherein etwas Neues schaffen wollten. Aber natürlich liegen Vergleiche auf der Hand, wenn man eine Serie mit einem merkwürdigen, eigenbrötlerischen Arzt als Protagonisten macht. Würde man eine ältere Dame in den Fokus stellen, die Mordfälle aufklärt, würde man ja auch sofort einen Zusammenhang zu "Miss Marple" herstellen. Es gibt diese Figuren, die irgendwann einmal einen Pfeiler gesetzt haben – und doch gibt es in der Regel deutliche Unterschiede.

"Dr. Nice"-Darsteller Patrick Kalupa über Vergleiche mit "Dr. House": "Ist ein ganz anderer Typ"

Welche wären das in diesem Fall?

"Dr. House" ist ein ganz anderer Typ. Auch er ist irgendwie herzlich, aber auf eine extrem stofflige Art. Ausserdem ist er sarkastischer. "Dr. Nice" hingegen ist stets bemüht, für andere Menschen etwas zu tun. Er hat einen guten Kern.

In den neuen Episoden erhält "Dr. Nice" Unterstützung von Hannes Jaenicke, der den Psychologen Dr. Jörgensen spielt. Möchte man mit diesem neuen Handlungsstrang einen Beitrag zur Enttabuisierung von mentalen Erkrankungen leisten?

Erst einmal ist Hannes Jaenicke ein absoluter Teamplayer, der sehr gut zu uns passt. Inhaltlich stimme ich Ihnen zu. Auch "Dr. Nice" zeigt zunächst eine gewisse Gegenwehr gegenüber diesem Therapeuten. Allerdings merkt er relativ schnell, dass ihm die Therapie hilft. Und so entsteht das Fundament für eine Art von "Bromance". Viele Menschen wissen, dass es ihnen nicht gut geht und dass sie eigentlich etwas dagegen tun sollten. Doch häufig scheitert es an der Umsetzung.

Davon ausgehend, dass jeder Mensch gewisse Marotten hat: Welche Ihrer Marotten ähneln denen von Dr. Moritz Neiss?

Es ist keine Marotte, aber wir sind beide relativ schnell im Kopf. Oft habe ich eine kecke Antwort auf eine komische Frage oder Situation parat. Allerdings bin ich nicht so unvorsichtig wie "Dr. Nice" und weiss im Gegensatz zu ihm auch ganz gut, wo meine Grenzen sind. Ich bin kein streitfreudiger Mensch.

"Ich bin eher der Typ, der einem Streit möglichst aus dem Weg geht."

Sind Sie harmoniebedürftig?

Das ist vielleicht ein bisschen zu viel. Ich bin eher der Typ, der einem Streit möglichst aus dem Weg geht. Das heisst aber nicht, dass ich konfliktscheu bin. Wenn es etwas zu verhandeln gibt, dann verhandele ich das auch, bis es geklärt ist. Dennoch fällt es mir manchmal schwer, andere Menschen darauf hinzuweisen, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Diesbezüglich bin ich genau das Gegenteil von "Dr. Nice".

Gedreht wird nicht nur in Ihrer Heimatstadt Berlin, sondern auch in Flensburg. Können Sie denn auch bei den Flensburgern punkten? Und damit meine ich nicht die Punkte, die in die "Verkehrssünderkartei" eingehen …

(lacht) Wenn wir in Flensburg drehen, fahren wir wirklich jeden Tag am Kraftfahrt-Bundesamt vorbei. Sollte also jemand von uns Punkte sammeln, kann er sie dort direkt abholen. Dieser Spruch ist mittlerweile zu einem Running Gag innerhalb des Teams geworden. Aber Spass beiseite: Die Flensburger haben uns wirklich grossartig aufgenommen. Ich persönlich habe die Förde und die gesamte Region schon richtig ins Herz geschlossen.

Über den Gesprächspartner

  • Patrick Kalupa spielte von 2010 bis 2012 in der Sat.1-Telenovela "Anna und die Liebe" die Serienhauptrolle Tom Lanford. Von 2017 bis 2019 ermittelte der gebürtige Berliner in "Die Rosenheim-Cops" als Kriminalhauptkommissar Christian Bach. Zudem war er in der RTL-Sitcom "Beste Schwestern" sowie der Serie "Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei" zu sehen.