"Fick mein Leben" oder eine Million Euro? Bei "The Summit" gibt es vor allem Drama, Zoff und Trash-TV-Profis, die schon nach wenigen Metern jammern.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Keine Frage, bei "The Summit" sind Profis am Werk. Bereits die Einleitung liefert alles, was Fans des schuldhaft-schaurigen Trash-TV-Genres erwarten: gnadenlose Natur, martialische Musik und Soundeffekte aus dem Handbuch für Filmemacher mit Blockbuster-Ambitionen, kommentiert von Manfred Lehmann, der deutschen Stimme von Bruce Willis.

Wer fehlt noch? Genau: gezielt zusammengestellte Promis, die ausserhalb der Reality-TV-Welt kaum jemand kennt. Influencer, mässig erfolgreiche Schauspieler, ehemalige Sportler. Schon direkt zu Beginn der ersten Folge wird am Boden gelegen und gejammert: "Ich bin vollkommen am Ende", "Ich habe so Schmerzen" ...

Mehr Trash-TV für Amazon Prime Video

Erdacht wurde "The Summit" von Endemol Shine Australia, das uns hierzulande "Big Brother", "Traumhochzeit" und die "Mini Playback Show" bescherte. Mit dem Start in Deutschland ist die Survival-Show mittlerweile in sieben Ländern vertreten. Ausgestrahlt wird sie ab dem 26. September auf Amazon Prime Video, das nach Netflix nun ebenfalls den lukrativen deutschen Trash-TV-Markt erobern will. Das lässt sich daran ablesen, dass Jeff Bezos' Unternehmen ein Preisgeld von einer Million Euro spendiert hat. Dafür müssen die zwölf Promis in Neuseeland einen Gipfel erklimmen, daher der englischsprachige Titel.

Das Format bringt dabei eine interessante Wendung: Das Geld gibt es bereits vorher. Es wird von einem Hubschrauber abgeworfen. Jeder Teilnehmer muss nicht nur sein übliches Päckchen tragen, sondern auch seinen finanziellen Anteil hinauf auf den Gipfel. Da zu viel erzwungene Zusammenarbeit ermüdend wäre, können sich die zwölf Promis im Laufe der Folgen gegenseitig nominieren und aus der Show befördern. Das jeweilige Geld verteilt sich auf die Übriggebliebenen. Wer aufgibt, verringert den Jackpot.

Pseudo-Anführer und menschliche Knallbonbons

Die Rollen innerhalb der Show wurden auf die übliche Art und Weise im Schnitt des Rohmaterials von "The Summit" vergeben. Den überheblichen Pseudo-Anführer gibt Soap-Darsteller Felix von Jascheroff. Lassen wir ihn am besten selbst sprechen: "Ich sehe mich schon im oberen Feld, was Intelligenz angeht", sagt er in der ersten Folge. Selbstüberschätzung trifft auf Realität ein bewährtes Trash-TV-Rezept.

Cecilia Asoro übernimmt den Part des schnell aufbrausenden menschlichen Knallbonbons. Kein Problem für das Model und Reality-TV-Sternchen, sie lernte 2015 ihre Profession in der zehnten Staffel von "Germany's Next Topmodel". Sie liefert das klassische Spannungsfeld, das jede Reality-Show braucht.

Zusammen mit zehn anderen Öffentlichkeits-Junkies ziehen sie in Neuseeland los. Mit dabei Matthias Mangiapane, seines Zeichens Trash-TV-Veteran, der sonst vor allem durch seine Lästerattacken gegen andere Teilnehmer glänzt. Viel Zeit bekommt er dafür in "The Summit" nicht. Gerade noch präsentierte er strahlend sein frisch gebleachtes Gebiss, schon ist er raus. Er übersteht das erste Anseilen am Berg nicht und verlässt freiwillig die Show. Das wars dann wohl mit dem Lästern – und der vollen Million.

Die deutsche Stimme von Bruce Willis hatte auch schon mehr Spass

Dabei war das noch nicht einmal die erste Challenge. Sprecher Manfred Lehmann kündigt die "instabilste Hängebrücke Neuseelands" an und bedauert in diesem Moment wohl mindestens so sehr wie die Fans von Bruce Willis, dass dieser aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung keine Filme mehr drehen kann. Stattdessen muss Lehmann kommentieren, wie sich Profi-Badehosen-Träger Serkan Yavuz der klapprigen Brücke nähert. Er wurde dazu auserkoren, voranzuschreiten. In einem anderen Leben war Yavuz Dachdecker, im jetzigen muss er schnell feststellen, dass das schon ziemlich lange her ist. Oder wie er es in der Show zusammenfasst: "Fick mein Leben." Wir können ihm hier versichern, dass es dazu keiner Aufforderung bedarf: Der Reality-Star sorgt bestens selbst dafür.

Trotzdem schafft Yavuz es ohne grosse Zwischenfälle auf die andere Seite. Das ist natürlich langweilig. Also folgt Reality-TV-Grande-Dame Giulia Siegel, die bis dahin in "The Summit" vor allem durch konzentriertes Zigarettenrauchen aufgefallen ist. Jetzt zeigt sie ihr ganzes Können: heulen vor der Brücke, fluchen darauf, zusammenbrechen, sich wieder heraufziehen lassen und erstmal eine rauchen. Auftrag erfüllt.

So geht es routiniert in "The Summit" weiter. Die ersten Abneigungen bilden sich heraus, Annäherungen finden statt. Kurz nachdem Tanja Tischewitsch aus Erschöpfung oder Unwillen (die Antwort liegt irgendwo dazwischen) aufgeben wollte, bemerkt Reality-Urgestein Emmy Russ: "Du hast so geile Brüste." Um diese lieben Worte zu unterstreichen, langt sie direkt zu, um sich von ihrer Annahme selbst zu überzeugen. Tanja Tischewitsch kichert geschmeichelt, sagt "Ja, danke" und grapscht zurück. Das kann nur der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Zumindest bis zur ersten Nominierung, in der beide feststellen müssen, dass kein Körperteil so geil ist wie eine Million Euro oder die nächste Trash-TV-Show.

Für Genre-Fans zuverlässig unterhaltsam

"The Summit" funktioniert nach allen bekannten Regeln des Genres: Überhebliche Kandidaten treffen auf die Realität, körperliche Herausforderungen entlarven mentale Schwächen, und am Ende siegt der Überlebensinstinkt über jede Freundschaft. Amazon Prime liefert damit solides Trash-TV-Handwerk ab nicht revolutionär, aber durchaus unterhaltsam.

Interessant ist vielmehr, dass Amazon nach Jahren des Premium-Contents mit "The Boys" und "The Rings of Power" nun auch den deutschen Trash-Markt erobern will. Das zeigt: Auch der wertvollste Konzern der Welt hat verstanden, dass sich mit simplen Formaten oft mehr Reichweite generieren lässt als mit aufwendigen Prestigeprojekten.

Empfehlungen der Redaktion

"The Summit" ist dabei handwerklich sauber gemacht die Dramaturgie stimmt, die Casting-Entscheidungen sind treffsicher, die Inszenierung kennt ihre Zielgruppe. Das Format mag vorhersehbar sein, aber es ist ehrlich in dem, was es anbietet. In Zeiten, in denen Reality-TV längst etablierte Popkultur ist, braucht es keine Rechtfertigung mehr nur Unterhaltungswert.