Was macht den einzigartigen Vibe des Coachella-Festivals aus? Und inwiefern hat sich seit der Corona-Pandemie das Ausgehverhalten junger Menschen gewandelt? Über diese Fragen haben wir mit einer Künstlerin gesprochen, die seit Jahren fester Bestandteil der internationalen Musikszene ist: DJ LOVRA.
Der Festival-Sommer ist im vollen Gange. Mittendrin auf den grossen Bühnen: Laura Lungen aka DJ LOVRA aus Berlin, die im Frühling bereits auf dem angesagtesten Festival der Welt, dem Coachella, aufgelegt hat.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht die Produzentin über ihre Arbeit als DJ und erklärt, warum es ihr ein persönliches Anliegen ist, für Mental Health und die Auswirkungen von Mobbing zu sensibilisieren.
Frau Lungen, wie sieht Ihre private Playlist aus, wenn Sie nicht gerade als DJ LOVRA auf einer Bühne stehen?
Laura Lungen: Privat läuft bei mir sehr selten Musik. Höre ich dann aber doch mal Musik, läuft bei mir entweder R&B und Hip Hop aus den 90er- und 2000er-Jahren oder Crunch-Rock. Manchmal ertappe ich mich aber auch dabei, Deutschrap und -pop zu hören (lacht).

Sie haben die Festival-Saison eingeläutet, indem Sie an beiden Wochenenden des Coachella-Festivals aufgelegt haben. Wie war die Stimmung bei dem angesagtesten Festival der Welt?
Beim Coachella aufzulegen, war absolut überwältigend. Es war das krasseste Festival, auf dem ich jemals war. Insofern herrschte auch eine ganz besondere Stimmung: Die Menschen sind sehr wohlwollend und versprühen wahnsinnig viel Liebe.
DJ LOVRA: Habe "Preise für die Verpflegung vor Ort beim Coachella als sehr hoch empfunden"
Wie kommt diese einzigartige Stimmung Ihrer Meinung nach zustande?
Ich glaube, es spielt eine grosse Rolle, dass sich beim Coachella viele Celebrities unter die Festivalbesucher und -besucherinnen mischen und mitfeiern. Ich erinnere mich, dass bei einem Konzert plötzlich Stars wie Justin und
Wie blicken Sie auf die hohen Ticket- und Verpflegungspreise bei Festivals wie dem Coachella?
Man darf nicht vergessen, dass bei Festivals, wie etwa dem Coachella, das Line-up wirklich hochkarätig ist. Insofern wird den Besucherinnen und Besuchern allein auf der Main Stage etwas wirklich Aussergewöhnliches geboten. Damit möchte ich die Höhe der Ticketpreise nicht schmälern, aber die Qualität des Line-ups, der Bühnendesigns und der gebotenen Kunst kostet nun einmal viel Geld. Nichtsdestotrotz habe auch ich die Preise für die Verpflegung vor Ort beim Coachella als sehr hoch empfunden.
Die Festival-Saison ist im vollen Gang – welches Event übt für Sie als DJ einen ganz besonderen Reiz aus?
Beim diesjährigen World Club Dome hatte ich ein eigenes Event namens Housecat und habe vor 5.000 Menschen gespielt. Das war etwas ganz Besonderes und ein tolles Highlight. Hinzu kommen Festivals in Deutschland, wie das Parookaville oder weitere grosse Festivals in den USA oder Kanada.
Sie sind seit vielen Jahren fester Bestandteil der elektronischen Musikszene. Inwiefern hat sich die Industrie Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren gewandelt?
Seit Corona hat sich alles verändert – sowohl die Menschen, die feiern oder eben nicht mehr feiern gehen, als auch die Musikszene selbst. Ich habe das Gefühl, dass inzwischen viel mehr erlaubt ist: Damit meine ich Kollaborationen zwischen verschiedenen Artists, die es früher niemals gegeben hätte. Diesen Wandel beobachte ich vor allem in den USA und finde ihn sehr spannend. DJs aus dem Hard-Techno-Bereich finden plötzlich im Trance-Genre statt und arbeiten mit Mainstream-Vocals aus den 2000er-Jahren – das hätte es in der Szene, die gewissermassen immer als "Musikpolizei" bekannt war, früher nie gegeben (lacht). Umso interessanter ist es zu beobachten, dass plötzlich alle sprichwörtlichen Türen geöffnet sind. Wobei ich dazu sagen muss, dass dieser Wandel meiner Meinung nach in Deutschland noch nicht ganz angekommen ist.
Seit Corona scheinen die Menschen Festivals noch mehr zu mögen als ohnehin schon. Mit Blick auf die Clubszene bin ich manchmal etwas traurig, weil sich diesbezüglich in der Ausgehkultur einiges geändert hat. Viele Clubs kämpfen demnach ums Überleben.
So blickt LOVRA auf den gegenseitigen Support unter weiblichen Artists
Wie erklären Sie sich den Wandel der Ausgehkultur?
Ich habe das Gefühl, die Gen Z definiert Ausgehen und Feiern anders. Manchmal denke ich, ihr ist es wichtiger, in einem Club möglichst viele TikTok-Videos zu drehen und zu posten anstatt die Artists zu supporten. Social Media gehört zum Hier und Jetzt dazu und das Social-Media-Game muss gespielt werden, keine Frage – dennoch ist es schade, dass die Liebe zur Musik manchmal unterzugehen scheint, weil während eines Konzerts der Fokus darauf liegt, Videos hochzuladen. Die Leidenschaft für die Musik scheint in diesen Momenten eher zweitrangig zu sein.
Wie steht es um die Sichtbarkeit von weiblichen Artists in der Branche?
Ich empfinde dieses Thema als zunehmend schwierig, weil ich kein Fan davon bin, sich in Opferrollen zu drücken bzw. drücken zu lassen. Mit Blick auf mich und meine Karriere kann ich sagen, dass ich in Deutschland keine weibliche Konkurrenz wahrnehme. Im Vergleich zu Deutschland stelle ich in den USA immer wieder fest, dass weibliche Artists sich untereinander stark supporten – sowohl auf der Bühne als auch in den sozialen Medien, indem Beiträge anderer Künstlerinnen geliked, geteilt oder kommentiert werden. Meiner Meinung findet wohlwollendes Verhalten dieser Art in Deutschland weniger statt – obwohl es ja inzwischen weibliche Line-ups gibt. Insofern vermisse ich den weiblichen Support untereinander – vor allem, wenn es um kleinere Artists geht. Dabei ist genug Platz für alle da und Platz für Hass und Neid gibt es ohnehin nicht.
Neben Ihrer Arbeit als DJ nutzen Sie Ihre Stimme und machen auf Mental Health aufmerksam. Wo stehen wir Ihrer Meinung nach, wenn es um die Awareness rund um mentale Gesundheit geht?
Mentale Gesundheit ist kein Tabuthema mehr – es ist aber auch noch nicht en vogue. Ich habe das Gefühl, dass der offene Umgang mit mentalen Erkrankungen häufig mit einem Karriereende gleichgesetzt wird. Insofern sollte meiner Meinung nach noch mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, um Awareness zu schaffen. In unserer Branche herrscht ein hoher Erfolgsdruck, egal ob man ein etablierter Artist mit Hits oder ein Newcomer ist. Dabei sollte es doch eigentlich normalisiert werden, auch mal auszusprechen, dass nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen ist.
"Ich wurde während meiner Schulzeit schwer gemobbt"
Wie geben Sie auf sich und Ihre mentale Gesundheit acht?
Ich würde von mir selbst behaupten, grundsätzlich ein relativ stabiler Mensch zu sein. Trotzdem versuche ich, mir regelmässig Inseln in meinen Alltag einzubauen, um zur Ruhe zu kommen. Das ist wichtig, denn natürlich ist der Leistungs- und Erfolgsdruck der ständige Begleiter eines jeden Artists. Der Selbstwert eines Künstlers oder einer Künstlerin definiert sich nach dem Erfolg und der Bewertung von aussen – damit umzugehen, ist nicht immer einfach. Trotzdem bin ich jeden Tag dankbar, den geilsten Job der Welt ausüben zu dürfen und davon leben zu können.
Begegnet Ihnen bei all der von Ihnen angesprochenen Bewertung von aussen auch Hass im Netz?
Natürlich. Bewertung findet immer statt und ich erfahre auch Hate Speech im Netz. Darauf reagiere ich, indem ich mir etwa bei Instagram negative Kommentare nicht mehr anzeigen lasse. Ich möchte mich damit nicht beschäftigen und habe auch keine Zeit dafür.
Was raten Sie Menschen, die von Mobbing betroffen sind?
Ich wurde während meiner Schulzeit schwer gemobbt. Damals wurde auf Mobbing noch nicht wirklich reagiert – umso wichtiger ist es, für die Auswirkungen von Mobbing zu sensibilisieren. Entweder man geht daran kaputt oder man geht gestärkt daraus hervor. Mir ist es gelungen, den Neid, den ich erfahren habe, umzukehren und in Power meinerseits umzuwandeln. Dieses Mindset möchte ich gerne weitergeben. Trotzdem gibt es viele Menschen da draussen, sie sehr frustriert sind und sich im Netz hinter irgendwelchen Synonymen verstecken, um andere Menschen zu beleidigen – nur, um sich selbst besser zu fühlen. Dafür, diesen Menschen keine Plattform zu geben, möchte ich Awareness schaffen. Betroffenen von digitaler oder analoger Gewalt möchte ich ausserdem Mut machen, sich Hilfe zu holen: Jeder Mensch hat Hilfe verdient und sollte diese auch einfordern.
Über die Gesprächspartnerin:
- DJ LOVRA alias Laura Lungen ist eine deutsche DJ und Produzentin. Ehe sie in Berlin ihre Musikkarriere aufnahm, studierte sie Kommunikationsdesign an der Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt. Als DJ LOVRA etablierte sie sich schnell in der Branche und überzeugte bei Festivals wie Tomorrowland oder Melt! Über ihr Imprint "Housecat Records" veranstaltet sie zudem internationale Label-Partys.