Der "ZDF-Fernsehgarten" ist dafür bekannt, dass es hier mitunter wild zugeht. In der neuesten Ausgabe wurde das ein ums andere Mal besonders deutlich, denn unter dem Motto Discofox traf man sich bei Andrea Kiewel am Sonntagmittag zum Töpfern, Schneeballwerfen und zum Schreien – und schickte Beileidsbekundungen an Stefan Mross.

Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Heute tanzt der Lerchenberg im Viervierteltakt", begrüsst der Off-Sprecher die Zuschauer in Mainz und wo auch immer man sich für die jüngste Ausgabe des "ZDF-Fernsehgarten" vor den Bildschirm gesetzt hat. Das ist in der Sache natürlich richtig, aber auch ein bisschen banal, denn im Grunde tanzt der Lerchenberg jeden Sonntagmittag im Viervierteltakt.

Was genau hinter dieser Begrüssung steckt, erklärt Andrea Kiewel in anderen Worten: "Der 'Fernsehgarten' tanzt Discofox. Eins, zwo, Tap, eins zwo, Tap." Nun ist man klüger, aber nur ein bisschen, denn wenn es ein Epizentrum des Discofox gibt, dann ist das der Mainzer Lerchenberg. Was in den 1960ern und 1970ern noch ein heisser Trend war, hat im "Fernsehgarten" ein Refugium gefunden. Hier hat der Discofox überlebt, egal, wer da gerade sonntags auf der Bühne steht.

Kiewel mit privatem Satz an Stefan Mross

Diesmal hat man sich aber ganz offiziell den Discofox als Motto der Ausgabe ausgesucht, doch bevor Kiewel tiefer in den Discofox einsteigt, nimmt sie sich kurz Zeit für ein ganz anderes Thema. "Erlauben Sie mir ganz kurz einen privaten Satz", wendet sich Kiewel an die Zuschauer auf dem Lerchenberg, doch die sind für einen privaten Satz noch nicht bereit, klatschen immer noch den Begrüssungsapplaus.

"Erlauben Sie mir bitte ganz kurz einen privaten Satz", wiederholt Kiewel ihre Bitte um Contenance und so langsam findet das Publikum in die Spur. Und so kann Kiewel endlich ihren privaten Satz sagen und der ist an ihren Kollegen Stefan Mross gerichtet. Sie wisse, dass Mross gerade eine schwere Zeit erlebe und deshalb schickt Kiewel folgenden Gruss an Mross: "Ich, der ganze 'Fernsehgarten' ist in Gedanken bei dir."

Hintergrund von Kiewels Mitgefühl ist der Tod von Stefan Mross' Mutter, die in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Alter von 85 Jahren gestorben ist. Mross hatte daraufhin die Moderation seiner Show "Immer wieder sonntags" an diesem Sonntagvormittag abgesagt. Seine Ex-Frau, Stefanie Hertel, hat daraufhin für Mross übernommen und Minuten zuvor ebenfalls live ihr Beileid bekundet.

Andrea Kiewel und der Discofox: ziemlich beste Feinde

Aber the "Fernsehgarten" must go on, und so widmet sich Kiewel wieder dem Discofox, für die Moderatorin "der Überlebenstanz für all diejenigen, die eigentlich gar nicht tanzen können". "Wer nichts kann, Discofox kann man", behauptet Kiewel, schnappt sich einen Tanzpartner und gesteht nach wenigen Schritten: "Ich bin schon raus."

Dann lässt Kiewel die Gäste aufmarschieren, die musikalisch dafür sorgen sollen, dass die Zuschauer nun zwei Stunden lang den Discofox aneinander ansetzen werden und das ein wenig geübter als Kiewel gerade eben: die Amigos, Lutz van der Horst und Fabian Köster, Olaf Berger, Jay Khan & Anna-Carina Woitschack, Bernhard Brink, Tanja Lasch, TABI, Michael Morgan, DJ Herzbeat & Claudia Jung, Ross Antony und Norman Langen.

Musikalisch ist das eine amtliche Viervierteltakterei, beim Rahmenprogramm gönnt sich der "Fernsehgarten" mehr Freiheiten. Denn so, wie der Discofox universell einsetzbar ist, kann man dazu so ziemlich alles auftischen, ohne, dass es zu thematischen Irritationen kommt. Und so beginnt Kiewel das Rahmenprogramm mit einem ausgebildeten Keramiker, denn Töpfern sei laut Kiewel gerade "der heisse Scheiss in den sozialen Medien".

"Ich muss jetzt wirklich weinen"

Also lässt Kiewel sich und ihre Gäste töpfern, ehe sie ihren Dauer-Co-Moderator Lutz van der Horst auf die Bühne bittet. Der hat nämlich mithilfe eines Gedächtnisweltmeisters die vergangenen drei Monate damit verbracht, sich 250 Szenen aus vergangenen "Fernsehgarten"-Ausgaben mit dem jeweiligen Datum zu merken und führt das Ergebnis nun live vor. Warum sich van der Horst so viel Lebenszeit abgeknapst hat, verrät er nicht.

Umso erstaunlicher, da Kiewel eher von den Bildern vergangener Zeiten gefangen ist, als von van der Horsts Gedächtnis-Nummer. "Ich muss jetzt wirklich weinen. Das ist sehr, sehr, sehr berührend", gesteht Kiewel am Ende der Show noch einmal, als sie die Zuschauer vor der Bilderwand verabschiedet. Doch zurück zum Discofox beziehungsweise zu all dem, was nichts damit zu tun hat.

So lässt Kiewel TV-Koch Armin Rossmeier Hackfleischwaffeln zubereiten, Konditormeisterin Bettina Schliephake-Burchardt backt Vintage Cakes, ein Yukigassen-Team zeigt die japanische Version der Schneeballschlacht und mit einem "Der Discofox-'Fernsehgarten' kann auch Latin" führt Kiewel das Motto noch einmal in eine ganz andere Richtung und begrüsst zwei Profitänzer, die nun eine Rumba vorführen. Einen besonders ungewöhnlichen Programmpunkt haben sich Kiewel und ihr Team aber noch aufgehoben.

Hör mal, wer da schreit

Denn gegen Ende der Show kommt die Content Creatorin Maike Schmidt, die das "Rhein-Schreien" organisiert. Einem Schrei-Club-Trend aus Chicago folgend treffen sich dabei Menschen in Köln, um gemeinsam auf den Rhein zu schreien. Das soll befreiend wirken, wie auch Kiewel gesteht. Wenn sie selbst den Kanal mal voll habe, gehe sie ins Meer, tauche unter und schreie dann. Das will Maike Schmidt nun auch über Wasser machen und hofft, dass man so "den lautesten 'Fernsehgarten' aller Zeiten" liefere.

Empfehlungen der Redaktion

Abgesehen von der Frage, warum man so etwas in einer ohnehin schon viel zu lauten Welt nur wollen kann, kann es tatsächlich der lauteste "Fernsehgarten" geworden sein, mit Sicherheit aber einer der absurdesten. Nicht, weil das Schreien absurd gewesen wäre, sondern nur die Art, wie Schmidt das Ganze moderiert. Da kommt ein bisschen zu sehr die Influencerin durch, besonders, als sie dem Publikum erklärt, wie man richtig schreit.

Beileidsbekundung, Rumba beim Discofox-Motto, Schlagermusik, Hackfleisch-Waffeln, Töpfern, eine Gedächtnis-Challenge und eine Schneeballschlacht: Man kann das Ganze vielseitig nennen oder vogelwild – oder eine ganz normale "Fernsehgarten"-Ausgabe. Und wem das nicht gefällt, weiss ja jetzt, wie man richtig schreit.