Schon vor mehr als 40.000 Jahren wusste die Menschheit, wie sich Gegenstände aneinanderkleben lassen. Das fand ein Forschungsteam der Universität Thüringen heraus. Eine weitere Erkenntnis: Homo sapiens und Neandertaler hatten ähnliche Denkmuster.

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Schon vor Zehntausenden Jahren schafften Menschen etwas, das sie deutlich von Tieren unterscheidet: Sie bauten Werkzeuge. Dabei nutzten sie sogar schon einen Klebstoff, zusammengesetzt aus verschiedenen Komponenten. Davon berichtet ein Forschungsteam der Universität Thüringen in einer Studie, die in der Fachzeitschrift "Science Advances" veröffentlicht wurde.

Frühester Fund eines Mehrkomponentenklebers in Europa

Das Forschungsteam analysierte Stücke aus der Neandertalerfundstelle Le Moustier in der Dordogne in Frankreich. Bislang waren die Fundstücke im Museum aufbewahrt und nicht näher untersucht worden. Dabei wurden sie bereits im Jahr 1907 vom Schweizer Archäologen Otto Hauser gefunden. Er entdeckte Steinwerkzeuge im oberen Felsüberhang von Le Moustier. Es ist bekannt, dass dort vor 120.000 bis 40.000 Jahren Neandertaler lebten.

Studienleiterin Ewa Dutkiewicz vom Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin erklärt in einer Mitteilung zur Studie: "Die Sammlungsstücke waren einzeln verpackt und seit den 1960er-Jahren unberührt. Dadurch waren die anhaftenden Reste organischer Stoffe sehr gut erhalten."

Diese anhaftenden Reste organischer Stoffe stellten sich als Mischung aus Ocker und Bitumen heraus. Kombiniert ergaben die beiden Rohstoffe einen Klebstoff. Dieser diente wohl dazu, Griffe an Steinwerkzeugen zu befestigen. Somit entdeckte das Forschungsteam den "bisher frühesten Fund eines Mehrkomponentenklebers in Europa". "Wir gehen unter Einbeziehung des ganzen Fundzusammenhangs davon aus, dass das aufwendig produzierte Klebematerial von Neandertalern hergestellt wurde", sagt Dutkiewicz.

Ocker und Bitumen

  • Ocker ist ein farbiges Erdpigment, das natürlich vorkommt.
  • Bitumen ist ein Kohlenwasserstoffgemisch, das auch im Boden zu finden ist. Heute kommt Bitumen unter anderem in Asphalt vor und kann aus Erdöl hergestellt werden.
Experiment zur Herstellung von Klebstoff
Experiment zur Herstellung von Klebstoff auf der Basis von Bitumen: Flüssiges Bitumen und das Erdpigment Ocker vor der Vermischung. © P. Schmidt

Durch die Kombination von mehr als 55 Prozent Ocker und flüssigem Bitumen stellten Neandertaler eine formbare Masse her. Das konnte das Forschungsteam mithilfe von Zugversuchen, mit experimentell hergestelltem Vergleichsmaterial herausfinden. Die Masse sei nur gerade so klebrig, dass ein Steinwerkzeug darin steckenbleibt, die Hände aber sauber bleiben – das Richtige also für einen Griff, wird Studienleiter Patrick Schmidt von der Universität Tübingen zitiert.

Steinwerkzeug
Experiment: Das Steinwerkzeug wurde in einen Griff aus flüssigem Bitumen unter Zusatz von 55 Prozent Ocker geklebt. © P. Schmidt

Ähnliche Denkmuster bei Neandertalern und Homo sapiens

Die Untersuchung verdeutlicht, wie kognitiv weit entwickelt Neandertaler bereits vor mehr als 40.000 Jahren waren. Da Ocker und Bitumen im damaligen Frankreich in verschiedenen Regionen zu finden war, mussten die Neandertaler die Rohstoffe von weit auseinander entfernten Orten zusammentragen. Das habe grossen Aufwand, Planung und eine gezielte Vorgehensweise erfordert, so die Studienautoren.

"Was unsere Studie zeigt, ist, dass sich beim frühen Homo sapiens in Afrika und den Neandertalern in Europa ähnliche Denkmuster widerspiegeln."

Patrick Schmidt, Studienleiter

Auch der Homo sapiens in Afrika nutzte mehrere Komponenten, um Kleber herzustellen. "Was unsere Studie zeigt, ist, dass sich beim frühen Homo sapiens in Afrika und den Neandertalern in Europa ähnliche Denkmuster widerspiegeln", so Schmidt. Ihre verschiedenen Klebstofftechnologien hätten "die gleiche Bedeutung für unser Verständnis von der Menschwerdung".

Verwendete Quellen

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