Feinstaub schadet nicht nur Lunge und Herz. Eine neue Studie zeigt: Er dringt bis ins Gehirn und erhöht das Demenzrisiko. Was jetzt passieren muss, um unsere Gesundheit zu schützen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wer schon einmal an einer grossen Kreuzung stand, kennt das Gefühl: Autos, LKWs und Busse donnern vorbei. Am schlimmsten finde ich den Geruch: Abgase, die einem sofort in die Nase kriechen. Oft halte ich unwillkürlich die Luft an, bis ich auf der anderen Strassenseite bin. Natürlich bringt das herzlich wenig.

Doch Feinstaub steckt nicht nur in Abgasen. Er entsteht auch beim Reifen- und Bremsabrieb, beim Heizen mit Holz oder Kohle, in der Landwirtschaft und in der Industrie. Winzige Partikel, so klein, dass man sie weder sieht noch riecht und doch dringen sie tief in uns ein. In die Lunge, ins Blut und sogar bis ins Gehirn.

Feinstaub und Demenz

Eine neue Studie, die im "Science"-Magazin veröffentlicht wurde, zeigt, dass Feinstaub sogar unser Denken verändert. Der Neurowissenschaftler Xiaodi Zhang und sein Team haben dafür die Daten von 56,5 Millionen Menschen in den USA ausgewertet – Patientinnen und Patienten, deren Wohnorte verrieten, wie stark sie über Jahre Feinstaub ausgesetzt waren.

Das Ergebnis: Wer dauerhaft in Regionen mit hoher Belastung lebt, hat ein deutlich höheres Risiko, an der sogenannten Lewy-Body-Demenz zu erkranken. Diese Krankheit ist nach Alzheimer und vaskulärer Demenz eine der häufigsten Formen der Demenz.

Die Forschenden gingen noch weiter: Sie liessen Mäuse regelmässig Feinstaub einatmen – so, wie wir es in der Stadt tun. Nach einigen Monaten waren die Schäden unübersehbar: Das Gehirn der Tiere schrumpfte, sie vergassen Aufgaben und bewegten sich schlechter. In ihren Nervenzellen fanden die Forschenden Ablagerungen aus verklumptem Eiweiss, sogenannte Lewy-Körper, wie man sie auch bei Patienten und Patientinnen mit Lewy-Body-Demenz findet.

Solche Ablagerungen sind nicht angeboren, sondern entstehen erst im Laufe der Zeit, wenn Nervenzellen geschädigt werden. Viel spricht also dafür, dass Feinstaub das Gehirn genau über dieses Protein angreift. Besonders betroffen war eine Region, die Bewegungen steuert und die auch bei Parkinson Schaden nimmt.

Eine unsichtbare Gefahr, die alle betrifft

Es machte in der Studie auch keinen Unterschied, ob der Feinstaub aus den USA, aus China oder aus Europa kam. Überall zeigte er denselben Effekt. Wir alle atmen also dieselbe Gefahr ein. Und wer schon einmal miterlebt hat, wie eine Demenz eine Familie verändert, der weiss, dass man diese Krankheit niemandem wünscht.

Natürlich ist Demenz komplex. Niemand wird krank, nur weil er einmal tief durchatmet, wenn ein LKW vorbeifährt. Aber die Daten der Studie zeigen deutlich: Je länger und intensiver wir Feinstaub ausgesetzt sind, desto höher das Risiko.

Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz

Die gute Nachricht ist: Der grösste Teil des Feinstaubs in unserer Atemluft ist menschengemacht – durch Verkehr, Heizungen, Industrie und Landwirtschaft. Und weil er menschengemacht ist, können wir ihn auch verringern.

Eine aktuelle Studie der Princeton University hat berechnet, dass konsequente Klimapolitik allein in den USA bis 2030 jedes Jahr rund 6.000 vorzeitige Todesfälle durch Feinstaub verhindern könnte. Besonders stark wäre der Effekt in ohnehin stark belasteten Bundesstaaten wie West Virginia und Kentucky, wo die Todesfälle durch Partikelverschmutzung um fast 20 Prozent sinken würden.

Aber wie sieht konsequente Klimapolitik konkret aus? Die Forschenden nennen klare Schritte: mehr erneuerbare Energien aus Wind und Sonne, mehr Elektroautos und elektrische Lastwagen und insgesamt weniger Autoverkehr in Städten, etwa durch Umweltzonen oder eine City-Maut. Dazu saubere Heizungen statt alter Öl- und Holzöfen.

Also alles klassische Klimaschutzmassnahmen, die nicht nur CO2 einsparen, sondern sofort spürbar wären, für bessere Luft, weniger Krankheiten. Klimaschutz ist damit auch Gesundheitsschutz. Und wer saubere Luft will, muss jetzt handeln.

Und natürlich kann jeder und jede Einzelne auch etwas dafür tun, dass wir weniger Feinstaub ausgesetzt sind: weniger Auto, mehr Rad oder Bahn fahren, mehr Pflanzen, die Staub binden, auf den Balkon stellen. Es sind viele kleine Schritte, die uns helfen würden, die Luft sauberer zu machen und die Feinstaubbelastung zu verringern.

Deutschland setzt noch immer auf mehr Autos und Strassen

Und ja, all das gilt natürlich auch für Deutschland. Nur: Auf weniger Autoverkehr zu hoffen, fällt hierzulande schwer. Laut Kraftfahrt-Bundesamt legten die Menschen 2024 rund drei Milliarden Kilometer mehr mit dem Auto zurück als im Jahr davor. Nicht, weil wir alle plötzlich mehr fahren, sondern weil es einfach immer mehr Autos gibt.

Parallel dazu entstehen neue Strassenprojekte, wie die Erweiterung der Autobahn A100 in Berlin. Dabei bringt jede zusätzliche Spur nicht Entlastung, sondern neuen Verkehr – und damit mehr Abgase, mehr Feinstaub.

Zwar sollen in der EU ab 2030 strengere Luftqualitätsregeln gelten. Aber ehrlich gesagt: Wir hätten sie schon gestern gebraucht. Denn jedes Jahr Verzögerung bedeutet mehr Menschen, die krank werden.

Empfehlungen der Redaktion

Die neue "Science"-Studie zeigt uns einmal mehr, wie tief Luftverschmutzung in unseren Körper eindringt, bis in die feinsten Schaltkreise unseres Denkens. Ich wünsche mir sehr, dass wir bald an Kreuzungen stehen: mit weniger Lärm, mit weniger Abgasen, mit weniger Stress und mit klarerer Luft. Die Lösungen dafür liegen längst auf dem Tisch, wir müssen sie nur umsetzen.

Verwendete Quellen

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