Wie verteidigungsfähig ist Europa ohne die USA? Und wie gross ist die Gefahr eines Krieges mit Russland? In ihrer vorerst letzten Sendung diskutiert Maybrit Illner mit Gästen aus Politik und Militär über Sicherheit, Strategien – und die Zukunft der Nato unter Donald Trump.
Hat der Angriff der USA auf den Iran die Region oder die Welt nun sicherer gemacht? Wie realistisch ist ein Angriff Russlands auf ein Nato-Land? Wie verteidigungsfähig ist Europa ohne die USA?
Es war die letzte Ausgabe "maybrit illner", bevor ab der kommenden Woche die Übertragung der Fussball-EM der Frauen in der Schweiz der ZDF-Polittalkerin den Sendeplatz streitig macht. Und in dieser vorerst letzten Runde diskutierte man über nichts Geringeres als Krieg oder Frieden.
Das war das Thema
"Krieg oder Frieden – Sicherheit nur mit den USA?", präzisiert Maybrit Illner am Donnerstagabend das Thema, unter dem sie viele weitere Fragen versammelt: Wie erfolgreich waren die Angriffe der USA auf die Atomanlagen im Iran wirklich? Wurde damit verhindert, dass der Iran künftig eine Atombombe baut? Wie viel Geld muss Europa in seiner Sicherheit investieren? Wie kann man garantieren, dass das Geld auch tatsächlich effektiv eingesetzt wird? Und natürlich: Wie verlässlich sind die Bekenntnisse von US-Präsident

Das waren die Gäste
Johann Wadephul (CDU). Der deutsche Aussenminister erklärt, es brauche Zeit bis man tatsächlich einschätzen könne, wie erfolgreich die Angriffe Israels und vor allem der USA waren. Über die Zukunft des Konfliktes sagt Wadephul: "Man kriegt dieses Problem wirklich nur am Verhandlungswege gelöst."Jan van Aken (Die Linke). Van Aken ist Parteivorsitzender und kritisiert die Aussage von Bundeskanzler Merz, er habe keinen Grund, die Angriffe Israels und der USA zu kritisieren: "Der grosse Bruch ist doch, dass ein deutscher Bundeskanzler eine klar völkerrechtswidrige Aktion einfach lobt und gut findet. Das finde ich neu. Das wäre unter Schröder und Merkel und Scholz nicht passiert."- Alfons Mais. Der Generalleutnant ist Inspekteur des Heeres der Bundeswehr und weiss nicht, ob die Angriffe der USA als politische Machtdemonstration gedacht waren, es sei aber auf jeden Fall eine militärische gewesen: "Wir haben hier militärische Fähigkeiten gesehen, über die nur die USA verfügen."
- Ben Hodges. US-General a. D. Hodges ist ehemaliger Oberkommandeur der US-Armee in Europa und aus London zugeschaltet. Hodges sagt: "Die beste Investition, die der Westen tun kann in seine eigene Verteidigung, ist es, der Ukraine zu helfen, Russland zu besiegen." Denn wenn Russland nicht zu den Grenzen von 1991 zurückgedrängt werde oder wenn die Ukraine kapituliere, habe Russland einige Zeit, seine Streitkräfte wieder aufzubauen und es werde Zehntausende Ukrainer zwingen, sich der russischen Armee anzuschliessen.
- Florence Gaub. Die Politikwissenschaftlerin ist Forschungsdirektorin der Nato-Militärakademie in Rom. Gaub erklärt, die USA hätten die europäischen Länder seit 2010 immer wieder gebeten, mehr für die Verteidigung auszugeben, seien aber ignoriert worden. "Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir einen Präsidenten haben, der auf gut Deutsch die Schnauze voll hat und noch dazu nicht sehr diplomatisch ist. Aber wir haben diese Situation herbeigeführt, indem wir 15 Jahre gesagt haben: Es wird schon gutgehen. Und es geht halt eben nicht gut", erklärt Gaub.
Das war die Offenbarung des Abends
Ob die USA mit den Angriffen auf den Iran wieder zurück als Weltpolizist seien, will Maybrit Illner von Ben Hodges wissen und der Generalleutnant a. D. spekuliert über die Intentionen des US-Präsidenten. Bei allem, was Donald Trump mache, habe er erstens sein Publikum zuhause und zweitens den Friedensnobelpreis im Blick.
Gleichzeitig habe Trump den Erfolg der israelischen Angriffe gesehen: "Natürlich hat er ‚Fox News‘ dabei geschaut und er hat gesehen, wie die Israelis gelobt wurden", erklärt Hodges. Mit dem US-Angriff habe er eine günstige Gelegenheit erkannt, mit wenig Risiko zuzuschlagen. Allerdings habe eine Erklärung gefehlt, welches strategische Ziel man verfolgt habe. "Es war ein Angriff, es war keine Strategie. Es war eine politische Entscheidung", so Hodges.
Das war das Zitat des Abends
Ben Hodges ist enttäuscht, dass sich die USA offenbar von der Ukraine abwenden, sagt aber auch: "Meine Botschaft ist, dass sich die europäischen Freunde zu viele Gedanken machen, was Präsident Trump macht. […] Europa ist eine Supermacht und sollte sich als solche verhalten und nicht so sehr darüber nachdenken, was die USA tun."
Das war der Schlagabtausch des Abends
Jan van Aken sieht die jüngste Einigung, den Verteidigungshaushalt auf fünf Prozent zu erhöhen sehr kritisch, ihm seien bereits die zwei Prozent zu viel gewesen. "Diese fünf Prozent sind ein Wahnsinn", findet van Aken. Ausserdem glaubt der Linken-Parteivorsitzende: "Die russischen Streitkräfte sind in desolatem Zustand." Dem widerspricht Alfons Mais später am Abend: "Ich bin der festen Überzeugung, dass die russischen Streitkräfte aus diesem Krieg in der Ukraine gestärkt heraustreten werden."
Man überinterpretiere die russischen Verlustraten: "Für Russland spielen Verlustraten an Menschen keinerlei Rolle", so Mais. Stattdessen gebe es einen enormen Wissenszuwachs und auch einen Zuwachs an Soldaten in Russland. "Da ist eine Vorbereitung auf eine grossmassstäbliche, konventionelle Auseinandersetzung mit dem Westen und in jeder Talkshow in Moskau wird da abends drüber gesprochen", erklärt Mais und zieht folgenden Vergleich: "Die Wüste brennt und wir diskutieren, ob wir die Feuerwehr jetzt mit Reifen ausstatten oder ob wir doch lieber mit nem Eimer weitermachen."
Die Zurechtweisung des Abends
Maybrit Illner konfrontiert die Runde mit Zitaten von Nato-Generalsekretär
An dieser Stelle hört man Maybrit Illner lachen, deshalb erklärt Gaub noch einmal: "Ja, er macht das für uns. Er macht das für Sie, damit wir hier in Sicherheit sitzen können. Am Ende sollte er nach dem Ergebnis bewertet werden."
Das waren die Erkenntnisse des Abends
Wenn man den Gästen von Maybrit Illner Glauben schenken mag, und es gibt keinen Grund, das nicht zu tun, dann konnte man einige kleine Erkenntnisse aus diesem Donnerstagabend mitnehmen. Zum Beispiel, dass Verteidigung immer teurer ist als ein Angriff, dass man Verteidigungskonzepte für die Zukunft, nicht für die Gegenwart entwickeln müsse, etwa, wenn die Arktis eisfrei werde und dass Europa dringend selbst handlungs- und damit kriegsfähig werden muss – was mit der Haupterkenntnis des Abends zusammenhängt.
"Wenn es zu einem riesigen Krieg kommt, dann ist mit Sozialausgaben nichts mehr, dann ist mit Infrastruktur nichts mehr, mit Gesundheit und so weiter, dann sind alle Lebensentwürfe eigentlich für die Tonne", erklärt Gaub den Sinn der Verteidigungsausgaben und ergänzt: "Wenn wir es als Versicherung begreifen, dann ist es einfacher, als es einfach nur als spending bonanza für die Bundeswehr zu sehen."
Und um die eigentliche Frage des Abends zu beantworten, erläutert Johann Wadephul: "Wir haben mit den USA den wichtigsten Verbündeten und ich glaube, die Verteidigung Europas werden wir auf absehbare Zeit ohne die USA nicht leisten können."