Waffenlieferungen für die Ukraine, Friedensinitiative, Innenpolitik: Markus Lanz hat SPD-Fraktionschef Matthias Miersch in seinem Talk am Mittwochabend zu mehreren Themen ganz schön in die Mangel genommen.

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Am Dienstag hatte sich die EU dazu entschieden, das 17. Sanktionspaket gegen Russland aufzulegen. Nachdem US-Präsident Donald Trump zunächst zugesagt hatte, ebenfalls neue Sanktionen in Betracht zu ziehen, zog er seine Drohung wieder zurück. Bei Markus Lanz ging es vor diesem Hintergrund am Mittwochabend um die Durchsetzungsfähigkeit Europas und die Partnerschaft mit den USA. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch kam in Erklärungsnot.

Die Gäste

  • SPD-Fraktionschef Matthias Miersch nimmt Stellung zur Agenda seiner Partei in der Koalition: "Wir wollen die sozialdemokratische Handschrift sehr deutlich erkennen lassen."
  • Journalistin Kristina Dunz sieht Sanktionen gegen Russland kritisch: "Schon 16 Pakete haben nicht dazu geführt, dass sich in der Ukraine etwas verbessert hat."
  • Ökonom Lars Feld analysiert die neue Konjunkturprognose: "Die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Deutschland ist enorm."
  • Kriegsreporter Ibrahim Naber warnt vor zu grosser Abhängigkeit von Amerika: "Wir brauchen eine eigenständige Antwort auf Putin."
Markus Lanz, Matthias Miersch, Kristina Dunz, Lars Feld, Ibrahim Naber
Markus Lanz sprach am Mittwoch mit (v.l.n.r.) Matthias Miersch, Kristina Dunz, Lars Feld und Ibrahim Naber. © ZDF / Markus Hertrich

Wortgefecht zwischen Lanz und Miersch

Donald Trump hat jüngst gedroht, die Friedensinitiative für die Ukraine einzustellen, sofern nichts vorangeht. Was das aus europäischer Sicht bedeutet, wollte Lanz von Matthias Miersch wissen. Der SPD-Fraktionschef antwortete ehrlich, dass es sich um "ein schlechtes Signal" handle: "Es zeigt jedenfalls den Ernst der Lage und dass wir augenblicklich jedenfalls nicht auf (...) den amerikanischen Präsidenten bauen können."

Zeitgleich stellte Miersch klar, dass Trumps Reaktionen für gewöhnlich stark schwanken würden, "deswegen ist meine Hoffnung nach wie vor, dass es eine Allianz gibt zwischen den Europäern und den Amerikanern". Dies sei "dringend notwendig". Dem SPD-Politiker zufolge müsse "alles getan werden", um "den Druck auf Putin weiter hochzuhalten. Und dazu brauchen wir natürlich auch die Amerikaner." Eine Aussage, die den ZDF-Moderator stutzig machte: "Sieht ja nicht so aus, als ob die mitmachen würden." Als Miersch mit einem lockeren "Das werden wir sehen" reagierte, hakte Lanz nach: "Gab's da jemals einen Plan B? (...) Einen Plan ohne Trump?" Matthias Miersch geriet ins Straucheln: "Ich bin nicht Staatschef der Staaten, die das gemacht haben. Insofern kann ich die Frage jetzt auch nicht beantworten, wie es weitergeht."

Ein Argument, das Lanz nicht akzeptieren wollte: "Nein, aber Sie sind der Fraktionschef der SPD!" Miersch nickte: "Wir werden jetzt sehen. Ich gehe davon aus, dass natürlich auch in anderen Alternativen gedacht wird." Der ZDF-Moderator konterte fassungslos: "Da sitzt der Fraktionschef der SPD. Sie sind nicht irgendwer! Sie sind da nah dran. Sie sind der mächtigste Mann direkt nach Lars Klingbeil. (...) Sowas muss doch abgestimmt sein!" Mit Blick auf das angekündigte Ultimatum gegen Putin wetterte Lanz weiter: "Jetzt stellt sich heraus, wir setzen uns da hin und haben offenbar noch nicht einmal eine Platzpatrone im Gepäck."

Ein Vorwurf, den Matthias Miersch vehement von sich wies: "Nein, das ist jetzt eine Unterstellung. Ich gehe davon aus tatsächlich, dass es auch diese Alternativszenarien gibt. Aber ich bitte da auch um Verständnis, dass wir jetzt nicht darüber philosophieren. Dafür ist die Lage zu ernst und ich bin mir sehr sicher: das Vertrauen in die europäischen Staatschefs kann man schon haben."

Journalistin Kristina Dunz stellte daraufhin nüchtern klar, dass Sanktionen gegen Putin nicht die Lösung seien: "Wir haben jetzt das 17. Paket, das 18. wird vorbereitet. Und schon 16 Pakete haben nicht dazu geführt, dass sich in der Ukraine etwas verbessert hat." Als Miersch sich erneut zu verteidigen versuchte, gab sich Lanz schliesslich versöhnlich: "Es geht nicht darum, Sie jetzt hier irgendwie in die Enge zu treiben, Herr Miersch. Ich verstehe, wie unvorstellbar schwierig es ist, unter solchen Bedingungen Politik zu machen."

Kriegsreporter genervt von wiederkehrendem Argument

Nicht nur beim Thema Sanktionen, sondern auch, als es um mögliche weitere Waffenlieferungen – insbesondere Taurus-Lieferungen – an die Ukraine ging, zeigte sich Matthias Miersch wortkarg. Als er mehrfach vor den drastischen Folgen warnte, die Taurus-Lieferungen nach sich ziehen könnten, stellte Kriegsreporter Ibrahim Naber genervt klar: "Ich verstehe das Argument nicht, dass wir dadurch zur Kriegspartei werden."

Der Reporter berichtete daraufhin von seinem jüngsten Einsatz in der Ostukraine, wo er eine ukrainische Drohneneinheit an der Front begleitet hatte. Laut Naber seien Drohnen mittlerweile das wichtigste Kriegsmittel im Kampf gegen Russland, da sie das Töten "billig" und "einfach" machten. Dennoch gab der Kriegsreporter zu, dass der Krieg "natürlich wahnsinnig an die Substanz (...) der Ukrainer" gehe. "Ich nehme eine wahnsinnige Erschöpfung innerhalb der ukrainischen Armee wahr. Das ist eine Tiefen-Müdigkeit nach so langem Krieg", so Ibrahim Naber. Er ergänzte, dass er "trotzdem keine Resignation" innerhalb des ukrainischen Volkes verspüre, da es nach wie vor "genügend Soldaten" gebe, "die sagen: Wir wollen kämpfen und wir melden uns auch freiwillig." Zwar sehe Naber "eine hohe Bereitschaft zum Kampf", er warnte jedoch vor der russischen Waffenproduktion, die mittlerweile "wahnsinnig hochgefahren" wurde.

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Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Macht Ihnen das Sorgen?" SPD-Fraktionschef Matthias Miersch nickte: "Es ist dramatisch." Lanz hakte nach: "Aber was ist die politische Konsequenz daraus?" Miersch antwortete erneut schwammig: "Wir haben nicht umsonst seit dem russischen Angriffskrieg diese Zeitenwende ausgerufen. Es ist eine Zäsur!" Das Sondervermögen sei ein Schritt in die richtige Richtung, da "wir in Rüstung so investieren können, wie wir es noch nie gemacht haben". Miersch weiter: "Wir wissen, dass wir im Zweifel auch die Bedrohungslage haben, die sich gegen uns richtet."

Ein Satz, der Kristina Dunz aufhorchen liess. Sie unterstellte den Europäern "eine Hilflosigkeit" und fragte: "Glauben Sie ernsthaft, dass Putin einen NATO-Staat angreifen würde? Also machen wir uns tatsächlich so klein, dass wir sagen, wir sind als Teil der NATO gefährdet, weil wir die Ukraine stärker unterstützen?" Laut Dunz werde Putin vielmehr "dann, wann er Lust hat, sagen, dass wir Kriegspartei geworden sind".

Der Erkenntnisgewinn

Nicht nur beim Thema Russland, auch bei innenpolitischen Belangen musste sich Matthias Miersch den spitzen Fragen des ZDF-Moderators stellen. Lanz zitierte Miersch unter anderem mit den Worten: "Diese Merz-CDU verkörpert so ziemlich alles, wofür ich nicht stehe." Statt die Aussage abzustreiten, konterte Miersch: "Sie haben gut meine ganzen Zitate der letzten Monate recherchiert." Lanz stichelte: "Liebe ist was anderes." Eine Aussage, der der SPD-Fraktionschef zustimmen musste: "Man muss sich auch in der Regierung nicht lieben."

Als es jedoch um das jüngste Wahldebakel seiner eigenen Partei ging, geriet der SPD-Politiker wieder ins Schwimmen. Laut Miersch sei zu viel "in Marketing gedacht worden": "Ich glaube, dass wir an einigen Stellen zu sehr auf Zielgruppen abgestellt haben, (...) wen müssen wir wie mit welchem Inhalt beispielsweise bedienen". Als der Politiker erklärte, "dass wir so etwas wie eine Grundbesinnung auf unsere Grundwerte wieder brauchen", platzte es aus Markus Lanz heraus: "Ist das nicht katastrophal, so zu reden? (...) Wir müssen Zielgruppen bedienen. Markenkern. So reden Werbeagenturen!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF/Markus Hertrich