Statt Einigungen und Aussagen über konkrete Fortschritte dominieren nach dem Alaska-Gipfel vor allem schöne Bilder für den russischen Präsidenten. Politikwissenschaftler Lucian Bumeder ordnet ein, wie es nun weitergeht.
Unter den Augen der Weltgemeinschaft haben sich US-Präsident
Während starke Bilder um die Welt gingen, mangelt es bislang an handfesten Ergebnissen. Im Interview ordnet ein Experte ein, wem der Gipfel genützt hat, welche Hoffnungen nun endgültig vom Tisch sind und wie es weitergeht.
Putin und Trump haben sich in Alaska getroffen. Die Bilder, die um die Welt gegangen sind, zeigen Trump, wie er Putin mit Applaus empfängt – einen mit Haftbefehl gesuchten Kriegsverbrecher. Sind das die Bilder, die hängen bleiben werden?
Lucian Bumeder: Es ist sicherlich sehr symbolisch, dass amerikanische Soldaten buchstäblich den roten Teppich für Putin ausrollen und der Präsident ihm applaudiert. Dennoch bin ich zurückhaltend: Historische Bilder gelten in Zeiten von Trump ein paar Tage und sind nicht immer mit politischen Ergebnissen verbunden. Es gibt eine lange Liste an tollen Bildern mit europäischen Staatschefs und trotzdem sind sie sehr unglücklich mit Trumps Politik.
Im Vorfeld waren grosse Erwartungen und auch Ängste an das Treffen geknüpft worden. Europa fürchtete, Trump könne einen Deal zu Ungunsten der Ukraine abschliessen. Das ist nicht passiert. Wem hat der Gipfel nun genützt?
Im Grossen und Ganzen ist bisher nicht viel dabei rumgekommen. Zumindest nicht das, was öffentlich bekannt ist. Es gab ursprünglich mal den Vorschlag und eine gewisse Dynamik dafür, dass sich Putin, Trump und Selenskyj zu dritt treffen. Dass es jetzt ein bilaterales Treffen zwischen den USA und Russland wurde, ist auf jeden Fall ein diplomatischer Erfolg für Putin. Auch die Drohungen von sekundären Sanktionen oder neuen, nochmal höherwertigen Waffenlieferungen sind jetzt wieder vom Tisch.
Putin ist also der "Gewinner" des Treffens?
Das sind zwar Erfolge für ihn, aber es hat sich nichts am Zustand zu vor zwei Wochen geändert. Es ist noch zu früh, um von Erkenntnissen zu sprechen – europäische Staatsführer und Selenskyj werden jetzt erst durch Trump über den Verlauf des Treffens informiert. Erst dann wird klarer, was wirklich besprochen wurde. Es wird sicherlich unterschiedliche und widersprüchliche Leaks und Aussagen von russischer, amerikanischer und ukrainischer Seite geben – alle in dem Versuch zu definieren, was überhaupt das Ergebnis dieses Gipfels ist.
"Die westliche Welt, die Putin isoliert, ist nicht die ganze Welt."
Was kann man bereits jetzt sagen?
Die Ukraine ist nach wie vor das Hauptthema für die Beziehungen zwischen Russland und den USA. Hoffnungen auf russischer Seite, dass eine Normalisierung der Beziehungen mit den USA möglich wäre, ohne einen Waffenstillstand in der Ukraine vorzuziehen, sind vom Tisch.
Das heisst, die Ukraine hat dann doch bei dem Treffen eine relativ grosse Rolle gespielt? Im Vorfeld bestand die Sorge, sie könne nur als Unterpunkt in einem grösseren Deal abgehandelt werden.
Als Gesprächsgegenstand hat sie definitiv die Hauptrolle gespielt. Zu wirtschaftlichen Kooperationen und strategischen Nuklearwaffen gab es nur Randerwähnungen.
Putin hat sich beim Gipfel sichtlich wohlgefühlt – etwa beim Militärempfang oder bei einer Fahrt in Trumps Sicherheitsfahrzeug. Ist er mit einem solchen Empfang nun zurück auf der internationalen Weltbühne?
Er war nie isoliert. Es gab persönliche Treffen mit Indiens Präsident Modi, mit Chinas Präsident Xi, regelmässigen Kontakt mit Netanjahu und Erdogan. Alle Staaten der Nachbarschaft von Russland sind nach wie vor auf Kontakt mit dem Kreml angewiesen. Die westliche Welt, die Putin isoliert, ist nicht die ganze Welt. Und selbst aus dem Westen gab es Telefonate mit Macron und Scholz – auch nach Kriegsbeginn. Das ändert aber nichts daran, dass Russland in einer schwachen Position ist.
Was heisst das?
Russland ist zwar nicht isoliert, aber gerade wie jetzt auch im Verhandlungsprozess zwischen Armenien und Aserbaidschan sichtbar ist, muss Putin Politikergebnisse akzeptieren, die vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wären. Das Treffen von Russland und den USA entsprach aber Putins Vorstellung von Grossmächte-Politik, wie sie sein sollte. Grosse Männer der Geschichte treffen sich und entscheiden über die Weltpolitik.
Und ist das so?
Wie gross die Möglichkeit ist, die Wirklichkeit tatsächlich zu gestalten, muss sich jetzt zeigen. Es existieren nach wie vor grosse politische Differenzen zwischen den beiden Positionen.
Wie wird es nun weitergehen mit Blick auf die Ukraine?
Es scheint eine recht klare Vorstellung Trumps zu geben, wie eine mögliche Konfliktlösung aussehen kann. Diese Vorstellung kann sich in den nächsten Tagen aber auch immer wieder ändern, weil er mit anderen Parteien spricht, die an dem Konflikt beteiligt sind. Zentral ist, dass Trump einen schnellen Waffenstillstand will. Das ist sein wichtigstes Interesse. Dafür ist er bereit, Zugeständnisse zu machen.
Zum Nachteil der Ukraine?
Etwa die Gebiete, die Russland aktuell kontrolliert, anzuerkennen, oder die US-Sanktionen aufzuheben. Das ist sehr weit davon entfernt, die Ukraine dazu zu zwingen, jetzt Gebiete aufzugeben, die sie noch kontrollieren oder die militärische Unterstützung durch europäische Käufe zu beenden. Das wiederum sind Kernforderungen, die Russland hat. Bei den Formulierungen der letzten Tage war klar, dass sich an dieser Position nichts geändert hat.
Trump will, dass Selenskyj den "Deal" selbst abschliessen soll. Was bedeutet das?
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Trump baut Druck auf, aber es gibt eher Anzeichen für eine engere Abstimmung mit Europa als es zu Beginn seiner Präsidentschaft der Fall war. Trotz aller diplomatischen Vorgänge sind die entscheidenden Entwicklungen leider mehr auf militärischer Ebene. Es gibt keine Feuerpause an der Front. Russland hat aktuell einen Vorteil und wird diesen weiter ausnutzen und versuchen, daraus politischen Druck abzuleiten.
Aber Russland ist militärisch nicht in der Lage, seine gross gesteckten politischen Ziele zu erreichen?
Genau, und gleichzeitig gibt es von europäischer Seite keinerlei Anzeichen, dass irgendwelchen Sicherheitszusagen, die von russischer Seite kommen, Glauben geschenkt wird. Das heisst, auch bei einem Waffenstillstand müsste man hoffen, dass es in den Jahren der verbleibenden Trump-Präsidentschaft nicht zu einem neuen Angriff kommt. Die eigene Aufrüstung und die Sicherheitskooperation mit der Ukraine wird sich fortsetzen.
Über den Gesprächspartner
- Lucian Bumeder arbeitet am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Er hat Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen studiert und forscht zu konventioneller und nuklearer Rüstungskontrolle in Europa sowie zu russischer Aussen- und Sicherheitspolitik.