Der Nationale Sicherheitsberater hat das Ohr des US-Präsidenten bei Fragen zur Aussen- und Sicherheitspolitik. Mike Waltz' Abgang ermöglicht eine Konstellation, die es seit Jahrzehnten nicht mehr gab.

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US-Präsident Donald Trump hat die bislang tiefgreifendste personelle Veränderung in seiner Regierung angeordnet und den Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz abberufen.

Waltz geht, Rubio kommt: Trump sortiert Machtzirkel neu
US-Aussenminister Marco Rubio (r.) soll bald den Posten des nationalen Sicherheitsberater der USA von Mike Waltz (l.) übernehmen. (Archivbild) © Saul Loeb/AFP Pool/AP/dpa

Waltz soll aus dem Weissen Haus in Washington zu den Vereinten Nationen in New York wechseln und dort amerikanischer Botschafter werden - im Vergleich zu früheren Personalabgängen während Trumps erster Amtszeit eine für beide Seiten einigermassen gesichtswahrende Lösung. Offenbar wurde Waltz die Affäre um einen Gruppenchat über die kommerzielle App Signal zum Verhängnis.

Aussenminister Marco Rubio soll Waltz' bisherigen Posten vorübergehend mit übernehmen und damit noch näher an Trump heranrücken. Er berät den Präsidenten künftig in Fragen der nationalen Sicherheit und Aussenpolitik - quasi als internationaler Krisenmanager. Der letzte Amtsträger, der gleichzeitig sowohl die Rolle des Aussenministers als auch des Nationalen Sicherheitsberaters ausfüllte, war Henry Kissinger Anfang der 1970er Jahre.

Waltz nach Signal-Skandal unter Druck

"Ich fühle mich zutiefst geehrt, meinen Dienst für Präsident Trump und unsere grosse Nation fortzusetzen", kommentierte Waltz auf der Plattform X seine Versetzung. Der ehemalige Offizier aus Florida war im Weissen Haus laut US-Medien schon länger in Ungnade gefallen.

Trump respektiere Waltz zwar, sei mit seiner Arbeit und Personalauswahl aber nicht sonderlich zufrieden gewesen, heisst es. Der Tropfen, der das Fass wohl zum Überlaufen brachte, war der Skandal um den via Signal-App geführten Gruppenchat hochrangiger Regierungsmitglieder über bevorstehende Angriffe auf die Huthi-Miliz im Jemen.

Waltz hatte im März versehentlich den Chefredakteur des US-Magazin "The Atlantic", Jeffrey Goldberg, zu dem Chat hinzugefügt - und damit ermöglicht, dass die heikle Kommunikation in der Presse landete. Die Affäre bescherte der Regierung höchst unliebsame Schlagzeilen und brachte Waltz in Erklärungsnot.

Wie die Nummer des Journalisten in sein Handy und dieser dann in die Gruppe gekommen sei, wisse er nicht, verteidigte er sich. Vielleicht sei ein Kontakt in seinem Adressbuch mit einer anderen Nummer abgespeichert gewesen, mutmasste er.

Berichten zufolge wollte Trump ihn schon länger feuern. Es habe aber nicht so aussehen sollen, als würde der Präsident der negativen Presse nachgeben, hiess es.

US-Vize Vance spricht von "Beförderung"

Waltz trat in der Öffentlichkeit weniger krawallig auf als manch anderer aus Trumps engstem Zirkel. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sah er vor allem die europäischen Partner in der Pflicht, mehr zu tun und stimmte als Abgeordneter im Kongress im vergangenen Jahr gegen neue Milliardenunterstützung für Kiew. Gleichzeitig ist er ein scharfer Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin und hat zumindest in der Vergangenheit die Ernsthaftigkeit russischer Verhandlungsangebote offen angezweifelt.

Mit seiner Versetzung nach New York blieb ihm das Los früherer Trump-Protegés erspart, die gänzlich entmachtet und vom Präsidenten mit Schimpf und Schande vom Hof geschickt wurden. Der UN-Posten ist zwar nicht an der Spitze der Machtzentrale in Washington angesiedelt, hat aber Kabinettsrang.

Bei der Ausgestaltung der internationalen Politik der USA wird Waltz künftig aber eher die zweite Geige spielen. Da nützt es auch nichts, dass Trumps Vize JD Vance die Personalie als "Beförderung" darstellt. Ausserdem gilt es für Waltz auch noch eine Hürde zu überwinden: Die Neubesetzung des - zurzeit verwaisten - Postens des UN-Botschafters muss vom Senat abgesegnet werden. Zwar haben die Republikaner dort eine knappe Mehrheit, aber um die üblichen Anhörungen vor der Abstimmung wird Waltz nicht herumkommen.

Die Demokraten - und eventuell auch der eine oder andere Republikaner - dürften ihn mit Blick auf die Signal-Affäre mit äusserst unangenehmen Fragen konfrontieren. Spott hat ihm die Panne ohnehin zur Genüge eingebracht. Selbst nach seinem Abgang musste ihm das Weisse Haus noch einmal zur Seite springen: Denn auf Fotos ist zu sehen, wie Waltz während einer Kabinettssitzung am Mittwoch die Signal-App auf seinem Handy checkt. Der Kommunikationsdirektor des Weissen Hauses, Steven Cheung, reagierte: "Signal ist eine zugelassene App, die auf unsere Regierungstelefone geladen wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit in dieser Angelegenheit."

Rubio tritt in Kissingers Fussstapfen

Mit Waltz' Abgang, den das Weisse Haus nicht als Entlassung verstanden sehen will, rückt Aussenminister Rubio noch stärker in den Fokus. Der Sohn kubanischer Einwanderer war vergangenen Sommer als Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten unter Trump im Gespräch. Die Wahl fiel dann letztlich auf Vance, während der damalige republikanische Senator aus Florida mit dem nicht minder einflussreichen Amt des Aussenministers vorliebnahm.

Die Sprecherin des US-Aussenministeriums, Tammy Bruce, erfuhr von der Entscheidung Trumps, ihren Chef Rubio übergangsweise auch zum Nationalen Sicherheitsberater zu machen, augenscheinlich vor laufenden Kameras bei einem Pressegespräch. Konfrontiert mit Trumps Social-Media-Post dazu und der Frage einer Journalistin, wie lange der Aussenminister beide Ämter ausfüllen werde, sagte sie: "Es ist offensichtlich, dass ich das gerade von Ihnen gehört habe." Sie sprach in diesem Zusammenhang von einem "Wunder der modernen Technologie und der sozialen Medien".

Rubio macht Druck bei Ukraine-Friedensverhandlungen

Ähnlich wie Waltz ist Rubio nicht fürs Herumpoltern bekannt und wirkt zurückhaltender als etwa Vizepräsident Vance oder Verteidigungsminister Pete Hegseth. Trumps Hardliner-Positionen vertritt der 53-Jährige dennoch offensiv.

Während des Eklats vor laufenden Kameras beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus gehörte Rubio nicht zu denen, die den Ukrainer aggressiv angingen. Vielmehr sass er schweigend daneben und wirkte fast peinlich berührt. Doch war er es gemeinsam mit Waltz, der Selenskyj Berichten nach im Anschluss die Tür gewiesen haben soll.

Auch drohte Rubio als Erster öffentlich damit, dass sich die USA aus den Vermittlungen um ein Ende des russischen Angriffskriegs zurückziehen könnten, wenn sich Russland und die Ukraine nicht schnell auf ein Friedensabkommen einigen. Für die Ukraine bedeutet die Personalrochade also mitnichten einen Grund zum Aufatmen.

Für den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters braucht Rubio nicht die Zustimmung des Senats - er kann quasi sofort loslegen. Und sein Portfolio um eine weitere Aufgabe bereichern: Aktuell ist der Republikaner auch noch Archivar der Vereinigten Staaten und Direktor von USAID, der US-Behörde für internationale Entwicklungszusammenarbeit.

Vance versuchte sich mit Blick auf die Ämteranhäufung seines Kollegen an einem Scherz. Offensichtlich bezogen auf den Papst, den der bekennende Katholik kurz vor dessen Tod noch persönlich getroffen hatte, schrieb er: "Ich denke, er könnte noch etwas mehr übernehmen. Wenn es doch nur eine freie Stelle für einen gläubigen Katholiken gäbe..." Darauf angesprochen entgegnete Rubio in einem TV-Interview, um Papst zu werden, müsse man ein unverheirateter Mann sein. "Aber ich habe geheiratet und bin glücklich verheiratet." (dpa/bearbeitet von lla)

Teaserbild: © Saul Loeb/AFP Pool/AP/dpa