Washington - Angesichts anhaltender russischer Angriffe auf die Ukraine fordert Aussenminister Johann Wadephul einen Schulterschluss mit den USA im Umgang mit Kremlchef Wladimir Putin. "Damit Putin endlich an den Verhandlungstisch kommt, damit Russland endlich in ernsthafte Verhandlungen einsteigt, müssen wir den Druck aufrechterhalten", erklärte der CDU-Politiker zu seinem heutigen Antrittsbesuch in den USA. "Wir Europäer werden die Sanktionsschrauben weiter anziehen, auch der US-Kongress ist zu mehr Sanktionen bereit."

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In der Hauptstadt Washington will Wadephul mit seinem US-Kollegen Marco Rubio über ein gemeinsames Vorgehen bei den aktuellen internationalen Krisen beraten.

Es ist die bisher wohl kniffligste Reise des neuen deutschen Aussenministers. Die USA sind wichtigster Partner Deutschlands ausserhalb der EU. Doch das transatlantische Verhältnis ist nicht spannungsfrei. Und US-Präsident Donald Trump und seine Regierungsmannschaft gelten als unberechenbar. Die Reise Wadephuls dient auch als Vorbereitung für einen USA-Besuch von Kanzler Friedrich Merz (CDU). Merz hat verkündet, in Kürze nach Washington reisen und Trump treffen zu wollen.

Besuch an Rubios Geburtstag

Rubio, der heute seinen 54. Geburtstag feiert, hat Wadephul nach Washington eingeladen. Erstmals nach seinem Amtsantritt hatte sich die beiden Mitte Mai bei einem informellen Treffen der Nato-Aussenminister in der türkischen Stadt Antalya persönlich ausgetauscht.

Die wichtigsten Themen des heutigen Treffens:

Unterstützung für die Ukraine - Suche nach Friedenslösung

Wie wichtig ein transatlantischer Schulterschluss für die Freiheit in Europa sei, führe Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine eindringlich vor Augen, mahnt Wadephul. Putin setze seine Angriffe trotz intensiver Friedensdiplomatie, die auch und gerade von den USA verfolgt wird, mit unverminderter Brutalität fort. Bei seinen Gesprächen in Washington werde es daher um gemeinsame Ziele gehen: "Wir wollen das Sterben in der Ukraine endlich beenden, wir wollen einen sofortigen Waffenstillstand, und wir wollen einen nachhaltigen Frieden."

Das Ringen um einen Waffenstillstand für die Ukraine kommt trotz aller Absichtsbekundungen bislang nicht voran. In Kiew forderten Merz und die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Grossbritannien und Polen Kremlchef Putin am 10. Mai ultimativ zu einem bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand auf und drohten mit Finanz- und Energiesanktionen sowie einer Ausweitung der Waffenlieferungen an die Ukraine. Doch Trump zog nicht wie erhofft mit, Putin lässt die Ukraine seither nur umso stärker angreifen.

Nato-Finanzierung - reicht den USA die Formel 3,5 plus 1,5?

Derzeit sieht das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben jährliche Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) vor. Trump fordert, dass die europäischen Nato-Mitglieder und Kanada weitaus mehr bezahlen. Bei ihrem Gipfel in knapp vier Wochen in Den Haag soll die Nato nach seinem Willen beschliessen, dass ihre Mitglieder künftig fünf Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben.

Wadephul stellte sich erneut hinter den Vorschlag von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, die Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP zu erhöhen und weitere 1,5 Prozent zusätzlich für militärisch notwendige Infrastruktur auszugeben. Der Aussenminister dürfte von Rubio nun erfahren wollen, ob auch US-Präsident Donald Trump mit dem Rutte-Vorstoss leben kann. Rubio selbst hatte seine Zustimmung schon deutlich gemacht.

Problemherd Nahost - Lage im Gazastreifen

Mit den US-Partnern will Wadephul angesichts des Leidens der Menschen im Gazastreifen ausloten, wie sich eine Zweistaatenlösung als beste Chance für einen dauerhaften Frieden in der Region realisieren liesse. "Wir brauchen dringend einen Durchbruch in den Verhandlungen über einen Waffenstillstand, der zur Freilassung der Geiseln und einer massiven Ausweitung der humanitären Hilfe führt", sagt der Aussenminister. Er und Merz übten jüngst immer lauter Kritik am militärischen Vorgehen Israels.

Zwar hat eine von Israel und den USA unterstützte Stiftung eigenen Angaben zufolge nach einer mehrmonatigen Blockade durch Israel erste Hilfsgüter an Palästinenser im Gazastreifen verteilt - doch es gibt Probleme und weiterhin grosse Not. Trump hatte im Februar erklärt, die USA könnten das grossflächig zerstörte Küstengebiet übernehmen, neu aufbauen und in eine "Riviera des Nahen Ostens" verwandeln. Die rund zwei Millionen Bewohner des dicht besiedelten Gazastreifens müssten dafür umgesiedelt werden.

Gegen Zollmauern und Handelskriege

Angesichts der Drohungen Trumps mit Strafzöllen von 50 Prozent auf Importe aus Europa richtete Wadephul einen Appell an die US-Regierung: "In einer global vernetzten Welt wollen wir keine neuen Zollmauern errichten, sondern stabile Brücken aus Partnerschaft und Vertrauen bauen." Zugleich kündigte er an: "Unsere Interessen werden wir – wie auch unsere Partner in den USA – weiter selbstbewusst in der Welt vertreten." Trump hatte der EU am Freitag überraschend mit Strafzöllen von 50 Prozent auf Importe aus Europa ab 1. Juni gedroht - und den Vollzug kurz darauf um gut einen Monat aufgeschoben.  © Deutsche Presse-Agentur