Zwölf US-Bundesstaaten haben Klage gegen die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump eingereicht. Sie argumentieren, dass die Zölle erratisch und rechtswidrig sind und die US-Wirtschaft ins Chaos stürzen. Doch wie stichhaltig sind die Argumente der Bundesstaaten? Und haben Sie eine Chance gegen Trump?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Adrian Arab sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die USA sind ein föderal organisiertes Land. Das bedeutet, dass die politische Macht zwischen der Bundesregierung in Washington und den 50 einzelnen Bundesstaaten aufgeteilt ist. Jeder dieser Bundesstaaten hat eine eigene Verfassung, eine eigene Regierung, ein eigenes Parlament, eigene Gerichte und eigene Gesetze. Während in Bereichen wie Bildung, Steuern oder Umweltpolitik dieser Föderalismus besonders stark ausgeprägt ist, spielt er in der Währungs- oder Sicherheitspolitik eine untergeordnete Rolle.

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"Die US-Bundesstaaten sind rechtlich weitaus unabhängiger als die deutschen Bundesländer", erklärt der US-Völkerrechtler Kirk W. Junker im Gespräch mit der Redaktion. "Sie haben in den meisten Rechtsbereichen ihre eigenen Gesetze, Gerichte und Regeln. Daher können sie die USA oder eine ihrer Behörden verklagen und tun dies auch ziemlich oft."

Bundesstaaten können gegen Entscheidungen des Präsidenten klagen, wenn sie sich in ihren verfassungsmässigen Rechten verletzt sehen oder ihnen wirtschaftlicher Schaden entsteht. Im aktuellen Fall argumentieren sie, Trump nutze den "International Emergency Economic Powers Act" (IEEPA) unrechtmässig, um Zölle zu verhängen. Dieser gibt dem Präsidenten Spielraum bei einem nationalen Notstand.

So bezeichnete Arizonas Generalstaatsanwältin Kris Mayes Trumps Plan als "wahnsinnig" und "wirtschaftlich rücksichtslos". William Tong aus Connecticut nannte die Zölle eine "Katastrophe" für Unternehmen. Einige Staaten sehen darin einen Eingriff in die Wirtschaftsordnung und ein politisches Vorrecht des Kongresses.

Wie oft verklagen Staaten den Präsidenten?

Solche Klagen sind nicht alltäglich, kommen aber vor. Ein prominentes Beispiel sind Trumps "Travel Ban"-Erlasse von 2017: Trump verhängte in seiner ersten Amtszeit Einreiseverbote für Bürger muslimischer Länder. Bundesstaaten wie Hawaii und Washington klagten dagegen und sahen sich durch den Staat wegen religiöser Diskriminierung und wirtschaftlicher Schäden in ihren Rechten verletzt. Die Massnahmen wurden vor Gericht gestoppt und mehrfach überarbeitet, bevor sie in einer dritten und deutlich abgemilderten Version vom Supreme Court gebilligt wurden.

Auch Barack Obamas Klimaplan scheiterte in Teilen vor Gericht. Republikanische Staaten wehrten sich gegen den Clean Power Plan wegen angeblicher Eingriffe in ihre Energiepolitik.

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Umgekehrt können die Bundesstaaten die Bundesregierung aber auch auf Untätigkeit verklagen, wie im Fall Massachusetts v. EPA aus dem Jahr 2007. In diesem Verfahren warfen mehrere Staaten, angeführt von Massachusetts, der Umweltbehörde EPA vor, sich der Regulierung von Treibhausgas-Ausstössen zu verweigern, und wollten sie zur Gesetzestreue verpflichten. Die Kläger gewannen damals knapp. Der Fall sorgte für Aufsehen, weil er zeigte, dass Bundesstaaten nicht nur die exekutive Macht des Präsidenten überprüfen können, sondern auch die Untätigkeit von Bundesbehörden juristisch angreifbar sind, wenn gesetzliche Pflichten verletzt werden.

Welche Bedeutung hat Kalifornien in diesem Verfahren?

Kalifornien ist besonders stark betroffen. Die Häfen von Los Angeles und Long Beach schlagen rund 40 Prozent aller US-Importe um. Viele kommen aus China, auf das Trump hohe Zölle verhängte. Kalifornien importierte 2023 Waren im Wert von über 170 Milliarden US-Dollar aus China, von denen viele als Vorprodukte für Tech-Firmen wie Apple dienen. Der grosse Landwirtschaftssektor wiederum exportiert Waren wie Wein und Mandeln in die ganze Welt. In guten Zeiten sorgt dieser Warenverkehr für sprudelnde Steuereinnahmen. Trumps Zollkapriolen treffen Kalifornien jetzt aber besonders hart.

Gouverneur Gavin Newsom war deshalb auch einer der ersten, die gegen Trumps Zölle klagten. "Das neue Zollregime hat bereits verheerende Auswirkungen auf unsere Wirtschaft gehabt", heisst es in der Klageschrift. Kalifornien trage einen "übermässigen Anteil" der Last.

Dass jener Bundesstaat, der sich seit jeher als liberaler Gegenpol zu Trumps Politik versteht, besonders entschieden gegen die Zollpolitik vorgeht, hat im Konflikt zwischen Trump und den Bundesstaaten eine besondere Bedeutung. Zum einen kann Kalifornien die wirtschaftlichen Schäden sehr glaubhaft geltend machen und anhand steigender Verbraucherpreise oder drohender Entlassungen auch konkret beziffern.

Zum anderen bringt Kalifornien enorme juristische Ressourcen und Erfahrung mit, wenn es um komplexe Verfassungsfragen geht. Von der Einwanderungspolitik über den Umweltschutz bis hin zur Gesundheitspolitik oder Waffenkontrollen war Kalifornien oft an vorderster Front, wenn es darum ging, präsidentielle Macht einzugrenzen, und das nicht selten erfolgreich. Daraus hat sich eine juristische Infrastruktur entwickelt, die es Trump vor Gericht schwer machen könnte.

Wie stichhaltig ist Trumps Argumentation?

Trump beruft sich auf zwei Gesetze: den IEEPA von 1977 und Abschnitt 232 des Trade Expansion Act von 1962. Er sieht im Handelsdefizit eine "ungewöhnliche Bedrohung" für Jobs, die nationale Sicherheit und Verhandlungspositionen der USA, vor allem gegenüber China.

Experten bezweifeln, dass das reicht. Der Politikwissenschaftler Paul Sacric argumentiert im "Wall Street Journal" etwa, dass solch weitreichende Massnahmen eine gesetzliche Grundlage durch den Kongress bräuchten. Auch Junker sieht Trumps Argumentation als zu weit hergeholt. "Der Kongress hat verschiedene Gesetze erlassen, die es dem Präsidenten erlauben, unter bestimmten Bedingungen, vor allem aber unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen, Zölle zu erheben", sagt er. "Da dem Präsidenten diese Bedingungen und Sicherheitsvorkehrungen nicht gefallen, versucht er, einen Notstand geltend zu machen."

Dabei hat Trump inhaltlich sogar einen Punkt. Tatsächlich kontrolliert China grosse Teile des Weltmarkts für Seltene Erden, Germanium und Wolfram. Diese Rohstoffe sind für die US-Rüstung und Hightech-Branchen entscheidend, weshalb China auch bei der militärischen Ausrüstung für die US-Streitkräfte ein entscheidender Zulieferer sind. Keine besonders gute Situation, blickt man auf die Spannungen zwischen beiden Ländern.

Dazu kommen entscheidende Anteile an der US-Infrastruktur: So betreibt ein einzelnes chinesisches Unternehmen rund 80 Prozent aller Kräne in US-Häfen, wie eine Regierungskommission unlängst herausfand. Doch ob Trump mit seinen Sicherheitsargumenten einen Punkt hat, ist vor Gericht nicht entscheidend. Dort geht es allein um die Frage, ob Trump im Alleingang Zölle verhängen darf.

Wie restriktiv Gerichte auch angesichts nationaler Notlagen urteilen, zeigt das Urteil Youngstown Sheet & Tube v. Sawyer (1952). Damals untersagte der Supreme Court Präsident Truman, die Stahlindustrie im Koreakrieg zu verstaatlichen, trotz nachvollziehbarer Sicherheitsargumente. "Im Vergleich dazu ist eine Meinungsverschiedenheit über die Handelsbilanz kaum ein Fall nationaler Sicherheit", sagt Junker.

Könnte die Klagen Trumps Handlungsspielraum tatsächlich begrenzen?

Das hängt vom Verlauf des Verfahrens ab. Eine einstweilige Verfügung könnte die Zölle stoppen, bevor ein Urteil fällt. Zunächst entscheidet der U.S. Court of International Trade in New York. Danach landet der Fall wahrscheinlich vor dem Obersten Gerichtshof.

Wird dort entschieden, dass Trumps Massnahmen keine ausreichende Grundlage haben, wäre das ein schwerer Schlag für seine Wirtschaftspolitik. Der Bund könnte zu Entschädigungen verpflichtet werden, zudem entstünde ein Präzedenzfall: Künftige Präsidenten müssten nationale Sicherheitsgründe enger begründen, der Kongress könnte ein neues Gesetz verabschieden oder engere Kontrollmöglichkeiten in bestehende Gesetze einflechten.

"Allein auf Grundlage der Klagebilanz gegen Trump liegt die Erfolgschance für die Bundesstaaten bei rund 55 Prozent", sagt Junker und verweist darauf, dass in Trumps aktueller Amtszeit von 162 Klagen 63 erfolgreich, 55 bis heute noch offen und 44 abgewiesen worden seien.

Über den Gesprächspartner

  • Professor Kirk W. Junker ist Inhaber des Lehrstuhls für US-amerikanisches Recht an der Universität zu Köln. Er forscht überwiegend auf den Gebieten des amerikanischen Rechts, Völkerrechts, Internationalen Umweltrechts sowie des Europarechts.

Verwendete Quellen