Kommt die Formel 1 zurück nach Deutschland? Wie realistisch ist das wirklich? Was braucht es dafür und welche Auswirkungen hätte es? Darüber haben wir mit Hockenheimring-Chef Jorn Teske gesprochen.
2019 fand das letzte Mal ein Formel-1-Rennen auf dem Hockenheimring statt. 2020 ging auf dem Nürburgring letztmals ein WM-Lauf auf deutschem Boden über die Bühne. Seitdem ist Deutschland nicht mehr Bestandteil des Kalenders der Königsklasse. Die Traditionsrennstrecken haben ihr Interesse stets signalisiert, allerdings nur dann, wenn bei den Finanzen am Ende zumindest eine schwarze Null herauskommt.
Mit einer neuen Investorengruppe am Hockenheimring wurden die Spekulationen über eine Formel-1-Rückkehr zuletzt wieder lauter. Wir haben mit Hockenheimring-Chef Jorn Teske darüber gesprochen, wie realistisch das wirklich ist, was es dafür braucht und welche Auswirkungen ein Comeback hätte.
Herr Teske, wann kehrt der Hockenheimring in den Formel-1-Kalender zurück?
Jorn Teske: Das kann derzeit niemand seriös beantworten. An den Grundvoraussetzungen hat sich nichts geändert. Neu ist lediglich, dass im Mai eine private Investorengruppe bei uns eingestiegen ist. Zuvor war die Stadt Hockenheim Hauptgesellschafterin. Natürlich sorgt dieser Wechsel für Spekulationen, ob sich damit Chancen für eine Rückkehr der Formel 1 verbessern.
Was hat sich durch die neuen Investoren verändert?
Die neue Gruppe bringt viel Motorsport-Leidenschaft mit, aber auch geschäftliches Know-how und ein starkes Netzwerk. Das ist eine gute Basis, um über die Formel 1 nachzudenken. Aber ein Grand Prix steht und fällt mit der finanziellen Konstruktion, und die ist weiterhin eine enorme Hürde. Allein der Gesellschafterwechsel bedeutet nicht, dass sofort konkrete Gespräche oder gar eine Rückkehr fixiert wären.
"Wir sind Optimisten, aber auch Realisten."
Wie hat die Investorengruppe auf die jüngsten Aussagen von F1-Boss Stefano Domenicali und die Comeback-Spekulationen in den Medien reagiert?
Natürlich haben wir die Reaktionen in den Medien auch mit unseren neuen Partnern besprochen. Wir sind uns einig: Wir bleiben bei unserer Linie. Das bedeutet, wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken, aber auch nicht so tun, als würde uns das Thema nicht interessieren. Wir arbeiten daran, aber wir werden nicht im Wochentakt Schlagzeilen produzieren, nur um präsent zu sein. Lieber sprechen wir dann, wenn es wirklich etwas zu verkünden gibt. Alles andere wäre unseriös. Es ist eben ein Prozess, das dauert. Ende offen.
"Hoffen weiterhin auf ein Comeback"
Sind Sie trotzdem optimistischer als in den vergangenen Jahren?
Wir sind Optimisten, aber auch Realisten. Natürlich hoffen wir weiterhin auf ein Comeback, aber es muss wirtschaftlich tragfähig sein und darf niemanden ins Risiko treiben. Positiv ist, dass auch die Formel 1 regelmässig ihr Interesse an Deutschland betont. Beide Seiten haben also eine Vision. Aber das bedeutet eben auch: viele Gespräche, viel Arbeit – eine Prognose würde ich nicht abgeben.
Wie sieht der Kontakt zu Liberty Media konkret aus?
Es gibt immer wieder Kontakt, aber keine konkreten Verhandlungen. Im Moment liegt der Fokus darauf, intern und mit unseren neuen Partnern auszuloten, welche Möglichkeiten bestehen. Die Investoren sind primär angetreten, um die Infrastruktur des Rings aufzuwerten. Das Thema Formel 1 stand zwar von Beginn an im Raum, aber der Schwerpunkt liegt zunächst auf der Modernisierung der Anlage.
"Einen festen Zeitplan jetzt auszurufen, wäre vermessen."
Gibt es einen Zeitrahmen, auf den Sie hinarbeiten?
Nein, wir setzen uns kein fixes Jahr. Natürlich wünschen wir uns mehr Klarheit, damit wir wissen: Können wir das Projekt wirklich weiterverfolgen – oder müssen wir es irgendwann abhaken, weil die Dimensionen einfach nicht machbar sind? Aber einen festen Zeitplan jetzt auszurufen, wäre vermessen. Am Ende hängt vieles von den Gesprächen ab, die wir führen, und von den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Wir wollen das Thema nicht endlos strecken, aber einen fixen Termin gibt es nicht.
Über welche Summe reden wir, wenn es heutzutage um die Austragung eines Grand Prix geht?
Konkrete Zahlen habe ich nicht. Und wenn, würde ich sie hier nicht nennen. Fest steht: Seit unserem letzten Rennen 2019 hat sich die Formel 1 massiv verändert. Sie boomt weltweit, erschliesst neue Zielgruppen, ist medial präsenter denn je. Das sorgt natürlich dafür, dass auch die Budgets gestiegen sind.
Wen sehen Sie als mögliche Partner, um das Budget zu stemmen?
Dafür braucht es ein breites Bündnis: Wirtschaft, Partnerunternehmen, aber auch die Hersteller. Wer alles infrage kommt, wird derzeit in Ruhe sondiert – im Hintergrund, nicht öffentlich Fest steht: Wir als Hockenheimring wollen die Formel 1 zurückholen, wir haben mit dem FIA-Grade-1-Zertifikat die formale Berechtigung, sofort ein Rennen auszutragen, wir liegen mitten im Autoland Deutschland und bringen viele Standortvorteile mit.
"Deutschland hat sich mit globalen Sportgrossereignissen schwergetan"
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Land oder Bund finanzielle Unterstützung leisten könnten?
Das lasse ich völlig offen. Natürlich wird beobachtet, welche Strahlkraft die Formel 1 hat. Gleichzeitig hat sich Deutschland in der Vergangenheit mit globalen Sportgrossereignissen schwergetan. Das war ein Grund, warum der Hockenheimring wie auch der Nürburgring vorerst aus dem Formel-1-Kalender verschwanden: Andere Länder haben ihre Rennstrecken massiv unterstützt – hierzulande war das nicht der Fall. Ob sich daran etwas ändert, kann ich nicht sagen.
Wie ist in dieser Hinsicht das Standing der Formel 1 in Deutschland?
Im Augenblick ist für mich noch kein Richtungswechsel erkennbar, auch wenn er perspektivisch durchaus möglich ist. Politisch war es bislang nicht opportun, sich für die Formel 1 starkzumachen – so schien es zumindest. In anderen Ländern setzen sich Präsidenten oder Regierungschefs direkt für einen Grand Prix ein, bei uns war das undenkbar. Das hilft natürlich enorm, wenn der Staat so etwas unterstützt. Wir konzentrieren uns daher zunächst auf das, was wir mit eigenen Partnern und Netzwerken stemmen können. Vielleicht ist jetzt tatsächlich ein günstiger Moment, das Thema neu anzugehen.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Einstieg von Audi?
Ganz sicher ist es für die Fans ein Gewinn, dass mit Audi ein zweiter deutscher Hersteller in die Formel 1 kommt. Das bringt neue Anhänger und zusätzliche Aufmerksamkeit. Wie stark Audi den Standort Deutschland am Ende tatsächlich priorisieren wird, bleibt abzuwarten und muss in Gesprächen geklärt werden. Helfen kann es aber in jedem Fall.
Und was würde eine Rückkehr der Formel 1 für den deutschen Motorsportstandort bedeuten – wirtschaftlich, sportlich, aber auch emotional?
Wenn die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen, ist die Formel 1 ohne Frage das absolute Highlight bei uns im Motorsportkalender. Allein das Label "Grand-Prix-Strecke" bringt eine Rennstrecke in eine andere Liga und hat auch Abstrahleffekte – auf andere Rennserien, auf Veranstalter, auf potenzielle Kunden. Für uns wäre es ein Riesengewinn.
Hockenheimring kommt auch ohne Formel 1 klar
Sie kommen aber auch ohne Formel 1 klar?
Ja, wir können auch ohne Formel 1 solide wirtschaften. In den vergangenen Jahren haben wir gezeigt, dass man mit einer Vielzahl anderer Events ein stabiles Geschäft betreiben kann – Veranstaltungen, die vielleicht nicht die gleiche Strahlkraft besitzen, wirtschaftlich aber durchaus attraktiv sind.
Bei der Formel 1 ginge es aber um mehr als nur den Hockenheimring...
Für die Automobilnation Deutschland wäre ein Grand Prix ein starkes Signal. Sowohl für die Branche selbst, die zuletzt mit Schwierigkeiten kämpfte, als auch für das weltweite Image. Ein globales Sportereignis wie die Formel 1 im eigenen Land hat immer positive Effekte, nicht nur für den Motorsport, sondern auch für Region und Bund: Tourismus, Steuereinnahmen, Wertschöpfung – das alles darf man nicht unterschätzen. Es gibt also eine ganze Reihe von Argumenten, die für eine Rückkehr sprechen.
Viele Fans lechzen nach einem Heimrennen, gleichzeitig sinken die TV-Quoten. Könnte ein Heim-Grand-Prix die Begeisterung in Deutschland neu entfachen?
Davon bin ich überzeugt. Die letzten beiden Rennen bei uns waren nahezu ausverkauft. Die Kulisse war grossartig. Mit Audi kommt ein zweiter Hersteller dazu, wir haben einen Fahrer wie Nico Hülkenberg, der immer wieder für Überraschungen sorgt. Natürlich würde ein echter Siegfahrer aus Deutschland helfen, denn ein Local Hero spielt in der Vermarktung und in der Begeisterung eine entscheidende Rolle. Aber auch ohne diesen Faktor glaube ich, dass viele Fans sich ein Heimrennen zurückwünschen und die Tribünen füllen würden.
Woran liegt Ihrer Meinung nach die aktuelle Zurückhaltung in Deutschland?
Das liegt vermutlich an zwei Dingen: Zum einen fehlt eben der nationale Topfahrer, der regelmässig um Siege kämpft. Zum anderen ist der Zugang zur Formel 1 durch die Pay-TV-Strukturen eingeschränkt – viele Rennen sind nicht mehr frei zugänglich. Das erschwert besonders neuen Fans den Einstieg.
Formel 1 als Boost für Motorsport-Deutschland?
Inwieweit wäre ein Heimrennen auch ein Boost für den deutschen Motorsportnachwuchs?
Eine Formel-1-Veranstaltung zieht enorme Aufmerksamkeit auf sich und kann als Ankerpunkt für Kampagnen oder als Motivationsmotor dienen. Wer einmal live an der Strecke war, spürt dieses Kribbeln, das keine TV-Übertragung ersetzen kann. Gerade für junge Talente ist das eine Erfahrung, die inspiriert. Natürlich löst ein Heim-Grand-Prix allein keine strukturellen Probleme, die es im Nachwuchsbereich gibt, aber er kann Begeisterung wecken, die dann in die Nachwuchsarbeit einfliesst.
Wie schwierig ist Motorsport in Deutschland generell geworden?
Empfehlungen der Redaktion
Wir sehen aktuell eine positive Entwicklung, gerade bei Publikumsveranstaltungen. Unsere eigenen Events sind ein gutes Beispiel: Die ADAC Hockenheim Historic und die Dragster-Veranstaltung NitrOlympX haben in diesem Jahr neue Zuschauerrekorde aufgestellt. Auch kleinere Rennen, die nicht im medialen Rampenlicht stehen, verzeichnen 10 bis 20 Prozent mehr Besucher. Besonders erfreulich: Es kommen wieder mehr junge Leute, viele Familien – das zeigt, dass Motorsport keineswegs tot ist, sondern im Gegenteil an Attraktivität zurückgewinnt. Man darf aber eine andere Seite nicht ausblenden.
Welche?
Motorsport zu betreiben, ist nach wie vor extrem teuer. Das merken wir bei Veranstaltungen, die weniger publikumsorientiert sind – dort sinkt die Zahl der Teilnehmer, und auch bei Testtagen sehen wir aktuell weniger Teams. Das Kostenproblem bleibt also ein Hemmschuh, der angegangen werden muss. Aber von der Fanseite her können wir klar sagen: Das Interesse ist da, und es wächst seit zwei, drei Jahren spürbar.
Über den Gesprächspartner
- Jorn Teske arbeitet seit 2005 für die Hockenheimring GmbH, seit 2019 ist er Geschäftsführer.