• Daniel Ricciardos "Flucht" von Red Bull Racing wird heute noch diskutiert.
  • Den Wechsel 2019 zu Renault haben die wenigsten im Fahrerlager verstanden.
  • Während er seitdem dem Erfolg hinterherfährt, kämpft sein Ex-Rennstall um den Titel.

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"Hätte, hätte, Fahrradkette" ist bei einer Formel-1-Karriere selten ein guter Ansatz. Denn ändern kann man die Vergangenheit sowieso nicht mehr, weshalb das Schwelgen in verpassten Gelegenheiten eigentlich Zeitverschwendung ist.

Trotzdem wird der Abgang von Daniel Ricciardo von Red Bull Racing immer wieder herausgekramt und diskutiert. Jetzt, vor dem dritten Saisonrennen am Sonntag in Australien, vor Ricciardos Heimspiel, einmal mehr. Dabei hatte er Red Bull vor der Saison 2019 verlassen, also vor mehr als drei Jahren.

Das Problem: "Sein Timing war spektakulär schlecht", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner "The Weekend Australian". Weshalb sich die Frage stellt, ob diese Entscheidung am Ende nicht sogar Ricciardos Karriere als Ganzes definieren wird.

Der 32-Jährige absolviert 2022 seine zwölfte Formel-1-Saison, er fuhr bereits 212 Rennen, von denen er acht gewann. Zwei Mal wurde er WM-Dritter. Er gehört zu der Sorte Fahrer, die bereit für den grossen Wurf sind, als titelfähig gelten, aber regelmässig zur falschen Zeit am falschen Ort sind.

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Zur falschen Zeit am falschen Ort

Ricciardo stieg nach Lehrjahren bei HRT und Toro Rosso (2011 bis 2013) nach den vier WM-Siegen von Sebastian Vettel 2014 ein Jahr zu spät bei Red Bull Racing ein, nämlich zum Start der Mercedes-Dominanz. Bis einschliesslich 2018 blieb er bei Red Bull, musste nach der Vettel-Flucht 2015 zu Ferrari aber mitansehen, wie im selben Jahr Max Verstappen die Formel 1 eroberte.

Erst bei Toro Rosso, 2016 dann als Ricciardos Teamkollege. Und der Niederländer schickte sich schnell an, die Nummer eins zu werden. Wobei Ricciardo bis heute der einzige Teamkollege ist, der mit Verstappen auf Augenhöhe agierte.

"Er hatte Zweifel am Honda-Motor", sagte Horner. 2019 stand der Wechsel auf die Aggregate der Japaner an. Auch Verstappen sei ein Grund gewesen, vermutet Horner, "er wollte nicht zum zweiten Fahrer werden". Es glauben tatsächlich viele im Fahrerlager, dass der Wechsel vor allem eine Flucht vor Verstappen gewesen sein soll.

Selbst als Red Bull ihm laut Horner "stratosphärische Angebote" gemacht hatte, entschied sich Ricciardo für Renault. Dort fuhr er zwei Saisons, ehe es 2021 zu McLaren ging. Kurz zusammengefasst: Während sich Red Bull Racing wieder zu einem WM-Herausforderer entwickelte und in der vergangenen Saison mit Verstappen schliesslich den Titel holte, gewann Ricciardo seit seinem Weggang ein einziges Rennen, stand zudem zwei weitere Male auf dem Podium.

Schlimmer noch: Während Ferrari – 2021 noch auf Augenhöhe mit McLaren – das neue Reglement mit den neuen Autos für einen enormen Schritt nach vorne genutzt hat, erwischte McLaren einen klassischen Fehlstart, ist noch nicht konkurrenzfähig.

Auch deshalb kommt die Frage nach dieser einen Karriere-Entscheidung nun wieder vermehrt auf. Denn anstatt um Siege oder Podien zu kämpfen, sind vereinzelte Punkte für Ricciardo schon ein Erfolg. Was auch am Mercedes-Motor liegt, der nicht mehr der Beste im Feld ist.

"Ich bereue meine Karriereentscheidungen nicht. Ich wusste, was es bedeuten würde, ein grosses Team zu verlassen. Zum damaligen Zeitpunkt fühlte es sich für mich richtig an", sagte Ricciardo der "Herald Sun". Innerlich müsse man mit allem zufrieden sein, das im Team passiere, so der Australier. "Es gab viele Dinge, die mich beunruhigten und fehlende Stabilität bedeuteten", sagte er.

Dazu gehörte auch, dass sein Ingenieur Simon Rennie das Team verliess.

Daniel Ricciardo: "Es ist, wie es ist"

"Ich denke, wenn man die Situation genau betrachtet, macht meine Entscheidung Sinn", erklärte Ricciardo, der versteht, "warum manche Leute meinen, ich hätte Red Bull nicht verlassen sollen. Das macht mir nichts aus. Es ist, wie es ist." Natürlich würde er gerne einen Titel mit McLaren gewinnen "und dann sagen: 'Ich habe es euch ja gesagt.' Aber mir ist klar, dass bis das passiert, wohl viele Leute diese Meinung vertreten werden."

Deshalb muss Ricciardo weiter kleine Brötchen backen und sich in Geduld üben, während sich sein Ex-Team Red Bull 2022 mit Ferrari um die Rennsiege und wohl auch um den Titel streiten wird. "Vielleicht können wir um Punkte kämpfen", hofft Ricciardo für sein Heimrennen. Er wisse, dass das kein sehr hohes Ziel ist, "aber das ist wirklich alles, was wir im Moment anstreben können. Bis wir ein paar grosse Updates bekommen, denke ich, dass wir alles, was in den Top Ten ist, als kleinen Sieg ansehen werden."

Seinen Optimismus lässt er sich trotz der unbefriedigenden Lage nicht nehmen. "Mich würde es nicht überraschen, wenn wir in diesem Jahr noch einen Sieg einfahren", sagte er. Ricciardo schaut nach vorne. Ihm bleibt auch nichts anderes übrig. Denn er weiss: Das Schwelgen in verpassten Gelegenheiten ist Zeitverschwendung.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen
  • heraldsun.com: Ricciardo reveals what drove him out of Red Bull (Bezahlinhalt)
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