• Formel 1 ist immer noch eine Männerdomäne. Zuletzt nahm 1976 eine Frau an einem Formel-1-Rennen teil.
  • Pilotinnen wie Sophia Flörsch kämpfen für Frauen im Motorsport.

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Keine Frage, das Jahr 1976 ist wirklich sehr lange her. Im US-Kino wird "Rocky" zum Kassenschlager, in den deutschen Musik-Charts dominieren ABBA. Muhammad Ali verteidigt seine Schwergewichts-Titel im Boxen viermal und in der berühmten "Nacht von Belgrad" verliert die deutsche Nationalmannschaft das EM-Finale gegen die Tschechoslowakei im Elfmeterschiessen.

Es ist das Jahr, in dem Niki Lauda auf der Nürburgring-Nordschleife den fürchterlichen Feuerunfall überlebt. Und es ist auch das Jahr, in dem Lella Lombardi am 15. August als letzte Frau ein Formel-1-Rennen bestreitet. Am Ende der Saison wird James Hunt Weltmeister.

Fast 45 Jahre liegt das alles zurück. Eine Ewigkeit, bald fünf Jahrzehnte, in denen es keine Frau in die Startaufstellung eines Rennens der Motorsport-Königsklasse geschafft hat. Eine unfassbar lange Durststrecke.

Ein halber Punkt

Maria Grazia "Lella" Lombardi: Der Name der 1992 verstorbenen Italienerin hängt wie eine Art Damoklesschwert über dem Motorsport. Ein Mahnmal, wie schwierig der Weg in die Formel 1 für Frauen war – und wie kompliziert er immer noch ist. Ganze fünf Fahrerinnen haben es in 70 Jahren Formel 1 versucht, sich für ein Rennen zu qualifizieren. Zwei davon haben es geschafft.

Lombardi absolvierte von 1974 bis 1976 zwölf Rennen, und sie war auch die einzige Frau, die etwas Zählbares einfuhr: Im Abbruchrennen von Spanien 1975 holte sie als Sechste einen halben WM-Punkt.

Vor ihr versuchte sich Maria Teresa de Filippis als erste Frau in der Formel 1, sie kam 1958 auf drei Rennen. Legendär ist der ihr verwehrte Start in Frankreich. Heute unvorstellbar: Der Organisator des Frankreich-GP liess sie nicht starten. "Er sagte, der einzige Helm, den eine Frau tragen sollte, ist der beim Friseur", erzählte sie einmal.

Sophia Flörsch, aktuell die deutsche weibliche Hoffnung im Motorsport, bestätigt, dass es auch heute noch eine Männerwelt ist, "in der man sich erst einmal das Selbstbewusstsein und ein dickeres Fell aneignen muss. Aber je älter du wirst, desto mehr gewöhnst du dich dran, desto mehr wächst du daran", sagte sie zuletzt im Interview mit unserer Redaktion.

Frauen in der Formel 1: Vorurteile motivieren

Sie zieht vor allem Stärke daraus. "Es gibt gewisse Sachen, die einen motivieren – gewisse Sätze, gewisse Vorwürfe", sagte sie und erklärte, dass es viele Männer gibt, "die es nicht gutheissen, dass ich mitfahre, weil sie nicht glauben, dass eine Frau das kann. Das motiviert schon, denn genau diesen Männern will man es natürlich beweisen."

Vor allem auch, weil die Bilanz so bitter ist, denn nach de Filippis und Lombardi kam nicht mehr viel. Die Britin Divinia Galica scheiterte in den 1970er Jahren ebenso in der Qualifikation wie 1980 die Südafrikanerin Desiré Wilson, die aber immerhin mit einem Formel-1-Rennwagen ein Rennen gewann, auch wenn das kein offizieller WM-Lauf war. Giovanna Amati nahm 1992 als letzte Frau an einem Qualifying teil, scheiterte aber ebenfalls.

Seitdem gab es immer wieder Frauen, die sich im Dunstkreis der Formel 1 bewegten, aber es eben nicht in die Startaufstellung schafften. Susie Wolff, Gattin von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, war zwischen 2012 und 2015 Entwicklungsfahrerin bei Williams, durfte aber nur mal im Training reinschnuppern. 2015 wiederum sorgte das Engagement der hübschen, aber zuvor wenig erfolgreichen Carmen Jorda bei Lotus als Entwicklungsfahrerin für Negativ-Schlagzeilen und die Kritik, nur ein PR-Stunt zu sein.

Unterschied zwischen Theorie und Praxis

Was es unterm Strich dann auch war – auf die Strecke durfte die Spanierin nämlich nicht. Wie auch aktuell die Kolumbianerin Tatiana Calderon und die Britin Jamie Chadwick nicht, die zwar als Testfahrerinnen von Alfa Romeo und Williams engagiert wurden und auch tatsächlich Talent besitzen, den letzten, finalen Sprung aber auch noch nicht vollzogen. Dabei ist der Motorsport eine der wenigen Sportarten, in der Frauen gegen Männer trotz der körperlichen Unterschiede antreten können. Zumindest theoretisch.

Um das in der Praxis zu fördern, gibt es beim Automobil-Weltverband inzwischen eine Kommission "Frauen im Motorsport" und weitere Initiativen wie zum Beispiel "FIA Girls on Track - Rising Stars" oder die Stiftung "Dare to be different" von Susie Wolff, die dem weiblichen Nachwuchs helfen sollen.

Doch bis die Initiativen in einigen Jahren hoffentlich Wirkung zeigen, kämpfen auch die weiblichen Talente mit den üblichen Problemen des Nachwuchses, kombiniert mit der Herausforderung, als Frau akzeptiert und gefördert zu werden.

Vorbilder fehlen

Hinzu kommt bei den Mädchen ein Bruch im Alter von 15 Jahren, weil Vorbilder und Zukunftsaussichten fehlen. "In diesem Alter sind junge Mädchen erwachsener als Jungen, und wenn sie keine weiblichen Vorbilder haben, sehen sie in dem Sport einfach keine Zukunft", sagt Rallye-Legende Michèle Mouton, Präsidentin der Kommission "Frauen im Motorsport", beim "Sportbuzzer".

Die generelle Krux: Die Nachwuchsserien kosten eine Stange Geld. Flörsch würde 2021 gerne erneut in der Formel 3 an den Start gehen, es ist theoretisch der vorletzte Schritt in die Formel 1. Eine Saison bei einem Team, das gewinnen kann, kostet aber zwischen 1,2 und 1,6 Millionen Euro. 2020 fuhr sie bei einem Mittelklasseteam.

Ohne Geld fehlen die Möglichkeiten

Das kostet zwar "nur" 900.000 Euro, liefert dann aber auch nicht die dringend benötigten Top-Ergebnisse. Ein Teufelskreis, angetrieben durch die Pandemie-Probleme, denn Sponsoren sind noch schwerer zu finden als sonst.

Trotzdem sind die Macher optimistisch. Mouton glaubt, dass wir "bald" die nächste Lella Lombardi in der Formel 1 sehen. "Die Einstellung hat sich geändert und ich glaube, dass mehr und mehr Leute gerne Frauen in der Formel 1 sehen würden", sagt sie. Damit die lange Durststrecke endlich ein Ende hat.

Verwendete Quellen:

  • Sportbuzzer.de: Interview mit Michèle Mouton
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