Viele Profi-Fussballerinnen gehen neben ihrer Karriere in der Bundesliga einem Job nach, um die Laufbahn finanzieren zu können. Andere studieren im Hinblick auf die Zeit nach dem Fussball. Und diese Mehrfachbelastung hat nicht selten psychische Auswirkungen, wie eine Studie ergeben hat. Wir haben uns mit der Autorin der Studie unterhalten.
Frühmorgens im Büro, abends auf dem Trainingsplatz, am Wochenende quer durch die Republik zum Auswärtsspiel: Für viele Fussballerinnen in der Bundesliga ist das Alltag - und eine enorme Belastung. Denn auch im Jahr 2025 ist der Profistatus im Frauenfussball oft nur eine offizielle Bezeichnung, denn die Realität ist in vielen Fällen ernüchternd, wie eine Studie zeigt. Daraus geht klar hervor, wie viele Profi-Fussballerinnen nebenbei arbeiten gehen müssen und was das für ihre mentale Gesundheit bedeutet. Viele jonglieren zwei Leben und zahlen dafür einen hohen Preis.
Kerstin Neumann hat als ehemalige Mitarbeiterin der Spielergewerkschaft VDV diese Untersuchung Ende 2024 im Rahmen ihrer Bachelorarbeit verfasst und in den drei Jahren bei der VDV aus nächster Nähe miterlebt, wie Spielerinnen mit Alltagsstress, unsicheren Spielplänen und einem zermürbenden Spagat zwischen Sport und Broterwerb umgehen müssen. Ihr Antrieb: der Wunsch, die Realität sichtbar zu machen, die Probleme greifbarer.
Das Ergebnis ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass im deutschen Fussball der Frauen vieles besser geworden ist, aber noch Luft nach oben besteht. "Sehr viele Spielerinnen arbeiten oder studieren zusätzlich. Und viele kämpfen damit, diesem Rhythmus auf Dauer standzuhalten", sagt Neumann im Gespräch mit unserer Redaktion. Diese Mehrfachbelastung schlägt sich nicht nur körperlich nieder, sondern auch psychisch. "Sie wollen dann allem gerecht werden und überall performen. Und da kommt immer irgendetwas zu kurz", sagt Neumann.
Zahlen, die zum Nachdenken anregen
Insgesamt 56 Spielerinnen von acht Klubs aus der Bundesliga haben den vierteiligen Fragebogen ausgefüllt und dabei demografische, aber auch Fragen zur emotionalen und physischen Verfassung beantwortet. Das Ergebnis ergibt ein differenziertes Bild. Zwar gaben 62,5 Prozent an, dass sie mit ihrem Fussballgehalt ihre Lebenshaltungskosten decken können. Doch gleichzeitig sagten rund 59 Prozent der Spielerinnen, dass sie neben dem Sport arbeiten oder studieren.
Zum einen, um sich für die Zeit nach der Profi-Karriere vorzubereiten, weil die Gehälter auch bei den Top-Verdienerinnen nicht bis zum Lebensende reichen werden. Zum anderen aber auch, um schon jetzt über die Runden zu kommen. Einzelne gaben sogar an, überhaupt kein Gehalt für ihren Aufwand zu bekommen. Keinen Cent. Auf Bundesliga-Niveau wohlgemerkt. Laut Studie sind fast 90 Prozent immerhin an sechs von sieben Tagen mit Fussball beschäftigt.
Das System ist ein Problem
Das grösste Problem? Es sind nicht nur die Jobs oder die langen Tage. Es ist das System. Unvollständige Spielpläne, weite Auswärtsfahrten an ungünstigen Tagen, natürliche Grenzen bei der Unterstützung durch den Verein, eine Angewiesenheit auf Verständnis beim Arbeitgeber - das erzeugt Frust und Stress. Bei 33 Prozent ist es die reine Mehrfachbelastung. Knapp 60 Prozent empfinden vor allem deshalb Stress, weil sie ihr Leben nicht mehr richtig unter einen Hut bekommen.
Besonders belastend ist dabei, dass neben Beruf oder Studium und dem Fussball kaum noch Zeit für Familie und Freunde bleibt. Diese fehlenden sozialen Auszeiten setzen vielen deutlich mehr zu als die reine Doppelbelastung. Mehr als die Hälfte gab zudem an, dass sie kaum Möglichkeiten finden, um abzuschalten oder sich zu erholen.
Die Lage in der Liga bezeichnet Neumann als "heterogen", mit einem "sichtbaren Gefälle", das sich durch die zur neuen Saison 2025/26 erfolgte Aufstockung der Liga von zwölf auf 14 Vereine noch einmal deutlicher zeigen dürfte. Zwar gibt es Lichtblicke, denn es gibt Vereine, die professionellere Strukturen, warme Mahlzeiten nach dem Training, Physiotherapie, Erholungsräume bieten. "Sie machen mittlerweile einen sehr guten Job, was die Professionalisierung angeht", sagt Neumann. "Aber es arbeiten schlicht nicht alle unter denselben Bedingungen. Da sind die Herausforderungen drumherum, denen man sich stellen muss, ganz andere."
Die unterschätzte psychische Komponente
Die Folge: sinkende Leistungsfähigkeit. "Das war eines der überraschendsten Ergebnisse", sagt Neumann. "Man denkt, dass sich diese emotionale Belastung irgendwo auswirkt, aber dass es sich tatsächlich bemessen lässt, dass die Leistungsfähigkeit leidet, fand ich dann doch überraschend." Doch klar: "Wenn der Kopf nicht mitspielt, dann kann man noch so fit sein - am Ende bringt man eben doch nicht die Leistung, die man bringen könnte." Das Vermutete liefert die Studie schwarz auf weiss.
Ein weiteres Defizit ist die psychologische Betreuung. Denn sie ist nicht ligaweit gewährleistet, obwohl genau hier ein Hebel wäre. Gerade nach Verletzungen oder in Phasen mentaler Überforderung wäre professionelle Unterstützung essenziell. Dabei zeigt sich: Frauen sprechen offener über mentale Gesundheit als Männer. "Der Frauenfussball ist da offener und toleranter, auch was andere Themen wie die sexuelle Orientierung angeht", erklärt Neumann. "Aber offener Umgang allein ersetzt keine strukturelle Hilfe."
Ein ganz anderes Pflichtbewusstsein
Was gut ist: Trotz des belastenden Alltags bereiten sich viele Spielerinnen aktiv auf die Zeit nach der Karriere vor. Studieren nebenbei, machen eine Ausbildung, promovieren sogar. "Da existiert ein ganz anderes Pflichtbewusstsein als bei vielen Männern, die einfach davon ausgehen, dass das Geld schon reicht, wenn sie sich nicht ganz doof anstellen", weiss Neumann. Frauen seien wesentlich reflektierter und ehrgeiziger, was den weiteren Bildungsweg angehe, sagt Neumann. "Auch weil sie wissen, dass sie es müssen".
Deshalb sind die Handlungsempfehlungen klar: Die strukturellen Bedingungen in den Klubs müssen besser werden. "Da könnte man unter anderem den DFB in die Verantwortung nehmen und das Konzept der finanziellen Unterstützung hinterfragen. Auch wenn das in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden ist", sagt Neumann, die auch auf nötige Verbesserungen beim medizinischen Personal verweist, konkret bei der psychologischen Unterstützung. Dazu wäre auch ein besseres Erholungs- und Belastungsmanagement hilfreich. "Die Bezahlung ist medial immer ein grosses Thema, aber auch die mentale Komponente und die strukturellen Probleme sollten nicht aus dem Blickfeld geraten auf dem Weg zur besseren Entwicklung", sagt sie.
"Eine gute Ausgangslage" - mit Luft nach oben
Die Bundesliga wächst, das Interesse auch, und das Fundament ist gelegt, kann aber noch nicht ganz Schritt halten mit den gestiegenen Anforderungen. Neuman sieht den Status Quo als "eine gute Ausgangslage" und Deutschland im "soliden oberen Mittelfeld" Europas, hinter England oder Frankreich, aber besser als viele andere Nationen.
Empfehlungen der Redaktion
Die Entwicklung stimmt also, aber es braucht nicht nur mehr Geld, mehr Struktur oder mehr psychologische Unterstützung, sondern auch mehr Ehrlichkeit. Denn solange Spielerinnen in der Bundesliga aktiv sind und nebenher arbeiten müssen, kann von echter Professionalisierung noch keine Rede sein. Dabei verdient der Frauenfussball mehr, was auch für die Spielerinnen gelten sollte - im wahrsten Sinne des Wortes.
Über die Gesprächspartnerin
- Kerstin Neumann hat drei Jahre für die VDV als Teambetreuerin im Frauenfussball gearbeitet. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit an der Hochschule Bochum untersuchte sie die Mehrfachbelastung und psychischen Anforderungen von Fussballerinnen in der Bundesliga.